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Neues Livestreaming-Angebot
Ligakonferenz aus der vierten Reihe

Fußballspiele wurden bisher live nur aus den oberen Ligen übertragen. Eine Kölner Firma will das jetzt revolutionieren und auch Amateurfußballspiele ins Internet streamen. Das hat auch Folgen für den Journalismus.

Von Christoph Sterz | 20.03.2017
    Ein runder Kasten hängt über der Tribüne mit Blick auf das Fußballfeld
    Vier Kameras stecken in dem kleinen runden Kasten, der zum Spielfeld hin ausgerichtet wird. (sporttotal.tv)
    Ein Samstagnachmittag, der SV Meppen spielt gegen den 1. FC Germania Egestorf/Langreder. Das Fußballspiel der Regionalliga Nord, also der vierten Liga, findet aber nicht nur im Stadion statt. Es wird auch live im Netz übertragen: auf sporttotal.tv.
    Einen Kommentator gibt es nicht. Nicht mal ein Kameramann ist im Stadion: Die Übertragung läuft komplett automatisiert ab; mithilfe eines kleinen runden weißen Kastens, in dem vier Kameras stecken, erklärt Peter Lauterbach von Wige Media, also dem Betreiber von Sporttotal.tv:
    "Diesen Kasten, den hängen wir einfach einmal an ein Tribünendach oder einen Mast in etwa fünf bis sieben Meter Höhe. Dann hat man ein gesamtes 180-Grad-Bild. Und der Algorithmus und die Software dahinter nutzt die 180 Grad, scannt mit den Kameras permanent rüber und definiert dann nach Schwarm- und Ballverhalten, wo gerade das Spielgeschehen ist, und zoomt dann automatisiert zu und geht raus und folgt dem Spiel automatisch."
    Kein Journalismus, sondern nur Live-Bilder
    Tatsächlich entgeht dem Algorithmus zumindest beim Spiel in Meppen keine wichtige Szene; das Bild ist gestochen scharf, die Zooms und Kameraschwenks sind ordentlich und nur selten ruppig, wiederholen sich aber mit der Zeit. Gefilmt wird nur von einem einzigen Standort aus. Aber es geht ja auch nicht um Spitzensport, sondern um die Übertragung von Amateursport, vor allem für die mobile Nutzung, meint Lauterbach.
    "Das ist eine reine Dokumentation des Spielgeschehens. Und für den Fan, der heute ausnahmsweise nicht ins Stadion kann, oder bei einem Auswärtsspiel, wo er eh nicht mitgefahren wäre, oder grundsätzlich die gegnerische Mannschaft, die sich das nochmal anguckt - für den sind wir ein echter Mehrwert, weil er grundsätzlich ansonsten gar kein Video von dieser Partie erhalten würde."
    Im Moment gibt es eine Pilotphase in der Regionalliga Nord, also der vierten Fußball-Liga. Mit im Boot sind dabei unter anderem der Deutsche Fußballbund, die Telekom und Bild.de als erster Medienpartner.
    Bis in die Bezirksliga, also die siebte und achte Liga hinein, soll es demnächst Live-Videos geben. Wige Media plant mit mindestens 3.000 Vereinen, die in den nächsten Jahren das ca. 10.000 Euro teure Kamerasystem in ihrem Stadion haben sollen. Geld soll dabei vor allem über Werbung reinkommen.
    Live-Übertragungen im Amateurbereich bisher zu teuer
    Ein Plan, der nach Ansicht des Kommunikationswissenschaftlers Christoph Bertling von der Deutschen Sporthochschule auch aus journalistischer Sicht sinnvoll sein könnte:
    "Wenn ich natürlich eine Serienproduktion habe, eine Unterhaltungsproduktion , wie im Sport, da macht es teilweise schon sehr viel Sinn, dass ich einfach sagen kann: Okay, in gewisser Weise kann ich die Sachen automatisieren und kann meine Manpower, meine Kreativität vielleicht auch in andere Sachen noch reinsetzen, so dass ich durchaus glaube, wenn dieser Bereich da ist, dass wir im Sportjournalismus vielleicht eine Gegenbewegung haben, dass der Autorenjournalismus dann auch wiederum ganz wichtig wird."
    Das dürfte aber vor allem für den Profibereich gelten. Denn Live-Übertragungen im Amateursport gibt es bisher noch so gut wie nicht – aus finanziellen Gründen, wie Sporttotal-Mann Peter Lauterbach sagt:
    "Da ist der Journalismus zu teuer. Du kannst nicht in dieser Breite journalistisch Fußball abdecken oder überhaupt Amateursport abdecken. Insofern ist das einfach ein tolles Tool, um auch zum Beispiel in regionalen Mediengruppen darüber zu berichten. Und ja, übrigens klarer Plan: Wir werden Aufstiegs- und Abstiegskonferenzen machen. Logischerweise kann ich hier in unser Kölner Büro ein paar Kollegen setzen, und die können wie bei Sky in der Konferenz die Auf- und Abstiegspartien kommentieren. Das ist vollkommen unkritisch."
    Außerdem soll es demnächst die Möglichkeit geben, als Zuschauer selbst die Regie zu übernehmen und die eigene Wunsch-Perspektive wählen zu können. Und wenn so wie in Meppen das Spiel zu Ende ist, soll es demnächst direkt im Anschluss eine Mini-Sportschau geben: Die Software soll schon bald ohne jede Wartezeit und komplett automatisch alle Highlights zusammenschneiden können. Mit allen wichtigen Szenen, ohne dass auch nur ein Mensch daran mitgearbeitet hat.