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Silke Burmester
Mehr Penunzen für den freien Journalismus, bitte

Freie Journalisten müssen vernünftig honoriert werden, fordert Silke Burmester. Schließlich versuchten sie mit ihrer Arbeit die Gesellschaft zusammenzuhalten und die Demokratie zu schützen.

Von Silke Burmester | 12.10.2017
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Journalismus verdient mehr Anerkennung in monetärer Form. (Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
    Hallo liebe Hörerinnen und Hörer dieser kleinen Kolumne!
    Lassen Sie uns heute mal über etwas Brisantes reden. Über Geld. Das Großartige ist nämlich, dass sich dieses Land nicht durch äußere Umstände aus der Erfolgsbahn werfen lässt. Erdogan, Trump, Xavier - da lachen wir drüber, die Konjunktur wächst!
    Der Erfolg bewegt die Zeitschrift "Stern", ihre Leserinnen und Leser anzustacheln, Teilhabe an den goldenen Umständen einzufordern. Ihnen wird dargelegt, wie sie Gehaltserhöhungen durchsetzen. Das ist wirklich mal Journalismus mit Mehrwert.
    Porträt von Silke Burmester
    Silke Burmester (imago / Sven Simon)
    Da bin ich dabei. Zumal ich mich nicht daran erinnern kann, wann in meiner Branche zuletzt irgendein Zeilensatz erhöht wurde. Und nicht nur, dass es keine Erhöhung gibt, die Honorare von freien Journalistinnen und Journalisten schrumpfen beständig. Es ist völlig normal, dass es heute für Texte in Zeitschriften rund ein Drittel weniger Geld gibt als noch vor zehn Jahren.
    Auch die Tagessätze für Redaktionsdienste verhalten sich wie das Arktiseis. Sie schmelzen. Bekam man damals bei einer Zeitschrift 300 oder 350 Euro am Tag, so sind es heute 170. Obendrein beschneiden die Verlage unsere Einkommensmöglichkeiten, indem sie die Texte auf ihre Onlineportale stellen und sie ohne unsere finanzielle Beteiligung an andere Redaktionen weiterverkaufen. Und ein Audio vom Interview ins Netz stellen. Und ein Foto. Ohne Vergütung selbstverständlich.
    Artikel über Zeug, das die Welt nicht braucht
    Ich hatte im September gut zu tun. Ich habe den September quasi durchgeschrieben. Einen Text nach dem anderen. Ich bin für ein Interview von Hamburg nach München gefahren, habe das Gespräch einen Tag lang abgetippt und dann daraus zwei Versionen gemacht, eine kürzere für die Zeitung, eine längere für die Onlineplattform. Ich habe 171,99 Euro dafür bekommen. Für einen Text zur Ehe für alle gab es 180 Euro, für den Abgesang auf Hugh Hefner 147,60 Euro. Ich bin im September auf rund 2000 Euro gekommen. Die noch versteuert werden müssen, von denen der Krankenkassenbeitrag und die Rente abgehen und die Pflegeversicherung. Und die Betriebsausgaben.
    Sie können jetzt sagen, liebe Hörerinnen und Hörer, was schreibt die dumme Nuss auch für Tageszeitungen? Zeitschriften zahlen mehr. Das stimmt. Doch haben Sie eine Ahnung, was man da schreibt? Man schreibt Zeug, das die Welt nicht braucht. Man schreibt Reiseartikel, in denen nichts Negatives stehen darf. Für Frauenzeitschriften stellen Sie Frauen vor, die irgendwas geschafft haben. Krebs besiegt, Kinder groß gezogen, ein Jahr lang keine Kosmetik verwendet. Eine, die jemanden ermordet hat, wäre mal spannend. Ne Bank überfallen. Die für ihre Überzeugung im Knast sitzt. Stattdessen entsteht ein Artikel über Kaffeeröster nach dem anderen. Und über Leute, die irgendeine Service-App entwickelt haben, oder was mit Müslimischungen.
    Wenn man sich die Magazine anschaut, ist es verwunderlich, dass nicht mehr Kolleginnen und Kollegen bereits irre geworden sind. Von Geist und Relevanz befreiter Blödsinn rauf und runter – und es sind auch die Guten unter uns, die ihn verzapfen. Aus der Not. Weil es dafür immerhin etwas mehr Geld gibt, als für die Inhalte, derentwegen wir diesen Beruf ergriffen haben.
    Verlage jammern auf hohem Niveau
    Wenn die Arbeitenden am Konjunkturhoch partizipieren, dürfte es selbstverständlich sein, dass wir Journalisten auch mehr Geld bekommen.
    Klar, die Verlage jammern. Aber sie jammern ja nicht, weil es ihnen schlecht geht, sondern weil ihre Gewinne geringer geworden sind. Weil ihre Zeiten nicht mehr golden, sondern nur noch silbern sind.
    Was wir freien Journalisten jetzt brauchen, ist die Solidarität, die Kraft und den Wumms der großen, machtvollen Gewerkschaften und auch des süßen kleinen Verbandes "Freischreiber". Sie sind es, die es den Medienhäusern jetzt augenblicklich schön ungemütlich machen müssen, damit die endlich ein paar Penunzen mehr rausrücken.
    Es ist Aufgabe der Gewerkschaften, klar zu machen, dass wir uns für einen Pipilohn den Arsch aufreißen, damit ihre Blätter voll sind und ihre Onlineseiten. Es geht darum, dass wir, um genügend Geld zum Leben zu haben, non-stop arbeiten und eine Arbeit machen, die - nicht immer, aber oft genug - gesellschaftsrelevant ist. Es geht darum, dass viele von uns mit ihrer Arbeit versuchen, diese Gesellschaft zusammen- und die Demokratie zu erhalten. Wir sind es, die den Leserinnen und Lesern und Ihnen liebe Hörerinnen und Hörer, sagen, was nicht stimmt. Wo Machtmissbrauch stattfindet, Geldverschwendung, unser Lebensraum ruiniert wird, Menschen daran arbeiten, diese Gesellschaft zu zersetzen. Wenn das keine wichtige, anerkennenswerte Arbeit ist, dann weiß ich auch nicht.
    Komischerweise aber spielt sie keine Rolle, wenn es darum geht, die Früchte der zumindest im Westen blühenden Landschaften, zu verteilen.
    Klar, ich habe mir diesen Beruf ausgesucht, und könnte stattdessen auf dem Markt Gemüse verkaufen. Oder für Politiker Reden schreiben.
    Ich würde aber lieber gern weiterhin Journalistin sein. Leider aber weiß ich nicht, wie lang ich mir diesen Beruf noch leisten kann. Wenn es so weiter geht, und nicht bald mehr Geld fließt, werde ich vielleicht eine Bank überfallen. Das wäre dann wenigstens eine toll zu lesende Geschichte. Weil voll Abstieg und so. Die würde garantiert gedruckt. Für 120 Euro Honorar in einer Zeitung mit großem Namen.