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Verlagsgruppe Passau
Gespräche mit Gewerkschaften abgelehnt

Ganz weit im Südosten Deutschlands ist Passau. Dort ist auch der Sitz der Verlagsgruppe Passau. Ihr wichtigstes Produkt, die "Passauer Neue Presse", ist mit einer verkauften Auflage von über 160.000 Stück eine der großen Regionalzeitung – und offenbar ein schwieriger Arbeitgeber.

Von Lars Martens | 09.07.2016
    Das Medienzentrum der Verlagsgruppe Passau ("Passauer Neue Presse"), aufgenommen am 07.10.2014 in Passau (Bayern).
    Das Medienzentrum der Verlagsgruppe Passau. (picture alliance / dpa / Armin Weigel)
    "In den letzten zwölf Jahren bin ich kein einziges Mal in der Gehaltsgruppe aufgestiegen. Was drauf gekommen ist, war nur der Inflationsausgleich. Und das, wo die Bezahlung 'eh schon ein Drittel unter dem Tarif von früher liegt. Aber nachverhandeln bringt nichts, außer Ärger und Druck."
    Das sagt ein gestandener Redakteur der "Passauer Neuen Presse", der seit fast 20 Jahren für diese Zeitung tätig ist. Er will nicht erkannt werden - darum haben wir seine Aussagen nachgesprochen. Zu groß ist die Angst, durch seine Äußerungen in der Öffentlichkeit seinen Job in Gefahr zu bringen. Diese Angst ist begründet, erzählt der freie Journalist Hubert Denk in Passau. Auch er arbeitete viele Jahre für das Unternehmen, ist mit vielen Kollegen von früher gut vernetzt. Er kennt das einseitig vom Verlag diktierte "Eckpunktepapier", das vor über elf Jahren den allgemeinen Tarifvertrag bei der PNP und ihren Gesellschaften ablöste. Darin enthalten sei auch eine Arbeitsplatzgarantie - jedoch mit Einschränkungen.
    "Da steht dann da: Diese Zusicherung gilt für den jeweiligen Arbeitnehmer unter der Bedingung, dass er sich an keinem Streik beteiligt. Ich meine, wenn ich so was da rein schreibe, dann beginnt das ja vielleicht schon, wenn ich irgendwo mal meine Hand hebe. Also das ist schon eine eindeutige Drohung."
    Verzicht im Wert eines Eigenheims
    Eine Drohung, die Wirkung zeigte. Über ein Jahrzehnt lang akzeptierten die Mitarbeiter in der Verlagsgruppe Passau Gehaltskürzungen, die Streichung von Urlaubstagen und eine deutlich längere Wochenarbeitszeit. Pascal Attenkofer von der Gewerkschaft ver.di macht dazu folgende Rechnung auf: "Wenn man jetzt einen Kollegen nimmt, der nach 2004 eingestellt worden ist als Redakteur, der verzichtet pro Monat auf 500 Euro; in 40 Jahren entspricht das 250.000 Euro - also dem Wert eines Eigenheims."
    Ende Mai jedoch ist das sogenannte "Eckpunktepapier" bei der Verlagsgruppe Passau mit ihren 17 Zeitungstiteln in Nieder- und Oberbayern ausgelaufen. Wer danach auf neue Gehalts- und Tarifverhandlungen hoffte, wurde enttäuscht. Ohne jede Abstimmung mit dem Betriebsrat, so die Gewerkschaft, habe die Verlagsleitung das Papier einfach für "verlängert" erklärt. Genau das sahen die Gewerkschaft ver.di und der Bayerische Journalistenverband bereits im Frühjahr auf die Mitarbeiter zukommen, und luden deshalb zu einer gemeinsamen Versammlung ein, an der mehr als 100 Angestellte der Verlagsgruppe teilnahmen. Dass so viele der Einladung folgten, erklärt BJV-Geschäftsführerin Jutta Müller so: "Immer dieser einseitige Zwang des Verlages, dass die Arbeitnehmer ihre Rechte nicht geltend machen. Und das wollen wir nicht mehr akzeptieren."
