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Amtsgeheimnis contra "gläserner Verwaltung"

Rathenow ist eine kleine Stadt in Brandenburg. Im Schatten von Berlin hoffen seine Bewohner, die Welt möge auf ihr Städtchen schauen, wenn im nächsten Jahr der zweihundertste Geburtstag eines Ereignisses gefeiert wird, auf dass die 26.000 Einwohner zählende Kreisstadt bis heute stolz ist. 1801 wurde dem Optikermeister Heinrich August Dunker das königlich-preußische Privileg zum Führen einer optischen Industrieanstalt verliehen. Dieses Datum gilt als Geburtsstunde der optischen Industrie in Deutschland, bis zum Ende der DDR galt Rathenow als die "Stadt der Optik."

Reiner Scholz | 20.03.2000
    Davon ist nicht viel geblieben. Wo die großen Fertigungshallen standen, ist heute Brachland mit Parkplätzen. Das Verwaltungsgebäude wurde zum Rathaus umfunktioniert. Doch auch ohne Optik blickt man von hier aus weit in die Zukunft. Denn Großes steht bevor: Die "gläserne Verwaltung." Brandenburg ist das erste Bundesland, das seinen Bürgern das Recht auf "Akteneinsicht" zugestanden hat. Und Rathenow will die Modellgemeinde sein, die dies sogar über das Internet realisiert, sagt Hans-Jürgen Lemmle, Amtsleiter für Bildung und Sport:

    "Das, was jetzt neu dazu kommt, ist, dass der Bürger auch die Möglichkeit hat, Akten der Verwaltung einzusehen, die letztendlich nicht namentlich fokussiert sind. Mal ein Beispiel: Bauvorhaben in der Stadt wie bei uns heute: Die Mehrfachsporthalle. Kann der Bürger die Möglichkeit nutzen, die Akte Mehrfachsporthalle sich anzusehen, wie ist der Bauvorgang da, wer hat letztendlich da welche Entscheidung getroffen."

    Dass Bürger, selbst dann, wenn sie nicht unmittelbar betroffen sind, ohne große Umstände Einsicht in Verwaltungsakten nehmen können, muss langgedienten deutschen Verwaltungsbeamten als Revolution erscheinen. Es bedeutet den Abschied vom guten alten "Amtsgeheimnis." "Da könnte ja jeder kommen", hieß es bislang. Und tatsächlich: Jetzt kann jeder kommen! Alexander Dix, der aus gutem Grund in einer Person gleichzeitig Landesbeauftragter "für den Datenschutz" und "für das Recht auf Akteneinsicht" ist, erklärt, wie es früher war und wie es jetzt ist:

    "Der Bürger muss im Regelfall, so ist es in den meisten Bundesländern bisher, ein berechtigtes Interesse dafür darlegen, dass er eine bestimmte Akte bei der Verwaltung einsehen will. Selbst wenn er das tut, steht es immer noch im Ermessen der Verwaltung, ob sie Einsicht gewähren will oder nicht. Das heißt, der Bürger hat die Begründungslast dafür, dass er Zugang zu Informationen der Verwaltung bekommen will. Diesen Grundsatz hat die brandenburgische Verfassung umgedreht zugunsten der Bürger, indem sie gesagt hat, der Bürger hat prinzipiell einen Anspruch auf die Information die in der Verwaltung vorgehalten wird und die Verwaltung muss im Einzelfall begründen, wenn sie ihm etwas vorenthalten will."

    Dem Brandenburger Akteneinsichtsgesetz gingen erbitterte Diskussionen voraus. Die Gegenargumente waren zahlreich: Brandenburg würde sich abkoppeln von allen anderen Bundesländern, niemand würde dem Land mehr Akten zugänglich machen. Die Verwaltung würde unter einem Sturm von Auskunftsbegehren lahmgelegt. Nichts von alldem ist bislang eingetreten. Es seien ohnehin, so Alexander Dix, nicht die ganz großen Themen, die interessieren:

    "Um ein konkretes Beispiel zu geben aus unserer Praxis: Eine Mutter will ihr Kind in der Grundschule einschulen und bekommt Wind davon, dass es da mit dem Brandschutz nicht zum besten bestellt ist. Sie weiß auch, dass ein Sicherheitsbeauftragter eine Begehung durchgeführt hat und sie geht jetzt zum Amtsdirektor und möchte das Protokoll der Begehung einsehen. Das ist ein Fall, bei dem sie sich mit Erfolg auf das Akteneinsichtsgesetz stützen konnte."

