Die USA begrüßen die Nominierung des neuen Kabinetts der Palästinensischen Autonomiebehörde. Die Gastkommentatorin in der japanischen Zeitung ASAHI SHIMBUN analysiert: "Der neue Premierminister Mohammed Mustafa ist ein Wirtschaftsexperte, der Erfahrungen unter anderem bei der Weltbank gesammelt hat. Er ist eine Führungspersönlichkeit und soll den Wiederaufbau von Gaza nach dem Krieg übernehmen. Zudem wird er von der internationalen Gemeinschaft als glaubwürdig angesehen. Mit dem neuen Kabinett wurde ein würdiger Rahmen für eine fähige Regierung im Westjordanland geschaffen, für die US-Präsident Biden immer wieder plädierte. Ob Israel das Kabinett akzeptiert, ist zwar noch unklar, aber es erfüllt zumindest eine Bedingung: eine Vertretung der Palästinenser ohne Hamas-Mitglieder. Damit ist eine Perspektive für die Zukunft geschaffen worden", heißt es in der Zeitung ASAHI SHIMBUN, die in Tokio erscheint.
Die Enthaltung der USA bei einer Abstimmung im UNO-Sicherheitsrat über eine sofortige Feuerpause im Gazastreifen hatte die Differenzen mit Israel weiter verschärft. Die JERUSALEM POST aus Israel sieht es folgendermaßen: "Israel hat richtig gehandelt, als es ein Treffen in Washington absagte. Denn die Regierung Biden hatte sich bei der Resolution, die einen Waffenstillstand nicht mit der Freilassung aller Geiseln verknüpfte, der Stimme enthalten. Israel muss nun eine umfassende PR-Offensive mit einer einzigen übergreifenden Botschaft starten: 'Gebt alle unsere Geiseln zurück und es wird einen Waffenstillstand geben'. Es muss auf einer ausdrücklichen Verknüpfung zwischen beidem bestehen und diese Botschaft der ganzen Welt immer wieder vor Augen führen. Israel kann es sich nicht leisten zu warten, weil die Hamas und ihre Unterstützer gerade den PR-Krieg gewinnen", lautet die Feststellung in der JERUSALEM POST.
Die panarabische Zeitung AL ARABY AL-JADEED kommentiert die Gespräche des israelischen Verteidigungsministers Gallant mit seinem US-Amtskollegen Austin in Washington. "Es zeigten sich zwar Differenzen. Die aber waren rein technischer Art und kreisten um die Frage, wie ein Angriff auf Rafah und die dortige Hamas-Bewegung zu organisieren sei. Austin warnte, es sei ein strategischer und moralischer Fehler, Zivilisten ins Visier zu nehmen. Allerdings verzichtete er darauf, Israel gegenüber irgendeine rote Linie zu ziehen. Darum scheint es, dass Israel die Invasion von Rafah beginnen und zugleich behaupten kann, es berücksichtige den amerikanischen Standpunkt. Es braucht dringend weitere diplomatische Initiativen. Ansonsten wird Netanjahu den brutalen Krieg gegen Zivilisten weiter fortsetzen - und das vermutlich auch in Rafah", befürchtet die Zeitung AL ARABY AL-JADEED mit Sitz in London.
"Benjamin Netanjahu ist zu einem Hindernis für die Deeskalation im Nahen Osten geworden", schreibt die spanische Zeitung EL MUNDO aus Madrid. "Seine Kriegsführung im Gazastreifen isoliert Israel zunehmend in einer internationalen Gemeinschaft, die nach dem grausamen Hamas-Angriff vom 7. Oktober bedingungslos hinter seiner Regierung stand."
Die Zeitung LIANHE ZAOBAO aus Singapur warnt vor den Auswirkungen des Konflikts auf andere Regionen der Welt. "Jeder beharrt auf der eigenen Position. Das ist besorgniserregend. Es gibt bereits Zeichen, dass sich der Konflikt in Gaza auf andere Gesellschaften überträgt. Auch in Singapur leben viele Gläubige der muslimischen Religion. Vom Feuer in Gaza können auch wir hier Funken abbekommen. Die Reaktionen der Muslime sind stark. Das spaltet unsere Gesellschaft und stellt zunehmend eine Gefahr der Instabilität dar. Israel muss einsehen, dass auch berechtigte Selbstverteidigung Grenzen hat - und haben muss", lautet die Forderung in der Zeitung LIANHE ZAOBAO aus Singapur.
