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Hackathon in Berlin
Wenn Äste Musik machen

Im ursprünglichen Sinn sind Hacker Tüftler oder technische Bastler, die existierenden Dingen eine neue Verwendungsmöglichkeit geben. Zum Beispiel aus Ästen Musikinstrumente machen. In Berlin trafen sich Hacker aus ganz Europa, um innerhalb von 24 Stunden völlig neue Musikerlebnisse zu schaffen.

Von Kerstin Poppendieck | 30.05.2016
    Bananen, Wasserflaschen, Laptops, Kabel, Energy-Drinks und jede Menge elektronisches Equipment. Jeder einzelne Tisch im Foyer des Berliner Funkhauses Nalepastraße ist vollgestellt. Zu DDR-Zeiten wurde hier Radio gemacht, heute sollen hier ganz neue musikalische Möglichkeiten geschaffen werden – in einem Hackathon. Das Wort leitet sich ab von Hack und Marathon: Denn nur 24 Stunden haben die Hacker Zeit zum Basteln, dann müssen sie fertig sein. Vier Stunden vor Ablauf der Frist ist die Stimmung merklich ruhiger als noch zu Beginn, die Hacker kämpfen gegen die Müdigkeit. Gleich am Eingang stehen Tom Fox und Louis Zayas aus London. In den Händen halten sie einen riesigen Ast.
    Wir lassen Bäume Musik machen. Wir haben Lichtsensoren an Blättern befestigt. Und sobald Wind durch die Bäume weht, wird ein Klang produziert, und das ergibt dann Musik. In diese Klänge mixen wir noch eine Sängerin.
    "Das ist dann so, als würde sie mit den Bäumen musizieren."
    Der Hackathon ist in verschiedene Kategorien aufgeteilt. Eine heißt "Musik als Verlängerung des menschlichen Körpers". Ein weites Feld, das viel Spielraum bietet, genauso wie die Kategorie "Transhumanismus", bei der es darum geht, menschliche Fähigkeiten durch technische Innovationen auf ein neues Level zu heben: körperlich und geistig. Da ist zum Beispiel eine Gruppe, die einen kleinen Recorder an einem Schuh befestigt hat. Dieser Rekorder zeichnet die Schritte auf und leitet das dann an ein Computerprogramm weiter. Anhand des Laufrhythmus und dem Gewicht, das auf den Schuhen lastet, produziert das Computerprogramm Musik.
    "Wir alle sind hier, weil wir uns für Musik und Technologie interessieren, und wie man die beiden verbinden kann. Wir wollen nicht nur Menschen beeinflussen, sondern auch ein bisschen die Welt."
    Eyal Weiss ist extra aus Israel angereist, um beim Hackathon dabei zu sein. Sein Team nennt sich Jungle Crew. Sie haben ein T-Shirt entworfen, das mit Lichtsensoren bestückt ist. Diese blinken in verschiedenen Farben, abhängig vom Rhythmus. Das könnte sicher ganz witzig auf Partys oder Festivals sein. Das wird nicht unbedingt die Welt verändern, aber zumindest ein bisschen bunter machen.
    Zwischen all dem technischen Equipment sieht man aber auch immer wieder traditionelle Instrumente, die dann im Zusammenspiel mit Computern neu interpretiert werden. Da ist zum Beispiel ein Posaunenspieler.
    Es entstehen neue Musikinstrumente
    Seine Hand steckt in einem Handschuh, der mit Sensoren versehen ist. Sie analysieren sein Fingerspiel. Mit diesen Daten erzeugt ein Computerprogramm neue und ungewöhnliche Töne, eine Interaktion zwischen Computer und Posaune. Eine tiefere Bedeutung gibt es hier nicht, es geht um Spaß. Das ist aber nicht das Motto des Hackathons. Und die Vergangenheit beweist, dass bei solchen Events neue Musikinstrumente entstehen und musikalische Erfindungen, die dann auch in Produktion gehen. Zum Beispiel ein Kopfhörer, der über Gesten und Kopfbewegungen gesteuert wird. Der Erfinder dachte dabei eher daran, damit Musik zu machen. Jetzt interessieren sich Landwirtschaftsfirmen dafür, die die Kopfhörer für ihre Arbeiter einsetzen wollen, die auf den schweren Maschinen sowieso immer Kopfhörer auf haben, aber die Hände nicht frei.
    Nur 24 Stunden bis zur Präsentation
    Nur 24 Stunden haben die Hacker von der Idee ihres Projektes bis zu Präsentation. Doch fast wichtiger als das Endergebnis ist für die Teilnehmer der Austausch, das gemeinsame Entwickeln und voneinander lernen. Nicht selten entstehen hier Ideen für Start-ups oder Kontakte zu bereits bestehenden Firmen. Auch für Tom Fox aufs London, der Mann, der mit Bäumen Musik macht, sind Hackathons wie dieser in Berlin der perfekte Ort für neue Ideen. Die zeitliche Begrenzung ist für ihn alles andere als Stress.
    "Manchmal sind zeitliche Begrenzungen brillant für Kreativität. Wenn ich keine Deadline habe, werde ich niemals fertig. Deshalb ist es für mich großartig, nur diese kurze Zeitspanne zu haben. Man lässt sich nicht von kleinen Nebensächlichkeiten ablenken, sondern konzentriert sich aufs Wesentliche. Man improvisiert viel. Schlafmangel ist auch manchmal förderlich. Da kommt man auf die verrücktesten Ideen."