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Nachwuchsfußball
"Die Kaderschmiede"

Statistisch werden nur zwei von 20 A-Juniorenspielern im Leistungsbereich auch Profifußballer. Eine Nachwuchsfilmerin hat den nackten Zahlen ein Gesicht gegeben und die jungen Spieler vom Karlsruher SC fast ein Jahr lang begleitet.

Von Victoria Reith | 12.04.2015
    Nachwuchsspieler vor dem Leistungszentrum in Karlsruhe
    Nachwuchsspieler vor dem Leistungszentrum in Karlsruhe (Quelle: Filmakademie Baden-Württemberg - Juana Guschl)
    Training der Nachwuchsspieler des Karlsruher SC, A-Junioren-Bundesliga, unterer Tabellenbereich. Unterschiedliche Charaktere, die doch eines gemeinsam haben – den Traum vom Profifußball. Die Filmemacherin Juana Guschl hat die Mannschaft von Sommer 2013 bis Frühjahr 2014 begleitet und drei der Spieler porträtiert. Daraus ist "Kaderschmiede" geworden, ihr Abschlussfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg, Studiengang Fernsehjournalismus. Guschl zeigt den Alltag der Jungs – im Internat, beim Training, während Spielen. An der Ludwigsburger Filmakademie werden ansonsten eher philosophischere Themen behandelt. Aber:
    "Ich hab sehr, sehr lange mit der Vorbereitung verbracht und auch sehr viel in mich gehorcht, bis ich irgendwann mir selbst gesagt hab: Das ist nicht, was du willst, das ist auch nicht das, wo du hin willst. Das lag es auf der Hand ein Thema zu behandeln, mit dem ich mich auch privat sehr viel befasse und mich auch mal professionell mit der Bundesliga auseinander zu setzen und nicht nur im Rahmen meiner Kicker-App und meinen samstäglichen Stadionbesuchen."
    Anspruch und Fußball widersprechen sich ja gar nicht unbedingt. Und auch die Vollversammlung der Filmakademie-Studenten, vor denen sie ihr Thema präsentiert hat, gab ihr positives Feedback...
    "...wodurch ich festgestellt hab: Hey, die Leute hier sind vielleicht gar nicht so hyperintellektuell und künstlerisch-selbstreferentiell, wie viele immer glauben."
    Recherche nicht selbstverständlich
    Eine junge Filmemacherin recherchiert im Nachwuchsfußball. Für einen anderen Verein aus dem Südwesten, bei dem Guschl angefragt hatte, war das offenbar nicht selbstverständlich.
    "Da wurde mir schon auch erst mal nahe gelegt, mich mit Unterschied zwischen der Bundesliga und dem DFB-Pokal befassen zu müssen, was ich natürlich schon mitgebracht habe."
    Die Erstligisten im Umkreis von Ludwigsburg sagten ab – der KSC, dessen Profis in der Zweiten Liga spielen, erklärte sich bereit. Auch dort gab es Vorbehalte. Aber:
    "Ich konnte die Verantwortlichen relativ schnell davon überzeugen, dass ich mich gut vorbereitet habe, dass ich ein bisschen was über die jeweiligen Vereine weiß. Dass ich um die Probleme weiß und um die Herausforderungen, die die jeweiligen Vereine haben."
    Nachdem die Bedenken ausgeräumt waren, durfte Guschl die Mannschaft begleiten. Von Ludwigsburg fuhr sie immer wieder nach Karlsruhe. Lernte die Spieler kennen. Und wählte Alexander Wähling als ihren Hauptprotagonisten. Er wirkt ernst, erwachsener als andere 18-Jährige.
    "Ich trainiere viel für mich selber, um mich weiter zu verbessern. Manchmal im Training stelle ich mir auch Aufgaben. Dass ich soundso viel Mal aufs Tor schießen will, dass ich alle Zweikämpfe gewinnen will."
    Verzicht für den Traum
    Neunmal die Woche Training, dazu noch Sondereinheiten in Alleinregie: Die jungen Spieler haben wenige Möglichkeiten zur freien Entfaltung. Viel Verzicht ist notwendig für einen Traum, der nur für wenige wahr wird – das ist eine der Kernaussagen des Films. Und doch war die Kaderschmiede KSC in den vergangenen Jahrzehnten Ursprung vieler Profikarrieren, unter anderem derer von Mehmet Scholl und Oliver Kahn. Auch Lars Stindl, heute Stammspieler bei Hannover 96, entstammt der Jugend des KSC.
    "Ich hab natürlich auf viel verzichten müssen, aber hab das auch nicht vermisst oder irgendwas, wo ich heute sage, das habe ich verpasst. Ich bin einfach den Weg gegangen, war glücklich damit, hatte trotzdem Spaß dabei und bin heute froh, dass ich damals so einen Lebenswandel hatte."
    Im Laufe der Drehzeit wurde Filmemacherin Juana Guschl wie eine große Schwester für die Spieler, wie sie selbst sagt – sie ist 28 und damit rund zehn Jahre älter als die A-Junioren. Beide gewöhnten sich aneinander, die Spieler vergaßen sogar die Kamera.
    "Wir waren irgendwann wie ein selbstverständlicher Teil der Mannschaft. Als ich den fertigen Film präsentiert habe, habe ich gemerkt, dass die Jungs ganz oft gar nicht realisiert haben, wenn die Kamera da war."
    Der Höhepunkt des Films: Das Derby des KSC gegen die A-Junioren der TSG Hoffenheim. Der Ausgang bleibt offen. Ein bewusster Effekt.
    "Man merkt schon, wie die Leute mit fragenden Gesichtern den Abspann lesen und grübeln, was wird aus den Jungs, werden wir vielleicht irgendwann mal was über die im Kicker lesen?"
    Der Stand ein Jahr nach Drehende: Zwei aus dem Team haben Profiverträge erhalten - Robert Bauer in Ingolstadt, Boubacar Barry bei den Profis des KSC. Guschls Hauptdarsteller Alexander Wähling hat einen Amateurvertrag bei der Drittligamannschaft von Mainz 05, muss sich aber momentan mit der Reservistenrolle begnügen. Juana Guschl ist weiterhin mit den Spielern in Kontakt – und deren Reise ist sicher noch nicht zu Ende.
    "Wenn es hier nicht klappt, schaffe ich es woanders."