Nun zum nächsten Thema - dem Krieg in der Ukraine und der Sicherheitsgefahr für Europa. Die norwegische Zeitung DAGSAVISEN aus Oslo stellt fest: "Die russische Rüstungsindustrie läuft auf Hochtouren. Neue Waffen werden getestet, der Einsatz von Atomwaffen wird angedroht. Als Reaktion darauf rüstet auch die NATO auf, und nun gilt die Devise, dass Waffen der Weg zum Frieden sind. Polens Premier Tusk spricht sogar davon, dass sich Europa in einer Vorkriegszeit befindet. Wir sind festgefahren in einem destruktiven Sicherheitsdilemma."
"Putins Regime braucht ausländische Feinde, um Repressionen im Inland zu rechtfertigen", lesen wir in der niederländischen Zeitung DE VOLKSKRANT. "Wegen einer angeblichen Bedrohung des Vaterlandes können Menschen getötet, gefoltert oder in Straflager geschickt werden. Der Westen muss sich darüber vollkommen im Klaren sein. Mit diesem radikalisierten Regime ist vorerst kein Frieden möglich. Es muss gestoppt werden. Es ist zu befürchten, dass Russland den Terroranschlag in Moskau benutzen wird, um den Krieg in der Ukraine zu verschärfen. Russland hat die Oberhand, denn die westlichen Waffen- und Munitionslieferungen stocken. Die Dringlichkeit scheint den Europäern nicht klar zu sein. Während die Ukraine um ihr Leben kämpft, wurde in Brüssel über Einfuhrzölle auf ukrainische Agrarprodukte verhandelt, um die randalierenden europäischen Landwirte zufriedenzustellen." Soweit DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Zur veränderten Rolle der NATO bemerkt die estnische Zeitung POSTIMEES aus Tallinn: "Die NATO, der Estland seit 2004 angehört, ist nicht mehr die gleiche wie vor 20 Jahren", "Damals war der Beitritt nicht viel mehr als eine politische Deklaration, denn es existierten keine Pläne für einen Verteidigungsfall. Ein solcher Plan entstand erst später und war zunächst so allgemein gehalten, dass er diese Bezeichnung kaum verdient hatte. Heute sind in Estland 2.000 Soldaten aus sechs verschiedenen Bündnisländern stationiert, und die NATO zeigt nicht mehr nur am Himmel Präsenz, sondern auch zu Land und zur See."
Die lettische Zeitung NEATKARĪGĀ RĪTA AVĪZE aus Riga zeigt Skepsis gegenüber dem Bündnis: "Wir haben natürlich ein größeres Sicherheitsgefühl, als wenn wir außerhalb der NATO stünden. Aber es bleibt die Frage, wie verlässlich der berühmte Artikel 5 ist."
Die Londoner Zeitung TIMES plädiert für eine Erhöhung der britischen Militärausgaben. "Die 'Friedensdividende', die sich die Regierungen vom Zusammenbruch des Kommunismus versprachen, hat sich als illusorisch erwiesen. Das Versäumnis, langfristig in die Verteidigungskapazitäten zu investieren, wurde uns durch die russische Aggression gegen die Ukraine deutlich vor Augen geführt. Großbritannien muss mehr Geld für die Verteidigung ausgeben, real und im Verhältnis zum Nationaleinkommen. Das derzeitige Defizit an Personal und Ausrüstung ist dramatisch. Auf das Beste zu hoffen und sich darauf zu verlassen, dass unsere Verbündeten auf beiden Seiten des Atlantiks diese Lücken schließen, wird sich als falsche Sparsamkeit und als Vernachlässigung der nationalen Pflichten erweisen", zeigt sich der Kommentator in der britischen Zeitung TIMES überzeugt.
In der Ukraine haben im März wegen des Krieges keine Wahlen stattgefunden. Dazu meint die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: "Der Krieg kann noch bis ins nächste Jahrzehnt andauern. Früher oder später werden es die Ukrainerinnen und Ukrainer bereuen, dass sie sich den Weg zu einer Willenskundgebung für eine unnötig lange Zeit verbaut haben. Was geschähe, wenn Selenskyj ums Leben käme? Wenn er dereinst vor kontroversen Entscheidungen stünde, aber nur noch geringe Legitimität besäße? Wenn es gälte, einen Friedensvertrag dem Volk zur Abstimmung vorzulegen? Für all diese Szenarien gibt es unter dem Kriegsrecht keine befriedigende demokratische Lösung; eine tiefe politische Krise wäre daher programmiert."