    "Wir sehen keine Veranlassung zur Aufnahme derartiger Verhandlungen"
    Fast einstimmig sprachen sich die Anwesenden dafür aus, mit der Verlagsleitung Tarifgespräche aufzunehmen. Das war vor über zwei Monaten. Statt den Gewerkschaften auf ihre Terminanfragen zu antworten, wurden einzelne Betriebsräte zu kurzfristig angesetzten Besprechungen gebeten, so Pascal Attenkofer von ver.di. "Mit Aussagen: 'Ohne irgendjemandem drohen zu wollen', seien Schließungen und Outsourcing weiterer Abteilungen ebenso wenig auszuschließen wie auch ein Zukauf weiterer Leistungen, wie zum Beispiel des überregionalen Mantelteils.
    Was dann natürlich einen Personalabbau mit sich ziehen könnte. Anfang dieser Woche legten die Gewerkschaften noch einmal nach, und setzten den Gesellschaften der Verlagsgruppe Passau eine neue, zweiwöchige Frist für eine Antwort. Am vergangenen Mittwoch schließlich teilte Passauer Neue Presse GmbH per Fax mit: "Wir haben Ihre Aufforderung zu Tarifverhandlungen erhalten. Wir sehen keine Veranlassung zur Aufnahme derartiger Verhandlungen und lehnen diese ab. Wir bitten um Verständnis."
    Übrigens nicht die Verlagsleitung, sondern eine Sekretärin der Buchhaltung ist es, die hier um Verständnis bittet - jedoch vergeblich. Jutta Müller vom BJV macht dieses Verhalten sogar richtig wütend. "Das ist nicht nur ein Phänomen bei der 'Passauer Neuen Presse', sondern generell - wenn man Personal immer nur als Kostenfaktor betrachtet und nicht das, was es ist. Nämlich der eigentliche Kern des Unternehmens, der das Geschäft erst ermöglicht."
    Gewerkschaften beraten über Arbeitskampf
    Denn finanziell steht die Verlagsgruppe Passau außerordentlich gut da. In den vergangen zwei Jahren lag der Jahresgewinn bei insgesamt mehr als 14 Millionen Euro. Die Geldreserven des Medienunternehmens belaufen sich auf über 18 Millionen Euro. Wohlgemerkt, in diesen Bilanzen sind die Gehaltszahlungen an die Mitarbeiter bereits enthalten. Der zu Beginn genannte Mitarbeiter bringt es auf den Punkt: "Unser Verlag schmückt sich immer wieder mit sozialen Aktionen. Bei der Veranstaltungsreihe "Menschen in Europa" werden für Hunderttausende Euro Prominente zu Vorträgen eingeflogen, und immer wieder gibt es großzügige Spendenaktionen. Da heißt es dann: PNP spendet für dies, PNP spendet für das. Dass das alles direkt aus unseren Portemonnaies kommt, das sagt natürlich keiner."
    Die Gewerkschaften reagierten inzwischen mit einer Pressemitteilung auf die ablehnende Haltung der Passauer Neuen Presse GmbH. Das man mit ver.di und dem BJV noch nicht einmal reden wolle, sei in der gesamtdeutschen Verlagslandschaft ein "extremer Einzelfall". Es werde nun über weitere Maßnahmen und einen eventuellen Arbeitskampf beraten. Die Bereitschaft der Mitarbeiter dazu sei vorhanden, betonen beide Gewerkschaften. Der freie Journalist Hubert Denk aus Passau berichtete bislang als einziger in der Region über das Thema - auch um seine früheren Kollegen zu unterstützen. Seine Hoffnung hält sich jedoch in Grenzen: "Ich bin gespannt, ob ver.di und der Bayerische Journalistenverband hier im Team - was ja auch neu ist - etwas erreichen. Also ich bin da eher skeptisch."