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American Football
Scientology wirbt um deutsche Spieler

Auch in Deutschland träumen etliche Nachwuchs-Footballer von der NFL, der höchsten amerikanischen Football-Liga. Aber wie Recherchen zeigen, versucht die Sekte Scientology diese Träume für sich zu missbrauchen.

Von Josef Opfermann | 13.11.2017
    Für Jan Wawrzosek aus Hamburg war der große Traum greifbar. Football spielen, an einer Highschool in den USA. Der 19 Jahre alte Quaterback der Hamburg Young Huskies wird über Instagram von einem Headhunter aus den USA angeschrieben. Der vermittelt Jan an den Footballtrainer der Clearwater Academy International.
    "Es war schön zu wissen, dass man vielleicht irgendwo gebraucht wird, dass die Leute gerade in Amerika sagen 'Du bist gut genug, um bei uns drüben zu spielen' oder überhaupt auf mich zugekommen sind und gesagt haben, 'dich wollen wir haben.'"
    "Das ging alles unheimlich schnell"
    Der Name des Trainers: Jesse Chinchar. Er bietet Jan ein halbjährliches Sprachstipendium an. Zwei Drittel werde die Academy zahlen, ein Drittel die Familie. Chinchar ist selbst angesehener Absolvent der Academy, war Quaterback des Footballteams. Es passt zwischen ihm und Jan. Für die Einladung in die USA und das Visum bezahlt die Familie 500 Dollar. Auch für Jans Mutter eine aufregende Zeit.
    "Das ging alles unheimlich schnell, die Unterlagen aus Amerika sind innerhalb von zwei Tagen da gewesen. Das ist wirklich in einer Geschwindigkeit, wo man dann gar nicht so richtig drüber nachdenken konnte."
    Eine Fernseh-Doku sät Zweifel
    Der Familie kommen Zweifel, als sie im Fernsehen eine Doku über die Stadt Clearwater sieht. Da wird klar: Clearwater ist der Hauptsitz von Scientology. Einer Organisation, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Über Freunde sucht die Familie Kontakt zur Academy, und tatsächlich: die gibt die Nähe zur Sekte und ihrem Gründer L. Ron Hubbard unverholen zu. Jan stellt Chinchar am Telefon zur Rede.
    Die ehemalige Clearwater Bank in Florida, heute Teil der Scientology Church
    Die ehemalige Clearwater Bank in Florida, heute Teil der Scientology Church (AFP/Paul J. Richards)
    "Er sagte, ich bin Scientologe, hat die ganze Zeit geredet. Hat mich gar nicht zu Wort kommen lassen am Anfang. Und dementsprechend haben wir ihn dann gefragt, warum er das nicht von Anfang an gesagt hat. Da kamen dann auch sehr vorgefertigte Antworten von Ihm."
    Mindestens einhundert deutschen Footballern
    Die Familie wendet sich an das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz. Sprecher Marco Haase: "Es ist ja schon perfide, über ein Stipendium eine vermeintlich große Sportlerkarriere vorzugaukeln, um dann junge Leute nach Clearwater, dem Hauptsitz zu locken und dann dort in die Fänge der Scientology-Organisation zu geraten und zu halten. Und deswegen ist es ein großes Anliegen von uns, die Öffentlichkeit zu informieren."
    Nach NDR-Informationen hat Jesse Chinchar zu mindestens einhundert deutschen Footballern über soziale Medien Kontakt aufgenommen. Bei den Huskies wurden neben Jan vier weitere Spieler angefragt. Auch Yeslord Awuah und sein Bruder Hiswil: "Ich hab eine Nachricht auf Facebook bekommen, genau wie mein Bruder. Die haben gesagt, wir haben gesehen, du spielst Football. Die wollten halt meine Videos sehen, meine Highlight Tapes."
    Zwei Deutsche spielen aktuell in Clearwater
    "Als sie meinten Amerika, hab ich mich riesig gefreut. Jeder will ja nach Amerika, das ist ja von jedem der Traum. Als ich dann aufgeklärt wurde, dann war ich sehr überrascht, dass ich mit sowas in Kontakt war."
    Young-Huskies Trainer Sebastian Schulz weiß nach den Erfahrungen seiner Spieler diese Highschool einzuordnen. "Sportlich gesehen ist das was richtiges, aber die zweite Seite der Medaille, dass man in eine Scietology-Hochburg weggesperrt wird, um dort Sport zu treiben und im nächsten Zuge dann wahrscheinlich eine Gehirnwäsche verpasst bekommt, ist natürlich die andere Seite. Das funktioniert natürlich nicht miteinander."
    Nach NDR-Informationen spielen mindestens zwei Deutsche aktuell im Team der Clearwater Academy. Weder die beiden Deutschen noch Jesse Chinchar antworten auf unsere Interviewanfragen. Die Zukunft von Jan Wawrzosek und den anderen Huskies Spielern liegt vorerst in Deutschland. Sie wollen andere Sportler warnen. Genau hinzugucken, wenn Anfragen aus dem Ausland kommen.