    Erst langsam scheint sich das neue Recht unter den Brandenburgern herumzusprechen. Im ersten Jahr, also bis Ende 1998, hatten lediglich 69 Bürger den Wunsch auf Akteneinsicht bekundet, nicht mitgezählt die Auskünfte nach dem bereits länger existierenden Umweltinformationsgesetz. Unter diesen wenigen Anfragen war allerdings bereits ein bedeutender Fall. Es ging um das umstrittene Potsdam-Center, ein neues, eher hässliches Einkaufszentrum am Hauptbahnhof der Landeshauptstadt, bei dessen Bau es Unregelmäßigkeiten gegeben haben soll. Geschäftsleute in der Stadt fürchteten massive Umsatzeinbußen, die Unesco drohte der Stadt das Prädikat "Welt-Kulturerbe" abzuerkennen. Ein Einzelhändler wollte gern die Akten sehen. Jede andere deutsche Verwaltung hätte ihn abgewiesen, nicht so die brandenburgische:

    "Wir haben das Gesetz daraufhin geprüft und haben ihm erläutert, dass er im Prinzip Einsicht nehmen kann. Es sind zunächst mal personenbezogene Unterlagen in der Akte drin, die die Verwaltungsmitarbeiter betreffen, die müssen es aber nach dem Gesetz hinnehmen, dass ihre Mitwirkung an einer solchen Genehmigung auch öffentlich wird. Es sei denn, es werden schutzwürdige Belange der Verwaltung berührt."

    Genau das aber war der Fall. Die Stadt erwog nämlich, juristische Schritte gegen Mitarbeiter des Bauamtes zu unternehmen. Kann in einem solchen Fall immer noch Aktensicht gewährt werden? Der Landesbeauftragte Alexander Dix:

    "Es hindert nicht die Stadt daran, Einsicht zu ermöglichen. Sie muss dann nur die entsprechenden Mitarbeiterdaten schwärzen. Der zweite Gesichtspunkt sind die Daten, die bezogen waren auf den Investor. Der an sich hätte zustimmen müssen, bevor das hätte offengelegt werden dürfen. Da haben wir gesagt, es gibt eine wichtige Vorschrift im Gesetz, die ausnahmsweise auch gegen den Willen von betroffenen Unternehmen die Akteneinsicht auch dann zulässt, wenn das Interesse der politischen Mitgestaltung so überwiegend ist, dass das Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens zurückstehen muss."

    Das Amt für Akteneinsicht hätte also die Unterlangen frei gegeben. Dass es dazu dann doch nicht mehr kam, hängt mit der politischen Entwicklung Potsdams zusammen. Nach einer Oberbürgermeisterwahl änderten sich die politischen Vorzeichen. Der neue erste Mann der Stadt rief alle gesellschaftlichen Gruppen an einen "runden Tisch" und schaffte von sich aus genügend Transparenz, so dass das Akteneinsichtrecht nicht mehr bemüht werden musste.

    In der Bundesrepublik sind es vor allem außerparlamentarische Gruppen wie Greenpeace, "Transparency International" oder Ausländer- Gruppen, und als politische Partei die Grünen, die schon seit vielen Jahren ein Recht auf Akteneinsicht forderten. Umweltdaten, Baugenehmigungen, Schulzuweisungen, ausländerrechtliche Entscheidungen - all dies sollte nicht länger Geheimwissen bleiben.

    Immerhin verabschiedete der Bundestag 1994 das sogenannte Umweltinformationsgesetz. Es gewährt allen Bürgern den Zugang zu wichtigen Umwelt- Daten, die in der Verwaltung existieren. Damit ist es beispielsweise möglich, herauszufinden, welche Gesundheitsgefahren von bestimmten Chemieanlagen ausgehen oder aber, wie es um die Güte des Trinkwassers bestellt ist. Zumindest theoretisch.

    In der Praxis allerdings legen viele deutsche Verwaltungen dieses Bürgerrecht äußerst restriktiv aus. Die Gebühren für eine Auskunft können sich auf bis zu 10.000 Mark belaufen. Zudem, so argumentieren die Behörden vielfach, müsse das Verfahren vor einer möglichen Einsichtnahme abgeschlossen sein. Und das dauert nicht selten Jahre. So musste zum Beispiel ein Kläger aus Nordrhein-Westfalen bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, um sich darüber zu informieren, welche Umweltschäden von der Stillegung einer Zeche in seiner Nachbarschaft ausgehen. Mit der Begründung, das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen, verweigerten ihm die Behörden den Einblick in vorhandene Gutachten.

