Die Öffentlich-Rechtlichen, ihre Stars und die Privaten, das ist Mediengeschichte mit inzwischen einigen Kapiteln. Seit den 1980er-Jahren waren es meist die bekannten TV-Gesichter, die die Seiten wechselten: Beckmann, Kerner, Pilawa. Die einen begannen ihre Karriere in ARD und ZDF, die anderen bei RTL oder Sat1. Irgendwann war kaum noch zu unterscheiden, welches Gesicht zu welchem Programm gehörte. Welcher Sender den Zuschlag bekam, das war meist eine Frage des Geldes.
Wie wichtig Honorar auch heute noch ist, bewies der Streit zwischen dem RBB und Jan Böhmermann und Olli Schulz. Die beiden hatten bis 2016 erfolgreich auf Radio Eins eine Sendung moderiert, wechselten dann aber – zum Unmut der Senderverantwortlichen – mit diesem Format zu Spotify, wo es bis heute als Podcast ausgespielt wird. Die beiden Unterhalter begründeten ihren Schritt mit der Möglichkeit, dort mehr verdienen zu können als beim RBB.
Das Beispiel zeigt auch: Es geht längst nicht mehr nur ums Fernsehen. Podcast ist der neue Medienstar – und Spotify entwickelt sich seit Jahren zu seiner beliebtesten Heimat.
Zusammenarbeit mit Verzögerung
Schon lange finden sich in dem Streamingdienst auch öffentlich-rechtliche Angebote (wie etwa der Podcast des Dlf-Medienmagazins @mediasres). Doch nun soll es umgekehrt laufen, soll "weltweit zum ersten Mal ein Spotify-Original im linearen Radio gesendet" werden. Das gab die ARD in dieser Woche bekannt. Eine Premiere, die auch ein weiteres Kapitel im Seitenwechseln der bekannten Gesichter bedeutet. Denn Sandra Maischberger moderiert das Format, das nun auch in der ARD-Audiothek zu finden ist und bald in Wellen der ARD zu hören sein soll.
Den "Sandra Maischbeger Podcast" gibt es seit September auf Spotify. Eine Zusammenarbeit mit der ARD war nicht von Anfang an geplant, das bestätigte die verantwortliche Anstalt, der WDR, auch gegenüber dem Deutschlandfunk. Die entsprechenden Verträge seien erst Anfang November abgeschlossen worden. Auf die Frage nach einer Finanzierung erklärte der WDR, es sei "nicht unüblich, sich bei einer Kooperation auch finanziell zu beteiligen". So auch hier. Genaue Zahlen nannte der Sender nicht.
Sieger auf beiden Seiten
Grundsätzlich profitieren wohl beide: Der WDR hat den Gesprächspodcast "in die ARD zurückgeholt" und kann ihn auf allen ARD-Kanälen anbieten. Und Spotify ist es gelungen, Sandra Maischberger erst an der ARD vorbei für einen Podcast zu gewinnen, um dann über genau diesen Podcast den Fuß in die Tür der ARD-Audiothek und die Radioprogramme bekommen – und so eine Art Gratiswerbung für das eigene Produkt zu haben.
Ein weiterer Effekt könnte ein strategischer sein: Nicht alle ARD-Anstalten, wie etwa der NDR, sehen es positiv, wenn eigene Inhalte auf Spotify landen. Gegenüber diesen skeptischen Stimmen kann der Streamingdienst künftig auf die nun abgeschlossene Kooperation verweisen.
Gesamtstrategie in der Kritik
Die Zusammenarbeit setzt den Weg der meisten öffentlich-rechtlichen Sender fort, bei der Verbreitung der eigenen Inhalte auch auf private Anbieter zu setzen. Eine Strategie, die nicht nur innerhalb der ARD von einigen kritisch bewertet wird. Im neuen Dlf-Medienpodcast "Nach Redaktionsschluss" etwa fordert ein Hörer, die Öffentlich-Rechtlichen müssten eine eigene Alternative zu den aus seiner Sicht "nicht sozialen" und "nicht rechtskonformen" privaten Social-Media-Plattformen entwickeln.
Eine Sicht, die auch einige Medienwissenschaftlerinnen wie etwa Christine Horz teilen. Bei einer Zusammenarbeit wie der mit Spotify würden "bestimmte Funktionen und Aufträge der Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr berücksichtigt", sagte Horz gegenüber dem Deutschlandfunk. Auch wenn Digitalunternehmen wie Youtube "jetzt vielleicht gut mit den Sendern kooperieren, weiß man nicht, wie das in der Zukunft aussieht", warnt die Gründerin der "Initiative Publikumsrat": "Irgendwann sind die Sendeinhalte vielleicht nicht mehr so gut zu finden, weil diese Unternehmen ihren Auftritt auf andere Anbieter ausrichten wollen. Und dann ist man eben von denen abhängig."
Für Juliane Leopold ist die Frage nach dem Umgang mit den Anbietern privater Plattformen richtungsweisend. Der Nachrichtenkonsum vor allem junger Menschen verlagere sich seit Jahren ins Netz und dort immer mehr in Soziale Netzwerke, sagte die Chefredakteurin Digitales von ARD-aktuell im Podcast "Nach Redaktionsschluss". Entweder verschließe man die Augen vor dieser Entwicklung "und verliere Menschen". Oder, so Leopold, "wir gehen den andern Weg bei aller Skepsis und bei aller Vorsicht, und wir gehen den unter den eigenen Bedingungen".