Donnerstag, 02. Mai 2024

Archiv


4000 Kumpel in der Kohlegrube Paskov bangen um ihren Job

Hohe Arbeitslosigkeit und geringer Lebensstandard prägen Ostrava im tiefen Osten Tschechiens. Nun sind zusätzlich Tausende Arbeitsplätze durch die wahrscheinliche Schließung der Stahl- und Bergwerke in Gefahr. Die Gewerkschaften warnen vor der größten sozialen Katastrophe seit 1989 und haben zu Massenprotesten aufgerufen.

Von Stefan Heinlein | 10.09.2013
    Wütende Sprechchöre gegen die Minderheit der Roma. Anfang August marschieren rechtsradikale Gruppen durch Ostrava. Unterstützt wird der Massenprotest auch von vielen Arbeitern der Stahl- und Bergwerke. Trotz eines massiven Aufgebots der Polizei kommt es zur Gewalt.
    Die Roma sind für Teile der Bevölkerung ein Sündenbock für den möglichen eigenen sozialen Abstieg. Schon jetzt ist mehr als jeder zehnte Bewohner der 300.000 Einwohnerstadt ohne Job. Nun droht einer ganzen Region der Kollaps, warnt Bergarbeiterführer Jan Sabel:

    ".Die wollen uns das letzte Hemd ausziehen. Hier in der ganzen Region tickt eine soziale Zeitbombe, die bald explodieren kann."

    Noch arbeiten rund 4000 Kumpel in der Kohlegrube Paskov. Doch die europäische Wirtschaftskrise und der weltweit fallende Kohlepreis machen das Bergwerk zunehmend unrentabel. Der Import von Steinkohle ist mittlerweile preiswerter als die heimische Förderung. Die private Betreibergesellschaft OKD schreibt deshalb tiefrote Zahlen, erklärt Firmensprecher Marek Sibrt:

    "Die Situation ist außerordentlich ernst. Wir haben gewaltige wirtschaftliche Probleme. Wir müssen überall sparen."

    Noch spricht kein Manager des größten Arbeitgebers der Region offen von der völligen Schließung der Grube. Doch der Druck auf die Gewerkschaften wächst, kräftige Lohnkürzungen abzunicken. Die Kumpel allerdings wollen nicht klein beigeben. In der kommenden Woche wird es in Ostrava eine Massenkundgebung geben kündigt Gewerkschaftschef Jaromir Pytlik an:

    "Seit einem Jahr verhandeln wir mit den Arbeitgebern – doch es gibt keine Ergebnisse. Unsere Leute sind sehr nervös und haben Angst um ihre Jobs. Wenn die Grube dichtmacht, stehen Tausende Menschen auf der Straße."

    Nach Expertenmeinung hängen an jedem Bergarbeiterjob bis zu sechs weitere Arbeitsplätze in anderen Unternehmen. Doch trotz der drohenden Verelendung einer ganzen Region hüllen sich bislang alle Regierungen in Prag in Schweigen. Auch Übergangsministerpräsident Rusnok macht den Kumpeln nur wenig Hoffnung:

    "Das ist eine private Firma und der Staat kann nicht mit dem Zauberstab die Probleme lösen. Machen wir uns keine Illusionen – die Sache wird sehr schmerzhaft."

    Seit Jahren kritisieren Beobachter den seit dem Ende des Sozialismus verschlafenen Strukturwandel der Region. Viel zu lange habe man an der schwerindustriellen Tradition geklebt. Dem Armenhaus Tschechiens drohe deshalb schon bald die schlimmste soziale Krise seit der samtenen Revolution 1989