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Als Klärschlamm viel zu schade

Bio-Abfälle und Fäkalien werden bisher entweder kompostiert oder in Kläranlagen abgeschieden. Doch Umwelttechniker aus Rheinland-Pfalz produzieren daraus nun fruchtbare Schwarzerde. Den Beweis soll eine Pilotanlage antreten, die heute auf dem Hengstbacherhof in der Nordpfalz in Betrieb geht.

Von Ludger Fittkau | 10.09.2010
    "Das ist die weltweit erste Terra-Preta-Anlage. Und man kann hier alle möglichen Biomassen, die anfallen, im kommunalen Bereich, im landwirtschaftlichen Bereich, im Gartenbau, eine hochwertige Erde herstellen, einen Boden herstellen, der der nativen Terra Preta aus Amazonien entspricht."

    Die Pilotanlage ist auf den ersten Blick kaum mehr als ein großes Gewächshaus: Die neue Schwarzböden-Produktionsanlage auf dem pfälzischen Hengstbacherhof passt sich optisch problemlos in die Agrarlandschaft ein. Genauso wichtig: Es stinkt hier nicht. Und dies, obwohl Gülle, menschliche Exkremente und alle möglichen anderen Biomassen in der Anlage zu fruchtbarer Gartenerde verarbeitet werden.

    Der größte Unterschied zu einer Kompostierungsanlage besteht darin, dass am Hengstbacherhof die Biomasse einige Wochen luftdicht abgeschlossen wird und Bakterien die Substanzen damit unter Luftabschluss zur Schwarzerde verarbeiten. Kompostierung findet hingegen unter Luftzufuhr statt. Bis zu 70 Grad heiß ist die erste Stufe des Verarbeitungsprozesses. Krankmachende Keime werden dadurch abgetötet, erklärt Joachim Böttcher:

    "Wenn die Temperatur von 70 Grad erreicht wurde, nehmen wir das Material wieder raus und dann kommt es hier in zwei Fermentationsmieten rein, wird hier relativ dicht aufgesetzt und vorher mit unserem geheimnisvollen Bakteriencocktail appliziert. Das Ganze wird wie sie sehen noch mit einer Folie abgedeckt, das heißt, wir haben hier ein bis zwei Wochen anaerobe Zustände und das ist genau der Prozess, den wir entdeckt haben und der das Wesentliche bei der Terra-Preta-Herstellung ausmacht."

    Um die Schwarzböden-Anlage in der Pfalz zu bauen, haben Böttcher und seine 20 Mitarbeiter auf dem Hengstbacherhof ein Joint Venture mit dem bekannten Wörrstädter Windrad- und Biogasanlagen Juwi gegründet. Es geht also nicht um Experimente, sondern um handfeste kommerzielle Interessen: Pallaterra – so der Name der neuen gemeinsamen Firma – will seine Schwarzböden-Produktionstechnik möglichst schnell in die ganze Welt verkaufen.

    Als Zielgruppe haben die Pfälzer vor allem auch Städter im Blick, die ihr fruchtbares Substrat auf Flachdächern und auf kleinen Parzellen ausbringen. "Urban Farming" – ist das international diskutierte Stichwort dazu, erläutert der Umweltgeograf Markus Dotterweich von der Universität Mainz:

    "Hier hat man jetzt folgende Situation, dass wir eigentlich in der Stadt theoretisch ganz viele Nährstoffe haben. Wenn wir sehen, was wir im Supermarkt einkaufen und was dann wieder im Biomüll landet. Wenn wir dann noch unsere Exkremente mit einbeziehen, bietet sich da ein großer Nähstoffpool. Und wenn man da jetzt noch dieses Terra-Preta-Konzept noch mit einbaut, könnte sich da ein ganz interessanter Synergieeffekt entwickeln."

    Ein weiterer Vorteil der Schwarzböden liegt für Markus Dotterweich vor allem in stark urbanisierten Räumen auf der Hand: Abwässer und Biomüll aus Haushalten brauchen künftig möglicherweise nicht mehr in teuren Kläranlagen entsorgt werden, sondern können durch den luftdichten und keimtötenden Schwarzerde-Produktionsprozess in wertvolle Gartenerde verwandelt werden. Joachim Böttcher hat in seinem Gemüsegarten auf dem Hengstbacherhof schon seit 2006 ausprobiert, welche Erträge sich mit der Schwarzerde erzielen lassen:

    "Bisher wurde die Fläche nicht gedüngt, kein einziges Mal. Sie wurde auch nicht bewässert, das heißt, wir sind abhängig vom Regenwasser. Und hatten bisher unglaublich große Erträge. Die Vegetationsphasen waren deutlich kürzer als beim normalen Boden, der eigentlich auch nicht schlecht ist. Und die Produkte, die Pflanzen, sind größer. Man sieht es hier an der Roten Beete zum Beispiel, am Kohl, am Lauch. Riesige Salatköpfe, die Kartoffelernte war unglaublich. Ich komme selber aus dem Gartenbau, deshalb kann ich das bestätigen. Wir hatten 2,9 bis 3,6 Kilo pro Pflanze. Umgerechnet wäre das pro Hektar 120 Tonnen."

    Doppelt so viel wie bei einer normalen Kartoffelernte in unseren Breitengraden. Hohe Ernte-Erträge aus Biomasse, die bisher noch allzu oft als Abfall gesehen wird: Das ist die Hoffnung der pfälzischen Schwarzerde-Pioniere. Sie glauben: Wenn ihre Pilotanlage funktioniert, wird sie binnen weniger Jahre an vielen anderen Orten nachgebaut. Weltweit.