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Atompolitik
Endlagerung, Rückbau und neue Investitionen

Das Zeitalter der Atomenergie in Deutschland gehört endgültig der Vergangenheit an. Was das praktisch heißt, steht im Koalitionsvertrag; teilweise jedenfalls, denn strittige Themen - wie zum Beispiel die Endlagerung des radioaktiven Abfalls - sind nach wie vor ungelöst.

Von Christel Blanke | 30.12.2013
    Für Hannelore Kraft ist ganz klar: "Es gibt kein Zurück zu Atom."
    Und da ist sich die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin, die für die SPD bei den Koalitionsverhandlungen die Energiethemen verhandelt hat, mit den Unionsparteien einig:
    "Wir halten am Ausstieg aus der Kernenergie fest. Spätestens 2022 wird das letzte Kernkraftwerk in Deutschland abgeschaltet."
    So steht es im Koalitionsvertrag. Neun Atomkraftwerke sind noch am Netz. Erst Ende 2015 wird das nächste abgeschaltet: Grafenrheinfeld in Bayern. Für alle noch laufenden AKW gilt laut Koalitionsvereinbarung: die Sicherheit muss bis zum letzten Betriebstag gewährleistet werden. Auch wenn das neue Investitionen bedeuten sollte. Andere Maßnahmen, die die Kassen der Konzerne belastet hätten, schafften es dagegen nicht in den Koalitionsvertrag. Weder die Verlängerung der Kernbrennstoffsteuer über 2016 hinaus, noch ein öffentlich-rechtlicher Fonds für die Rückstellungen, die die Betreiber für den Rückbau ihrer Kraftwerke bilden müssen. Beides hatte die SPD gefordert. Stattdessen wird nun auf Freiwilligkeit gesetzt, so die SPD-Abgeordnete Ute Vogt:
    "Wir sind uns einig geworden, dass wir davon ausgehen nach wie vor, dass die Betreiber von Atomkraftwerken auch die Verantwortung tragen dafür, wie jetzt der Rückbau erfolgt und natürlich auch weiterhin finanziell für die Entsorgung verantwortlich bleiben."
    Enttäuscht zeigt sich davon die atompolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Sylvia Kotting-Uhl. Es bestehe die Gefahr, dass womöglich kein Geld da sei, wenn es gebraucht werde: "Denn wir wissen ja nicht, wie es mit den großen Konzernen weiter geht, wenn sie sich nicht darauf einstellen, ein neues Geschäftsmodell, was auf erneuerbare Energien setzt, zu entwickeln."
    Im Kern stehe zur Atompolitik nichts drin im Koalitionsvertrag, sagt Kotting-Uhl. Wirklich ernst nehmen Union und SPD den Atomausstieg aus ihrer Sicht nicht. Denn nach wie vor wird in Deutschland Uran angereichert und Brennelemente werden produziert:
    "All das ist im Koalitionsvertrag nie zur Sprache gekommen, auch nicht in Vorentwürfen. Das ist ein großes Defizit. Wir Grünen haben immer gesagt, der Atomausstieg ist erst dann vollendet, wenn wir auch diese Anlagen geschlossen haben."
    Knapp anderthalb Seiten widmen Union und SPD dem Kapitel "Ausstieg aus der Kernenergie". Dazu gehört auch die Endlagerung von Atommüll. An der Rückholung des Abfalls aus der maroden Schachtanlage ASSE II will die Große Koalition festhalten. Ebenso am gemeinsam mit den Grünen vereinbarten Standortauswahlverfahren für ein Endlager für hoch radioaktiven Müll. Mit Niedersachsen will der Bund mit Blick auf den Umgang mit Gorleben ein einvernehmliches Vorgehen verabreden, wie es heißt. Niedersachsen hatte Mitte September den Rahmenbetriebsplan für den Salzstock aufgehoben. Dagegen klagt der Bund. Die Forderung der SPD, diese Klage zurückzunehmen, lehnte die Union ab. Niedersachsen versuche, Gorleben entgegen der Verabredung aus dem Verfahren zu nehmen, kritisiert Katherina Reiche, Verhandlungsführerin der Union bei diesem Thema:
    "Wenn jetzt ein Land einseitig diesen Kompromiss aufkündigt, indem es mittels Landesrecht Fakten schafft, die diesem Kompromiss widersprechen, muss der Bund sich rechtlich verhalten. Das hat er getan."
    Offen ist nach wie vor, wo die noch aus dem Ausland zurückkehrenden Castorbehälter gelagert werden sollen. Um Vertrauen zu schaffen, sollen sie auf keinen Fall nach Gorleben. Außerdem ist die Kommission nicht besetzt, die die Kriterien für das Auswahlverfahren erarbeiten soll.