    Die damals konservativ-liberale Bundesregierung unter Helmut Kohl hatte sich Anfang der 90er Jahre mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen das Umweltinformationsgesetz gewehrt. Ihr blieb schließlich keine andere Wahl, weil sie verpflichtet ist, europäisches Recht in nationales umzusetzen. Die Europäische Kommission hatte mit einer Klage gedroht.

    Die deutsche Politik zeigte keinerlei Interesse an einer "gläsernen Verwaltung." Zwar stellte die gemeinsame Verfassungskommission von Bundesrat und Bundestag 1993 mehrheitlich die allgemeine Forderung nach einem Akteneinsichtsrecht auf - doch scheiterte dieser Vorstoß an der CDU/CSU.

    Es war die Bürgerrechtsbewegung der DDR, die das Thema schließlich mit Erfolg in den Vereinigungsprozess einbrachte. Das Land Brandenburg schrieb sich 1992 die Verpflichtung zur "gläsernen Verwaltung", die dem Bürger zu dienen habe, in die Landesverfassung. Und nach langer interner Debatte verabschiedete der brandenburgische Landtag 1998 ein Akteneinsichtsgesetz. Im September 1999 folgte das Land Berlin - sozusagen Hals über Kopf zum Ende der Legislaturperiode und gegen die Stimmen der CDU. Vor wenigen Wochen fand sich auch in Schleswig-Holstein eine parlamentarische Mehrheit für ein sogenanntes Informationszugangsgesetz. Es wurde vom südschleswigschen Wählerverband SSW, der Partei der dänischen Minderheit, eingebracht.

    Vorbild aller Gruppen, die sich für eine "gläserne Verwaltung" stark machen, waren und sind Skandinavien und die USA. So kennt Schweden seit 1975 sogar ein Grundrecht auf Informationsfreiheit. In den Vereinigten Staaten existiert seit 1967 ein bis heute mehrfach novellierter "Freedom-of-Information- Act", ein weitgehendes Einsichtsrecht in die Arbeit der Verwaltung. Nicht zuletzt half und hilft es vielen Journalisten in ihrer investigativen, regierungskritischen Arbeit, betont der Berliner Informatikprofessor Bernd Lutterbeck:

    "Es kann dazu kommen, dass man Bauskandale etwa auf diese Weise herausbekommt. Vielleicht erinnern sich einige daran, dass in den USA viele Skandale herausgekommen sind über solche Anfragen über Freedom-of-informationen. Die wären gar nicht denkbar, wenn nicht die Unterlagen über Bürgeranliegen bekannt geworden wären."

    In diesem Sinne bekommt Akteneinsicht derzeit auch in Deutschland eine unmittelbar politische Brisanz, die mitten in die aktuelle deutsche Parteienkrise ziele, gibt der Rathenower Amtsleiter Hans-Jürgen Lemmle zu bedenken. Die Parteien versprächen mehr Transparenz und der Bürger habe schließlich ein Recht darauf, zu erfahren, wie seine Steuergelder verwandt werden:

    "Ich habe an einem sehr spannenden Symposium in Potsdam teilgenommen, da war der kanadische Datenschutzbeauftragte anwesend und ein Berater des amerikanischen Senats. Und dort wird das ja schon seit 20 Jahren umgesetzt und dort ist man auch dem einen oder anderen bei Dienstreiseabrechnungen auf die Schliche gekommen, weil einfach Dienstreisen abgerechnet wurden, die im privaten Bereich lagen."

    In den Ländern Nordamerikas wird das Akteneinsichtsrecht intensiv wahrgenommen. Die Staaten lassen sich die Transparenz einiges kosten. Allein die USA wenden mehr als 100 Millionen Dollar dafür auf, dass sich ihre Bürger ausreichend informieren können.

