Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Intellektuelle zur Flüchtlingspolitik
"Eine ganz ganz gefährliche Intonation"

Einige Intellektuelle in Deutschland zeigen nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Albrecht von Lucke eine neue Position in der Flüchtlingsfrage. Der Philosoph Peter Sloterdijk, der Schriftsteller Botho Strauß und der Autor Frank Böckelmann bildeten einen Gegenpol zur Kritik etwa von Pegida-Anhängern, sagte von Lucke im Deutschlandfunk. Mit einem "Lob der Grenze" argumentierten sie aber auch für eine Art Widerstandsrecht gegen Flüchtlinge – er hält das für infam.

Albrecht von Lucke im Gespräch mit Michael Köhler | 07.02.2016
    Albrecht von Lucke
    Albrecht von Lucke (dpa/picture alliance/Horst Galuschka)
    Der Philosoph Peter Sloterdijk hatte im Monatsmagazin "Cicero" die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisiert. "Die deutsche Regierung hat sich in einem Akt des Souveränitätsverzichts der Überrollung preisgegeben", sagte er, "diese Abdankung geht Tag und Nacht weiter".
    Der Politikwissenschaftler und Journalist Abrecht von Lucke von den "Blättern für deutsche und internationale Politik" wies im Deutschlandfunk darauf hin, dass dieses "Lob der Grenze", das auch Sloterdijk ausdrücklich so nenne, von deutschen Intellektuellen in unserer "postnationalen Republik seit 1945" nicht mehr vernommen worden sei.
    Von Lucke sagte, wir müssten uns bewusst machen, die EU mit ihrer Grenzenlosigkeit als zivilisatorische Errungenschaft kollidiere jetzt mit dem Aspekt der Sicherheit. Jetzt stießen "plötzlich neue Denker (...) in diese Lücke und reklamieren einen neuen staatlichen Souveränitätsanspruch", sagte von Lucke.
    Ein infamer Satz
    Dass Flüchtlinge nach Sloterdijk durch ihren Zustrom nach Deutschland definieren, wann der Ausnahmezustand gelte, nennt von Lucke eine "ganz ganz gefährliche Intonation". Der Satz sei infam, denn Sloterdijk behaupte genauso wie der Autor Frank Böckelmann so etwas wie ein Widerstandsrecht des Staats gegen Flüchtlinge. Das suggeriere, dass diese eine bewusste Aushöhlung der staatlichen Souveränität betrieben, das werde der Not und dem Elend aber überhaupt nicht gerecht.
    Die Äußerungen von Intellektuellen wie auch Botho Strauß haben Albrecht von Lucke zufolge erstmals auch eine Basis für rechte Argumentationsmuster, etwa durch Pegida. Das könne eine Basis für eine konservative Revolution sein, an deren Spitze sich Sloterdijk setze.
    Peter Sloterdijk redet auf einer Pressekonferenz
    Der Philosoph Peter Sloterdijk im Oktober 2012 auf einer Pressekonferenz in München. (dpa / Andreas Gebert)
    Eine Pegida-Argumentation
    Kritik übte Sloterdijk im "Cicero" auch am Zustand der Medien: "Der Lügenäther ist so dicht wie seit den Tagen des Kalten Kriegs nicht mehr." Das Bemühen um Neutralität sei gering, "die angestellten Meinungsäußerer werden für Sich-Gehen-Lassen bezahlt, und sie nehmen den Job an."
    Von Lucke sagte, die neuen Rechten intonierten gerade gegen diese vermeintlich gleichgeschalteten Medien, weil der liberale Meinungsstrom weiter stark sei. Diesen Vorwurf eines medialen politischen Komplotts könne man in jeder Pegida-Demo hören.