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Hetzender Pastor
Hass im Namen des Herrn

Er bezeichnet die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel als "Teufelszeug" und beschimpft Flüchtlinge als "fremde Horden": Der Pastor einer Evangelischen Freikirche im oberschwäbischen Riedlingen nutzt seine Predigten, um offen gegen Asylsuchende zu hetzen. Der Bürgermeister und Einwohner des Städtchens sind erschüttert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Von Thomas Wagner | 27.10.2015
    Ein Kreuz im Nebel.
    Der Freikirchen-Pastor stützt seine Abneigung gegen Fremde auf die Bibel (Symbolbild). (afp/Bozon)
    Riedlingen in Oberschwaben: Hier der friedlich dahinplätschernde Rathausbrunnen, dort die vielen, sauber sanierten Fachwerkhäuser, Kopfsteinpflaster.
    "Ich denke, wir haben eine wirklich hervorragende Bausubstanz hier und haben an der anderen Seite die Moränenlandschaft rund um den Bussen.
    Wenn Bürgermeister Marcus Krafft über sein 10.000-Einwohner-Städtchen spricht, klingt das ein wenig nach beschaulicher Idylle im Süden Baden-Württembergs. Doch draußen, in der eher modern anmutenden evangelischen Freikirche im Vorort Eichenau, klingt es alles andere als idyllisch.
    "Der echte Muslim, der den Koran wirklich ernst nimmt, kann und will in unserem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat nicht integriert werden."
    Der angebliche Pakt der Kanzlerin mit dem Teufel
    Jakob Tscharnke, Schnauzbart, Mitte 40, ist wieder mal im Element: In seiner knapp einstündigen Predigt sagt er seinen rund 50 andächtig lauschenden Zuhörern, was Sache ist: Flüchtlinge, Zuwanderung – all das ein Werk des Teufels, der eine Art 'Große Koaltion' mit der Bundeskanzlerin eingegangen sei:
    "Angela Merkel will ein anderes Deutschland schaffen. Und die Kräfte hinter ihr, sie wollen durch eine grundlegende Islamisierung Europa verändern. Und diese Vision wird mit aller Teufelsgewalt, und wenn ich sage Teufelsgewalt, dann meine ich das ganz wörtlich, umgesetzt."
    Und damit möglichst viele vom angeblichen Pakt der Kanzlerin mit dem Teufel erfahren, stellt Pastor Jakob Tscharnke seine Predigten regelmäßig ins Internet.
    "Ich find's schade. Und ich finde es auch, es wird eine Chance verpasst, das Miteinander zu pflegen."
    Bürgermeister Marcus Krafft ist nicht eben glücklich über die Art und Weise, wie der Pfarrer von nebenan Riedlingen derzeit in die überregionalen Schlagzeilen hievt. Denn: Gerade Riedlingen könne auf eine jahrzehntelange Tradition der Flüchtlingsintegration zurückblicken. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg waren es die aus Ungarn geflüchteten Donauschwaben, die in Riedlingen ein neues Zuhause fanden. Vor 20 Jahren kamen viele Flüchtlinge vom Balkan nach Riedlingen, leben zum Teil heute noch dort, sind längst gute Riedlinger geworden. Aktuell beherbergt die Stadt über 200 Flüchtlinge; die meisten stammen aus Syrien.
    "Schon seit einigen Jahrzehnten haben wir einen Freundeskreis für Fremde, der sich mit diesen Menschen beschäftigt. Wir haben einen Tafelladen. Wir haben eine Kleiderkammer. Wir haben ein vielfältiges Engagement diverser Gruppen, die sich um die Menschen, die zu uns kommen, auch kümmern."
    "Wohlfahrtsverbände, Caritas, Diakonie verdienen durch die Zuwanderung Unsummen."
    Doch Pastor Jakob Tscharnke bleibt sich treu, ätzt weiter gegen Flüchtlinge – und gegen diejenigen, die sich um sie kümmern. Ein Interview will er nicht geben. Am Telefon erklärt er allerdings, er habe nichts gegen das Asylrecht an sich. Viele seine Äußerungen seien aus dem Zusammenhang gerissen, falsch zitiert und falsch verstanden worden. Fremdenfeindlichkeit – nein, das sei seine Sache nicht. Wirklich nicht?
    "Der nicht voll integrierte Fremde wird in der Bibel als ernste Gefahr gesehen. Sein Überhandnehmen wird ausdrücklich als Strafe Gottes gesehen. Das sehen wir etwa in Sprüche 15 ... "
    Doch gerade solche Sprüche machen manche sprachlos – und andere wütend:
    "Ausgerechnet einer, der trösten soll, der heilen soll, ein Hirte, als Seelsorger - das Ganze ist für mich eine Pervertierung des Evangeliums."
    Anzeige wegen Volksverhetzung
    Und da, behauptet Stefan Weinert, kenne er sich mindestens ebenso aus wie der umstrittene Pastor aus Riedlingen. Der Anfang 60-jährige Weinert, ein Mann mit dichtem Rauschebart, arbeitete bis zu seinem Ruhestand als evangelischer Theologe und Sozialarbeiter im oberschwäbischen Ravensburg. Nun will Weinert gegen die Ausfälle des Riedlinger Pastors vorgehen. Er hat Anzeige erstattet - wegen "Volksverhetzung, Paragraf 130 Stgb und Verhöhnung einer anderen Religion. Und deshalb habe ich ihn angezeigt. Und soweit ich weiß, sind die Ermittlungen auch aufgenommen worden."
    Stimmt. Die Staatsanwaltschaft Ravensburg bestätigt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Bis zu einem Ergebnis könnten allerdings Monate ins Land ziehen, heißt es. Derweil stößt Pastor Tscharnke in seiner eigenen Freikirchengemeinde bei Riedlingen auf hohe Zustimmung: Kein Widerspruch regt sich. Viele Passanten auf dem Riedlinger Marktplatz reagieren dagegen mal wütend, mal nachdenklich:
    "Ich meine, das ist eben alles Unterstützung für die Rechtsradikalinskis. Ich find's unmöglich."
    "Es ist ein bisschen rassistisch. Ich weiß nicht, was er gegen Flüchtlinge hat. Das heißt ja, Jesus hat ja auch Brot und Wasser und alles verteilt. Das müsste ein Pastor doch wissen."
    Dazu plätschert beschaulich der Rathausbrunnen – Idylle pur in Oberschwaben. Bis nächsten Sonntag. Bis zur nächsten Predigt des evangelischen Freikirchen-Pastors Jakob Tscharnke.