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Seitenwechsel
Bahr wird Versicherungsvorstand

Daniel Bahr schuf als Gesundheitsminister mit der staatlich geförderten Pflegezusatzversicherung ein neues Geschäftsfeld für die private Versicherungswirtschaft - nun wird der frühere FDP-Politiker Vorstand bei der Allianz. Der nächste Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft bringt auch die Große Koalition in Erklärungsnot.

29.09.2014
    Daniel Bahr, hier bei einer Kabinettssitzung 2013, arbeitet nun für eine Krankenversicherung
    Daniel Bahr, hier bei einer Kabinettssitzung 2013, arbeitet nun für eine Krankenversicherung (afp / Johannes Eisele)
    Der 2012 eingeführte "Pflege-Bahr" sollte nach dem Vorbild der Riester-Rente vermeintliche Lücken in der Finanzierung der Pflege mit staatlich geförderten Privatversicherungen stopfen. Der "Pflege-Bahr" wird auch vom Versicherungskonzern Allianz vertrieben - und bei deren Krankenversicherungssparte wird Bahr nun Vorstandsmitglied.
    "Meine Ausbildung und mein Engagement in den vergangenen Jahren für das Gesundheitswesen führen für mich logisch dazu, dass ich in diesem Bereich auch weiter tätig bin", sagte der studierte Gesundheitsökonom Bahr der Süddeutschen Zeitung. "Es wäre ja eher verwunderlich gewesen, wenn ich jetzt für die Automobilindustrie arbeiten würde, wo ich mich nicht auskenne."
    Heute hat der Aufsichtsrat der Allianz Private Krankenversicherungs-AG entschieden: Ich werde dort in der Führung... http://t.co/tnUfAxn8nP— Daniel Bahr (@danielbahr) 29. September 2014
    Der Wechsel Bahrs setzt Koalition unter Zugzwang
    Bahr wechselt damit in die Branche, für deren Regulierung er als Minister zuständig war. Auch hatte er sich für den Erhalt der privaten Krankenversicherung stark gemacht, während SPD und Grüne für eine Bürgerversicherung geworben hatten. Die Vereinigung Lobbycontrol kritisierte den Wechsel Bahrs zur Krankenversicherung und forderte die Bundesregierung auf, endlich per Gesetz Karenzzeiten für den Wechsel in die Wirtschaft einzuführen. Einen Interessenkonflikt sieht Bahr nicht, seine persönliche Karenzzeit zwischen dem Ministeramt und der Übernahme des neuen Jobs bezeichnete er als "hinreichend".
    Bahr hält Abstand zum Ministeramt für "hinreichend". Ein Ex-Minister sollte nicht für sich entscheiden können, was hinreichend ist!— LobbyControl (@lobbycontrol) 29. September 2014
    Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD war eine "angemessene Regelung" von Karenzzeiten angekündigt worden. Bislang hat die große Koalition jedoch nichts unternommen. Nun dürfte die Diskussion wieder stärker in den Mittelpunkt rücken. Bahrs Wechsel gingen in jüngerer Vergangenheit mehrere brisante Seitenwechsel voraus. Zuletzt wurden vor allem der ehemalige Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) und Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) kritisiert: Niebel wechselte zum Rüstungskonzern Rheinmetall, Pofalla zur Deutschen Bahn.
    Bahr will nicht als Lobbyist tätig sein
    Bahr wird vom 1. November an Generalbevollmächtigter der "Allianz Private Krankenversicherung". Nach Angaben des Konzerns übernimmt er das Leistungsmanagement und die Vertriebskoordination. Nach einer Einarbeitung solle Bahr - vorbehaltlich der Zustimmung der Finanzaufsicht BaFin - in den Vorstand berufen werden.
    Bahr betonte, dass er im Gegensatz zu anderen Ex-Ministern nicht als Lobbyist für das Unternehmen tätig sein wird. Er werde sich stattdessen um die Verträge kümmern, die die Allianz mit Ärzten und Kliniken abschließt.
    (nch/nin)