Mittwoch, 24. April 2024

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Ausstellung in Dortmund
"Die Welt ohne uns"

Wenn die Menschen einmal nicht mehr auf der Erde sind, wird es nach unseren Begriffen wohl katastrophal aussehen. Eine Ausstellung im Dortmunder Hartware-Medienkunstverein verfolgt den Gedanken - und präsentiert "Erzählungen über das Zeitalter der nicht-menschlichen Akteure".

Von Peter Backof | 21.10.2016
    "Internet Machine", 2015 von Timo Arnall, im Rahmen der Ausstellung "Die Welt Ohne Uns. Erzählungen über das Zeitalter der nicht-menschlichen Akteure" vom 22.10.2016-05.03.2017 im HMKV im Dortmunder U
    "Internet Machine", 2015 von Timo Arnall, im Rahmen der Ausstellung "Die Welt Ohne Uns. Erzählungen über das Zeitalter der nicht-menschlichen Akteure" vom 22.10.2016-05.03.2017 im HMKV im Dortmunder U (Timo Arnall)
    Ein Augenschmaus in HD. Das neue Zeitalter kam durch sanften Wandel. Es gleitet also eine Drohne selbständig über die Gipfel eines Hochgebirges, in dem Video von Ignas Krunglevicius aus Litauen. Das maschinelle Bewusstsein erinnert sich, aus dem Off sprechend, wie kleingeistig es früher zuging, als die Welt noch "protein-zentriert" aufgestellt und beherrscht war. Waren wir Menschen wirklich so unwichtig?
    "Eine Welt ohne uns ist eine radikal andere Welt"
    "Was diese Ausstellung nicht zeigen kann, was sie aber versucht, zu suggerieren, ist der Horror, wirklich der Horror, der mit einer Welt ohne uns verbunden wäre. Eine Welt ohne uns ist eine radikal andere Welt. Das ist ein philosophisches Problem: Man versucht, sich etwas vorzustellen, was man sich prinzipiell nicht vorstellen kann."
    Weil man eben nicht wie eine Drohne sieht. Auch nicht wie ein Tier. Oder künstliche Intelligenz, die überhaupt keine Bilder braucht, um zu sein. "Welt ohne uns" - Museumsleiterin Inke Arns will über alles Plakative und Illustrierende hinaus gehen: Künstliche Intelligenzen, die sich als klarer bei Verstand erweisen und die Weltherrschaft von den "protein-zentriert", körperlichen Menschen übernehmen, das kann man sich ja schön zurecht fabulieren, aber es bleibt Science Fiction, Veranschaulichung. Die 17 Künstlerinnen und Künstler, die hier über die Welt - ohne sie selbst - nachdenken, gehen einen Schritt weiter, drehen den Spieß auch einmal um.
    "Diese Welt ohne uns ist nicht weit entfernt"
    Menschen, die begonnen haben, von künstlicher Intelligenz zu lernen. Da ist die Geschichte eines Börsenmaklers von der Britin Suzanne Treister. Mit dem, was Algorithmen im internationalen Aktienhandel im Sekundentakt an Profiten erwirtschaften, kann er nicht mehr mithalten. Er berechnet - selber zu einer Art Milchmädchen-Algorithmus geworden -, dass aus Robotik, Informatik, Nanotechnologie und Bionik die eigene Überflüssigkeit folgen muss: Industrielle Revolution 4.0., in aller Munde, bringt viel Freizeit, die der Ex-Broker jetzt mit dem Erfinden und Verkosten schriller, psychoaktiver Pflanzen verbringt. Hätte er die Entwicklung der künstlichen Intelligenz nicht besser verhindern sollen?
    "Es gibt nicht die Entscheidung zwischen roter und blauer Pille. Sondern was ich versucht habe, hier zu zeigen, ist, dass diese Welt ohne uns nicht weit entfernt ist, dass es sie in Ansätzen schon in der Gegenwart gibt, und zwar in Geräten, die stinknormal wirken. Smartphones, Kühlschränke, Kameras, wer weiß, zu was für Systemen die sich zusammenschließen?"
    Natur und Technik sind kein Widerspruch mehr
    Sie sind doch längst vernetzt, nur nicht so greifbar wie in Science Fiction. Den Urmoment, in dem eine Maschinenwelt Bewusstsein erlangt und die Herrschaft übernimmt, sieht man in der Ausstellung nicht. Sie zeigt stattdessen Videos, Skizzen, exotische Pflanzen und Installationen als Gedankenexperimente: Ein Portfolio der Evolution von Natur und Technik, die immer mehr zusammendriften. Natur und Technik sind kein Widerspruch mehr: wahrscheinlich der Meta-Trend unserer Zeit.
    "Nein, nein, der Mensch ist nicht Krone der Schöpfung!"
    Die Arbeiten sind jüngst entstanden, manche für diese Schau. Highlight ist eine Geldmine, von Yuri Pattison konstruiert aus einem Video von einem Bergwerk, dem Innenleben eines Computers sowie einem Aquarium, in dem es um Kieselsteine herum blubbert, als Kühlung. Eine Geldwaschanlage? Oder eine neue Methode, Geld zu fälschen?
    "Bitcoins sind eine digitale Währung. Damit sie überhaupt einen Wert hat, muss sie begrenzt sein. Es ist so, dass in der Tat nach Bitcons geschürft wird. Also Bitcoins werden errechnet."
    Der Künstler hat eine chinesische Bitcoin-Mine als Modell nachgebaut. Bitcoins könnten bald das Bargeld ersetzen, meinen einige Finanzexperten. Gefühlter Vorteil: Man kann damit weiterhin anonym bezahlen. Man kann sich, wenn man wenig Geld hat - oder noch nie von Bitcoins gehört hat - auch gut vorstellen, wie sich künstliche Intelligenzen bereits jetzt völlig befreit von menschlicher Gier, Unmengen dieser Währung gegenseitig zu schachern. Und dabei Witze machen, wie diesen, guten alten: Sagt ein Planet zum nächsten, Du siehst aber schlecht aus, was ist los? Ich hab Mensch, sagt der andere. Darauf der erste: Ist nicht so schlimm, geht schon vorbei.