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Ausbildung von Fußballern
Der Traum von der Profikarriere

Viele Jugendliche würden alles tun, um Fußballprofi zu werden. Aber nur wenige schaffen tatsächlich den Sprung in den Profikader. Damit sie nicht mit Mitte 20 ohne Ausbildung dastehen, sorgen sich immer mehr Fußballvereine um die schulische und universitäre Bildung ihrer Spieler.

Von Victoria Reith | 30.11.2014
    Das Büro der Schulleiterin der Geißbockakademie, Beate Weisbarth. Dort bewahrt sie Trophäen und Abschiedsgeschenke ehemaliger Schüler auf.
    Das Büro der Schulleiterin der Geißbockakademie, Beate Weisbarth. Dort bewahrt sie Trophäen und Abschiedsgeschenke ehemaliger Schüler auf. (Deutschlandradio - Victoria Reith)
    Mittagszeit in der Kölner Geißbockakademie, neben dem Vereinsgelände des FC Köln. Ein großer, heller Raum mit Essensbüffet, Fernseher, und einem Computer, an dem eine kleine Gruppe ein Fußballspiel vom vergangenen Wochenende anschaut.
    30 Schüler, alles Jungen, verbringen hier die Zeit zwischen Schule und Training. Lehrer bringen ihnen das bei, was sie durch Trainingszeiten während der Schulstunden verpasst haben. Und sie erledigen ihre Hausaufgaben. Die 30 sind wegen ihrer sportlichen Leistungen ausgesucht worden und sollen die bestmögliche schulische Betreuung bekommen, während sie an ihrem Traum arbeiten. Profi zu werden.
    Nur wenige passen durch das Nadelöhr
    Aber wie viele schaffen das?
    "Ich glaub nicht viele, weil es ist ja auch ein schwerer Weg, aber vielleicht klappt's ja."
    "Ich möchte natürlich gerne Fußballprofi werden."
    Henry Matter, 13, und Christian Kühlwetter, 18, sind zwei derjenigen, die hier an ihrer schulischen und sportlichen Karriere arbeiten. Damit sie einen guten Abschluss haben, falls es doch nichts wird dem Profivertrag.
    Doppelpass nennt Beate Weisbarth das, was eigentlich duale Karriere ist. Sie ist Leiterin der Geißbockakademie.
    "Wir reden hier von zwei Prozent, die letztlich dann in die Spitze gehen. Ich denke, dass es aber mindestens 96 bis 98 Prozent schon zu schätzen wissen, dass sie für ihr Leben vorbereitet sind."
    Mehr als nur Schule
    Das heißt aber nicht nur, den Schulabschluss zu machen.
    "Es ist ja auch eigentlich die Persönlichkeitsentwicklung, die im Mittelpunkt steht."
    Die Schüler sollen nicht nur lernen, was sie sie durch das Training in der Schule verpasst haben. Zeit an der Geißbockakademie soll auch ein Ausgleich für die Belastung sein.
    Seit zehn Jahren kommen werktags zwischen 12 und 17 Uhr Fußballer zusammen, die unterschiedliche Schulformen besuchen. 80 Prozent gehen auf ein Gymnasium. Die vier Schulen, mit denen die Geißbockakademie hauptsächlich zusammen arbeitet, sind "Sportschulen NRW", die sicherstellen, dass die Fußballer zum Training freigestellt werden.
    Eine Gruppe Schüler hat sich um einen PC in der Geißbockakademie versammelt und schaut sich ein Spiel vom vergangenen Wochenende an.
    Eine Gruppe Schüler hat sich um einen PC in der Geißbockakademie versammelt und schaut sich ein Spiel vom vergangenen Wochenende an. (Deutschlandradio - Victoria Reith)
    Die Schüler sind jeden Tag 12 bis 14 Stunden unterwegs, Training, Schule, wieder Training, bis sie dann abends bei ihren Eltern oder im Sportinternat ankommen, per Fahrdienst.
    Stress schon als Jugendliche
    "Ich stehe um 6.30 Uhr auf und komme dann so um acht Uhr nach Hause."
    "Am Anfang war es schon sehr anstrengend. Aber man gewöhnt sich im Laufe der Jahre daran. Und durch den FC ist das alles so gehandhabt, dass es nicht zu stressig ist, dass man genug Pausen hat, damit man ausgeruht zum Training geht und man auch ausgeruht für die Schule lernen kann."
