Mittwoch, 24. April 2024

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Alan Parsons
"Ich war der musikalische Direktor"

Er war Aufnahme-Assistent bei den Beatles und als Toningenieur an Pink Floyds "Dark Side of the Moon" beteiligt: der Musiker Alan Parsons. Im Corso-Gespräch erzählt er, warum das Alan Parsons Project nie live auftrat und warum er heute den Schritt auf die Bühne wagt.

Alan Parsons im Gespräch mit Fabian Elsäßer | 14.12.2013
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    Alan Parsons (picture alliance / dpa/ Revierfoto)
    Fabian Elsäßer: "Mr. Parsons....
    Alan Parsons: "Oh, nennen Sie mich bitte Alan. Nur Polizisten nennen mich Mr. Parsons!" (lacht)
    Elsäßer: Das Coverfoto von "Livespan" zeigt Sie in einer fast schon majestätischen Geste: Sie stehen aufrecht im Scheinwerferlicht, den linken Arm in die Höhe gestreckt, mich hat das fast schon an das Bild eines römischen Herrschers erinnert – warum haben Sie ausgerechnet dieses Foto ausgewählt?
    Parsons: ''(lacht) Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, warum ich da den Finger in die Luft halte – vielleicht wollte ich zum Toningenieur oder dem Lichtmischer zeigen, damit das Publikum Ihnen applaudiert – ich glaube, das war ein Foto von der Night Of The Proms.... Immerhin lächele ich darauf, also bedanke ich mich wahrscheinlich....
    Elsäßer: "Als Live-Künstler haben Sie recht spät angefangen, da waren Sie schon um die 40. Können Sie sich noch an das erste Konzert erinnern, dass Sie je gegeben haben?"
    Alan Parsons: "Das allererste war in Belgien, aber da stand ich noch am Mischpult unter einem Scheinwerfer und habe nur die Songs angesagt. Das erste Konzert, bei dem ich wirklich selbst auf der Bühne stand, war in Hamburg. Ich weiß es noch genau: Das erste Lied war zu Ende, und auf einmal hörte ich Applaus und Jubel. Und ich dachte mir: Mein Gott, warum hab' ich das nicht viel früher gemacht? Es war so befreiend, zu wissen, dass sie uns wirklich spielen sehen wollten. Und seitdem haben wir nicht mehr zurückgeblickt und waren jedes Jahr auf Tour."
    Elsäßer: "Eine deutsche Kritikerin hat vor ein paar Monaten in einem Konzertbericht über Sie geschrieben, dass Sie auf der Bühne wie ein Fürst oder Prinz auf sie wirken würden. Wie definieren Sie Ihre Rolle auf der Bühne?"
    Parsons: "Ich bin schon so etwas wie der Schlossherr, auch weil ich in der Mitte der Bühne auf einem Podest stehe. Und es entspricht wohl der Vorstellung, die das Publikum von mir hat, wenn es um das Alan Parsons Project geht. Ich war der musikalische Direktor, schon so etwas wie der Chef. Das übertragen die Leute offenbar auf die Live-Auftritte. Dieses Zitat überwältigt mich übrigens ein bisschen – gefällt mir!"
    Elsäßer: "Sie gelten als totaler Perfektionist bei Tonaufnahmen und Produktionen – wie "live" ist "Livespan" überhaupt?"
    Parsons: "Es ist sehr live. Aber die Technik ermöglicht es uns auch, die besten Momente zweier Shows zu kombinieren. Wenn ich an dem einen Abend einen falschen Akkord gespielt habe, am anderen aber nicht, dann habe ich die im Studio eben ausgetauscht. Auch den Gesang haben wir nachträglich noch etwas bearbeitet. Aber die wenigsten Live-Alben sind heutzutage komplett "live", es sei denn, man nimmt ein Aufnahmegerät wie Ihres und hält es einfach während des Konzerts vor den Boxen in die Luft. Ich habe kein schlechtes Gewissen, weil ich ein paar Korrekturen vorgenommen habe."
    Elsäßer: "Warum sollte man heute überhaupt noch ein Live-Album aufnehmen? Das ist doch fast schon eine bedrohte Kunstform, jetzt, da jeder mit seinem Smartphone alles aufnehmen und sofort ins Internet stellen kann..."
    Parsons: "Ja, natürlich. Bei jedem Konzert, das wir geben, sieht man das rote Licht von den Telefonen, die vor die Lautsprecher gehalten werden. Ich bin da ziemlich abwehrend – wenn ich merke, dass jemand mehr als einen Song aufnimmt, dann werde ich jemandem hinschicken, der ihm sagt, dass er es bitte abschalten soll. Es zerstört irgendwie die Show. YouTube ist eine riesige Bezugsquelle für Musik, aber es sollte eine für gut klingende Musik sein, und nicht für Amateurvideos mit schrecklichem Live-Sound. Ich fühle mich gut damit, dass wir gerade ein Live-Album herausgebracht haben. Es ist vollständiger als alles, was wir bisher in dieser Art gemacht haben. Es sind zwei CDs in voller Länge, ein ganzes Konzert, und es sind alle Hits darauf. Und bisher verkauft es sich ziemlich gut."