    In Europa drängen vor allem skandinavische Länder auf Transparenz. Mit Erfolg. Im Mai 1999 trat der sogenannte "Amsterdamer Vertrag" in Kraft, der unter anderem allen Bürgern der Europäischen Union das Recht einräumt, Dokumente des Europäischen Rates, der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments einzusehen, soweit diese nicht besonders geschützt sind. Ausgangspunkt war eine tiefe Glaubwürdigkeitskrise, so Bernd Lutterbeck von der Technischen Universität Berlin:

    "Der Meilenstein war die Einsicht von Brüsseler Institutionen nach dem gescheiterten Referendum in Dänemark, dass einem klar war, man muss in Europa mehr tun, um die demokratische Legitimation von der Europäischen Union zu erhöhen. Ein Moment, hat man damals, 1992 gesagt, muss es sein, die Transparenz der Organe herzustellen."

    Bei all diesen Bemühungen erwiesen sich frühere deutsche Bundesregierungen als Bremser. Sie stimmten auch gegen die Transparenzklausel des Amsterdamer Vertrages und setzten durch, dass Dokumente, die sich auf ein bestimmtes Land beziehen, nur mit Zustimmung dieses Landes veröffentlicht werden dürfen.

    "Deutschland war mal weltweit führend im Datenschutz. Es hatte früher als andere erkannt, dass man moderne Verwaltung und Datenschutz zusammen machen muss. Leider ist es abgebrochen. Inzwischen ist es so, dass Deutschland das einzige Land in der europäischen Union ist, was noch nicht mal Ansätze dazu gemacht hat. Großbritannien hat auch kein Gesetz, aber jedenfalls einen Gesetzesentwurf."

    Vor allem CDU und CSU, aber auch konservative Teile der SPD waren und sind Gegner jeglicher Akteneinsichtsrechte. Ihnen scheint die gläserne Verwaltung mindestens überflüssig, wenn nicht sogar gefährlich, so der Berliner Verfassungsrechtler und CDU-Bundestagsabgeordnete Rupert Scholz:

    "Die Gefahren lägen einmal darin, dass Persönlichkeitsrechte, insbesondere der Datenschutz verletzt werden können. Das zweite ist, dass auch die Objektivität der Amtsführung der Verwaltung sehr problematisch werden kann. Denn, wenn eine Verwaltung, die zur Vertraulichkeit und Objektivität verpflichtet ist, gleichsam beliebig Akten für jedermann zur Einsicht frei geben müsste, dann wären sie selbst letztlich befangen."

    Den Vergleich mit anderen Ländern, etwa mit den skandinavischen, lässt Scholz nicht gelten:

    "Ich bin hier sehr skeptisch. Die skandinavische Tradition ist ja eine ganz andere. In Skandinavien hat man kein System eines umfassenden Verwaltungsrechtsschutzes für den Bürger wie wir das haben. Deshalb hat man ja in Skandinavien auch die sogenannten Ombudsmänner ein-geführt. D.h. es gibt eben eine unabhängige Institution, die ich als Beschwerdeinstanz benutzen kann. Das sind alles ganz andere Systeme. Wir haben schon in der Verwaltung das Recht auf Anhörung und wir haben die Möglichkeit, gegen jede belastende Verwaltungsmaßnahme zu klagen."

    Kritiker weisen allerdings darauf hin, dass die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit - wie ausgefeilt sie sich auf dem Papier auch immer ausnimmt - den Rechtssuchenden viel kostet und ihm in der Praxis im Zweifelsfall - auch angesichts der Überlastung der Gerichte - zuweilen wenig nützt. Der brandenburgische Landesbeauftragte für Datenschutz und Akteneinsichtsrecht, Alexander Dix:

    "Wir haben einen Fall, in dem ein Bürger sich ziemlich verzweifelt an uns gewandt hat, der wirtschaftlich vor dem Ruin steht, der hat zwei Jahre lang auf Akteneinsicht bei den Verwaltungsgerichten geklagt, bevor ihm das Oberverwaltungsgericht überhaupt beschieden hat, dass er ständig auf dem falschen Rechtsweg sozusagen war, beim unzuständigen Gericht war."