    Christian ist U19-Kapitän, hat ein eigenes Auto, mit dem er zu Schule und Training fährt - und mittlerweile auch eine Freundin.
    "Das alles unter einen Hut zu bringen, ist schwierig. Manchmal wird es auch zu viel. Freunde und die Familie müssen Verständnis haben. Das ist in meinem Umfeld auch so."
    Nach der Schule will Christian eine Ausbildung machen, zum Bank- oder Industriekaufmann.
    Auch andere Profivereine kümmern sich mit Sportinternaten und speziellen Fußballschulen um ihren Nachwuchs.
    Erste universitäre Angebote
    Vor wenigen Monaten haben Vereine auch angefangen, Studiengänge anzubieten und das Vereinsgelände zum Campus gemacht. So wie die Spielvereinigung Greuther Fürth. Mit einer privaten Hochschule und einem Bildungsunternehmen hat sie einen Studiengang begründet, der für Profis, aber auch für Externe interessant sein soll.
    Seit Oktober studieren am "Kleeblattcampus" Fürth elf Leute Business Administration mit Schwerpunkt Sport im Bachelor. Die sind aber keine Fußballprofis, sondern Mitarbeiter des Vereins und andere Interessierte. Der Studiengang stärkt also auch die "Marke Greuther Fürth". 30.000 Euro kosten die sechs Semester.
    Wegen der Laufzeit von Profiverträgen und Studium empfiehlt Fürth den eigenen Spielern, sich erst einmal nicht einzuschreiben.
    Aber auch eine Weiterbildung für Profis ist im Oktober angelaufen, die bis zum Ende der allgemeinen Vertragslaufzeit der Fußballer Ende Juni abgeschlossen sein soll, also ein knappes Jahr dauert. Daran nehmen neun Profis von Greuther Fürth teil, darunter Stefan Schröck und Marco Stiepermann, und zwei Eishockey-Profis der Nürnberger Ice Tigers. Aufdrängen wolle man den Studiengang niemandem, aber:
    "Es kommt für mich jeder Spieler, der sich bemüht Profi zu werden, oder der bereits Profi ist, in Frage, denn selbst der Profi sollte sich darum bemühen: Was mache ich nach meiner Karriere?"
    Tobias Auer ist Projektmanager bei Greuther Fürth.
    "Zum anderen aber auch die im Alter von 19, 20, 21, die vielleicht den Sprung nicht schaffen."
    Nach der U23 ist oft Schluss
    Die U23 ist meist die magische Grenze, an der sich entscheidet, ob es ein Spieler zu den Profis schafft oder nicht. Der Übergang in den Beruf nach dem Fußball fällt den meisten Spielern schwer. Obwohl die Mehrheit Abitur oder Fachabitur hat, haben drei Viertel der Spieler bei ihrem Karriereende keine "abrufbare berufliche Qualifikation". So nennt es Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV.
    "Wir müssen auch sehen, dass im Profifußball längst nicht alle Spieler ausgesorgt haben. Das gilt nur für wenige, die viele Jahre ganz oben gespielt haben auf internationalem Niveau."
    Viele flüchten sich in die Selbstständigkeit, andere sind von Sozialleistungen abhängig. Daher befürwortet Baranowsky Initiativen der Vereine wie die Geißbockakademie oder den Kleeblatt Campus, oder auch von Schalke 04. Der Verein bietet gemeinsam mit der Universität St. Gallen eine Fortbildung in Sportmanagement an.
    "Grundsätzlich ist es immer positiv, wenn Klubs das Bildungsangebot für die Spieler oder auch für Andere vergrößern oder überhaupt eines schaffen."
    Sportmanagement nicht die einzige Option
    Aber Sportmanagement ist wohl nicht für jeden Spieler die geeignete Lösung. Die Spielergewerkschaft will auch auf das Angebot anderer aufmerksam machen, zum Beispiel das öffentlicher und weitgehend kostenloser Universitäten. Oder die Möglichkeit, eine Ausbildung zu machen.
    "Wir sagen den Spielern immer, wie es ist. Und dass jeder für sich selbst verantwortlich ist. Jeder muss sein Potenzial erkennen und es ausschöpfen."