    Elsäßer: "Es ist einerseits also sehr repräsentativ, aber andererseits klingt es für mich so, als würden Sie jetzt mehr Wert auf die Rockelemente alter Songs und weniger auf die symphonischen legen. Einige Songs bekommen dadurch viel mehr Biss."
    Parsons: "Ja, und ich halte das für eine gute Sache. Wir versuchen zwar, die orchestralen Passagen so weit wie möglich nachzubilden, aber wenn man live spielt, darf nichts flach klingen, sondern es muss aufregend sein. Und wenn es sich dann nach mehr Rock & Roll anhört, dann waren wir erfolgreich."
    Elsäßer: "Sie haben vor Kurzem angekündigt, dass Sie an neuem Material arbeiten. Und es gibt eine neue Single. Wird es ein neues Album geben?"
    Parsons: "Wir haben jetzt drei, naja eigentlich vier Songs zusammen, die es auf ein Album schaffen würden. Also wäre als nächstes vielleicht eine EP dran. Wobei: Drei oder vier Songs mehr, und dann hätte man schon ein Album. Es würde also gar nicht so viel fehlen. Aber warten wir mal ab, ob diese "Fragile" - Single ein Hit wird, und dann werden wir eine Entscheidung über ein neues Album treffen."
    Elsäßer: "Wo wir gerade über die Produktionen sprechen: wenn Rick Rubin der großer Reduzierer unter den Produzenten ist, und Steve Albini z. B. der König der Live-Studio-Aufnahme, was würden Sie als Ihr Markenzeichen als Produzent betrachten?"
    Parsons: "Wahrscheinlich, dass ich niemals denselben Sänger für zwei aufeinanderfolgende Songs wähle. Das ist ein riesiger Vorteil, den ich beim Aufnehmen hatte, dass ich auf eine große Bandbreite von Sängern und auch Instrumentalisten zurückgreifen kann. Mein Markenzeichen ist Abwechslung."
    Elsäßer: Und wenn es um Sound geht?
    Parsons: "Ich gebe mir sehr viel Mühe beim Einsatz von Stereo-Effekten. Die Leute sagen, und ich war ziemlich perplex, als ich das zum ersten Mal gehört habe – die Leute sagen, sobald Sie eine Alan Parsons – Platte hören: Oh, das ist definitiv von Alan Parsons. Ich höre das nicht. Ich weiß nicht warum. Ich nehme Musik einfach auf, indem ich Instinkten folge und die Sachen auf meine Weise mache. Ich höre diesen "Alan Parsons – Sound" nicht, so wie andere Leute es tun."
    Elsäßer: "Was halten Sie von der technischen Entwicklung der vergangenen Jahre, die es Künstlern wie Damon Albarn ermöglicht, ganze Alben auf dem Smartphone oder I-Pad in ihrem Hotelzimmer aufzunehmen? Das muss doch ein bisschen frustrierend für Sie sein, oder?"
    Parsons: "Es ist frustrierend für jemanden wie mich, der noch gelernt hat, wie man solche Sachen anständig macht: Mikrofonierung, Spuren abmischen, seine Ohren benutzen. Ich möchte damit nicht sagen, dass Smartphone-Musik schlecht ist, nur mich spricht sie eben nicht besonders an. Aber ich glaube, dass auf Klangqualität immer weniger Wert gelegt wird. Nicht so sehr bei den Aufnahmen, sondern bei der Wiedergabe. Musik wird als MP3 angeboten. Das ganze Konzept der "High Fidelity" ist dabei irgendwie in Vergessenheit geraten."
    Elsäßer: Zwei Alben werden wohl auf ewig an Ihrem Namen kleben. Das eine hat einen Zebrastreifen vorne drauf (Abbey Road), das andere ein Prisma (Dark Side Of The Moon). Ist das ein Fluch oder ein Segen?
    Parsons: "Ich akzeptiere es als die Tatsache, die mich überhaupt erst hierher gebracht hat. Im Fall von Pink Floyd noch mehr als bei den Beatles. Ich verschmähe keine dieser Bands, das waren ja meine Karriereanfänge. Aber ich höre sie mir heute nicht mehr zwangsläufig an. "Abbey Road" oder "Dark Side Of The Moon" sicherlich nicht. Es ist inzwischen sogar so, dass ich den Sender wechsele, wenn ich im Radio etwas von "Dark Side Of The Moon" höre! Aber ich kann nur dankbar dafür sein, an diesen Alben mitgewirkt zu haben."