Donnerstag, 25. April 2024

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ARD-Berichterstattung zu Notre-Dame
Auf Informationen statt Sensationsgier gesetzt

Dass die ARD ihr Programm wegen des Feuers in der Kathedrale Notre-Dame nicht für eine Sondersendung geöffnet hat, sei trotz aller Kritik die richtige Entscheidung gewesen, kommentiert Christoph Sterz. Das Hauptprogramm der öffentlich-rechtlichen sei kein Platz für faktenarme Sensationsberichte.

Von Christoph Sterz | 16.04.2019
Passanten blicken auf die brennende Notre-Dame-Kathedrale
Das Feuer in der Kathedrale Notre-Dame in Paris ist mittlerweile gelöscht (MAXPPP / Julien Mattia)
Natürlich heißt der Brennpunkt Brennpunkt. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass er automatisch ins Programm geschoben werden muss, wenn‘s irgendwo brennt; so tragisch der Brand auch sein mag.
Und ja, es ist schlimm und traurig, dass es einen augenscheinlich verheerenden Brand gegeben hat in einer so wichtigen, so historischen Kirche wie der Notre-Dame-Kathedrale.
Spekulation ist kein Journalismus
Aber worüber bitte sollten Fernsehsender wie ARD und ZDF denn live in Sondersendungen berichten, was sie nicht auch zum Beispiel abdecken können als Nachrichtenticker auf ihren Online-Seiten? Sollen sie stundenlang zeigen, wie eine Kirche brennt? Mitzählen, wie viel Löschwasser die Feuerwehr schon benutzt hat? Sich von 50 verschiedenen Passanten schildern lassen, dass der Brand eines historischen Gebäudes etwas Schlimmes ist? Sich von einem Journalisten-Kollegen in epischer Breite erklären lassen, dass Notre Dame wirklich wichtig ist, wie das zum Beispiel im "Bild.de"-Livestream geschehen ist? Sagen, dass man nichts weiß über die Ursachen des Brandes, um dann minutenlang über die Ursachen des Brandes zu spekulieren?
Das kann man alles so machen. Aber das ist kein seriöser Journalismus; und schon gar keiner, der bei den öffentlich-rechtlichen Sendern im Hauptprogramm laufen sollte. Da erwarte ich keine Action-News, keine spekulativen, faktenarmen Sensations-Berichte. Da möchte ich dann informiert werden, wenn es Informationen gibt. Wenn mehr zu sagen ist als dass in Paris gerade eine Kirche brennt.
ARD und ZDF haben nicht "gepennt"
Dabei ist es völlig verständlich, dass sich Menschen für einen großen Brand interessieren. Weil eine gewisse Sensationsgier in jedem von uns steckt; weil sich bestimmt jede und jeder schon mal umgedreht hat nach dem vorbeifahrenden Krankenwagen oder dem Einsatzfahrzeug der Feuerwehr. Diese Sensationsgier sollten glaubwürdige Medien aber nicht stillen. Deswegen haben ARD und ZDF nicht "gepennt", wie das etwa der "Tagesspiegel" unterstellt. Sie haben schlicht und einfach nach journalistischen Kriterien entschieden; weil sie ja in ihren Nachrichtensendungen schon über den Brand berichtet haben; und auch im Nachgang informieren, je nach Nachrichtenlage.
Dass ARD und ZDF im Moment kritisiert werden, das liegt allerdings auch daran, dass sie in der Vergangenheit mit Sondersendungen schon mal falsch lagen. Weil sie live berichtet haben, dass es im Winter überraschenderweise kalt ist und manchmal sogar Schnee fällt; dass es aber zum Beispiel zu den Ausschreitungen in Chemnitz vergangenen Sommer tagelang keinen "Brennpunkt" gegeben hat. Dabei braucht es Spezialsendungen genau dann, wenn die Nachrichtenlage unübersichtlich ist oder es eine akute Gefahrenlage gibt, wenn es Einordnung braucht.
Nicht alle "Brennpunkt"-Entscheidungen richtig
CNN hat doch auch live berichtet über Notre Dame, wirft da zum Beispiel NRW-Regierungschef Armin Laschet ein. Dabei müsste er eigentlich wissen, dass CNN ein Nachrichtensender ist, der rund um die Uhr sendet – und die Öffentlich-Rechtlichen gar keine reinen Nachrichtensender haben. Tagesschau24 und ZDFinfo klingen zwar danach – es gibt aber gar keinen politischen Auftrag für öffentlich-rechtliches Nachrichtenfernsehen.
Selbst diese Kritik geht also ins Leere; und ist nicht viel mehr als ein Reflex, ein "Die Öffentlich-Rechtlichen sind langsam und doof". Dabei haben ARD und ZDF genau richtig entschieden. Weil man nicht automatisch live draufhalten muss, wenn in Paris eine Kirche brennt.