    So sehen Dix und seine Mitstreiter im Informationszugangsgesetz auch ein Stück vorbeugenden Rechtschutzes, ein Argument, dem sich auch frühere Gegner nicht verschließen konnten. Anfangs waren auch in Brandenburg fast alle dagegen, erinnert sich der Informatik- Professor Bernd Lutterbeck. Man fürchtete Standortnachteile, sah die Verwaltung zusammenbrechen:

    "Beim zweiten Treffen gab es einen Umschwung, der wurde dadurch hervorgerufen, dass die Wirtschaft vor allem überzeugt werden konnte, dass es im Gegenteil ein Standortvorteil für Brandenburg ist, wenn sie so ein Gesetz installieren. Mein Argument und das Argument von Wirtschaftsführern, aber auch damals Schweizer und ungarischen Kollegen, war das, dass ein Land umso moderner ist, je mehr es diesen offenen Zugang realisiert haben wird. Diese Argumente fanden damals eine Mehrheit und ent-sprechend wurde das Gesetz gemacht."

    Es gibt gewichtige Einwände gegen ein allgemeines Akteneinsichtsrecht. Deshalb gibt es in allen Gesetzen der Welt auch eine Menge Ausnahme-Klauseln. Da muss zum einen der Datenschutz berücksichtigt werden. Vor der Herausgabe von Informationen werden in der Regel die Namen Dritter geschwärzt, soweit es sich dabei nicht um Verwaltungsbeamte handelt, deren Handeln für Bürger ja gerade nachvollziehbar sein soll. Es muss darüber hinaus verhindert werden, dass die Verwaltung vor lauter Angst, es könne etwas herauskommen, gleich gar keine Akten mehr anlegt. Es darf auch nicht zu einer doppelten Buchführung kommen - die unverfänglichen Akten für das Publikum, die brisanten für den Panzerschrank.

    Zu einem wichtigen Problem kann es nach amerikanischen Erfahrungen werden, dass Privatfirmen versuchen, Daten ihrer Konkurrenz auszuspähen, um sich unerlaubte Vorteile zu verschaffen. Immerhin werden in den USA 75 Prozent aller Anfragen dort von Firmen gestellt. Dies seien Probleme, die alle im Alltag gelöst werden könnten, sagen die Grünen. Es seien aber keine grundsätzlichen Einwände gegen eine gläserne Verwaltung. Bündnis 90/Die Grünen haben darauf gedrungen, dass sich die rotgrüne Bundesregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung für ein Recht auf Akteneinsicht und damit für eine "gläserne Verwaltung" aussprach. Allerdings muss ihr innenpolitischer Sprecher, der süddeutsche Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir, einräumen, dass die Zeit dafür wohl knapp werden dürfte:

    "Leider haben wir im ersten Jahr der rotgrünen Koalition noch kein Gesetzentwurf. Das liegt nicht an uns, dass liegt daran, dass das Bundesinnenministerium auch ein bisschen sanft gedrängelt werden musste in die Richtung. Wir wollen jetzt aber zügig rangehen, die meisten Behörden sind auf Landesebene, nicht auf Bundesebene. Wenn wir aber ein zustimmungspflichtiges Gesetz, zustimmungspflichtig durch den Bundesrat machen, dann ist es ein offenes Geheimnis, dass wir im Bundesrat Probleme bekommen, weil die Union das nicht möchte. Deshalb plädiere ich dafür, dass wir jetzt möglichst zügig rangehen an ein Gesetz, dass die Bundesbehörden erstmal erfasst und ich hoffe, dass die Bundesländer sich dem nicht verschließen werden."

    Das hieße, dass in einem ersten Schritt - ohne Zustimmungspflicht des Bundesrates - nur die Bundesverwaltungen Akteneinsicht gewähren. Doch das deutsche Amtsgeheimnis wiegt schwer, den Widerstand im Bund schätzen Experten wie Bernd Lutterbeck noch viel höher ein als den in manchen Ländern:

    "Jetzt ist fast die Hälfte der Zeit rum und ich persönlich glaube nicht daran, dass in dieser Legislatur noch etwas kommen wird. Das liegt daran, dass das Bundesinnenministerium, was federführend ist, nach meiner Meinung kein aus- reichendes Interesse daran hat."

    Künftige Streitpunkte sind bereits auszumachen. Neben der Frage, welche Dokumente überhaupt zugänglich gemacht werden sollen, wird es zweifellos um Fristen und Gebühren gehen.

    In Rathenow ist man weiter. Schritt für Schritt sollen nun immer mehr Verwaltungsakten digitalisiert und ins Internet gestellt werden. Dann geht es nicht mehr nur darum, Einsicht in papierene Aktenordner zu gewähren, sondern dem Bürger Zugang zur elektronisch geführten Verwaltung zu ermöglichen, der Verwaltung der Zukunft.