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Aus Müll mach neu

450 Kilo Müll produziert jeder Bundesbürger im Schnitt pro Jahr. Die Berliner Kreativwerkstatt "Kunst-Stoffe" arbeitet seit sechs Jahren dagegen an. Ob Holz, Metall, Tüten oder Sprungfedern aus alten Matratzen - beim Verein kann jeder Altes abgeben, damit daraus Neues entsteht.

Von Verena Kemna | 21.11.2012
    Coffee to go, wer kennt das nicht, der Kaffee ist schnell getrunken, der Pappbecher landet im Müll. Mindestens 80 solcher Becher schmeißt jeder pro Jahr weg und das ist nur ein kleiner Teil von insgesamt 500 Kilogramm Müll, die jeder Deutsche im Jahr hinterlässt. In der Berliner Kreativwerkstatt Kunststoffe arbeiten engagierte Mitarbeiter seit sechs Jahren dagegen an. Ob Holz, Metall, Tüten, Papprollen, gebrauchte Plakatwände oder Sprungfedern aus einer alten Matratze, beim Verein Kunststoffe kann jeder Altes abgeben, damit daraus Neues entsteht. Ein Haus aus DDR-Zeiten mitten in Berlin-Pankow dient als Materiallager und Kunstwerkstatt. Im einzigen Büroraum prüft Brigitte Denck Angebote am Computer. Viele Firmen bieten praktisch Neues umsonst, erzählt sie, an diesem Tag sind es biegsame armdicke Plastikrohre.

    "Wir haben jetzt auch gleichzeitig eine Anfrage von einem Theater, die etwas fürs Bühnenbild brauchen und diese Rohre sehen halt wirklich toll aus, sind auch farbig. Für ein Theater als Bühnenbild passt das natürlich hervorragend."

    Die gelben Rohre sind wie geschaffen, um daraus Kulissen zu bauen. Auch die Künstlerin Brigitte Denck ist beim Verein schon oft fündig geworden, hat Hunderte Pappbecher ineinander gesteckt und daraus fantasievolle meterhohe Bäume gebastelt. Sie ist fasziniert von solch künstlerischen Müllvermeidungsstrategien.

    "Ich finde es einfach eine Schande was alles so weggeworfen wird. Gerade eben auch bei Messen, die ganzen Teppiche und viele Sachen die werden nur für ein paar Tage produziert und dann landen sie im Müll."

    Inzwischen ist der Verein in Berlin gut vernetzt, hat in ganz Deutschland Nachahmer gefunden. Da gibt es die Recyclingbörse in Bielefeld, eine Recycling Werkstatt in Hamburg, die Projekte für Schulen und Kindertagesstätten anbietet. Auch der Verein Kunststoffe plant gerade eine Kooperation mit Berliner Schulen, sagt Mitarbeiterin Judith Jacob. Sie setzt sich auf einen Hocker aus Kork, der mit Fell bespannt ist.

    ""Das heißt wenn ich hier auch meine Klassen habe und denen was zu Nachhaltigkeit und Abfall erzähle, dann dürfen sie sich auch auf die Hocker setzen und sind immer begeistert, wie schön das ist und kuschelig, dass man das eben selber machen kann, dass da so schöne Dinge draus entstehen."

    Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Judith Jacob steht vor einem Regal, da liegen Spielautos aus Tetrapacks, Mosaikbilder aus zerbrochenen Spiegeln, bunte Taschen.

    "Eine ganz schöne Tasche, die ist aus Plastetüten hergestellt, eine Bügeltechnik, solche Workshops bieten wir auch an. Da kann man alles machen, ob Lampenschirme, CD-Hüllen, Laptop-Taschen oder Portemonnaies aus Teppichresten aus Gummi, sehe ich hier drüben oder direkt aus Reißverschlüssen."

    Im Rahmen der Europäischen Woche zur Abfallvermeidung bietet der Berliner Verein Kunststoffe am Sonntag einen Tag der offenen Tür mit Flohmarkt. In Osnabrück und München können in der Innenstadt Plastiktüten gegen Jutebeutel getauscht werden, in Berlin verteilt die Stadtreinigung Einkaufstüten, die auch als Weihnachtspapier genutzt werden können. Über einhundert verschiedene Aktionen in ganz Deutschland sind ein Appell an jeden einzelnen Verbraucher, seine eigenen Konsumgewohnheiten in Frage zu stellen.