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"Bankrotterklärung, es nicht zu versuchen"

Der Bundestag war gestern Ort für ein bemerkenswertes Fachgespräch. Kommt eine Rente für gesundheitlich geschädigte Opfer des DDR-Staatsdopings?, lautete die Frage, die unerwartet einen neuen Schub erhielt. Bemerkenswert auch die Koalition: CDU und Grüne, die Sportausschuss-Mitglieder Karin Strenz und Viola von Cramon, stießen die Expertenbefragung gemeinsam an.

Von Grit Hartmann | 25.03.2011
    Vor neun Jahren, als der Bundestag das Dopingopfer-Hilfe-Gesetz beschloss, schimpfte Wolf Biermann über, wie er meinte: "Wurststullen" für Geschädigte des DDR-Staatsdopings. Für bleibende Schäden brauche es bleibende Hilfe, monierte der Liedermacher. Damals wurde eine Einmalzahlung gewährt – wie später vom Sport und von Jenapharm, Produzent jener Pillen, die schon Minderjährige schlucken mussten.

    Das Biermann-Wort von den bleibenden Hilfen stellten die Abgeordneten Karin Strenz (CDU) und Viola von Cramon (Grüne) nun über ein Arbeitspapier. Sein Kern: Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Gesetzentwurf für eine Dopingopfer-Rente zu erarbeiten. Den Weg dahin erörterten Abgeordnete mit Vertretern aus BMI und DOSB, dem Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht an der Uni Bayreuth, Stephan Rixen, und mit Klaus Zöllig vom Dopingopferhilfeverein. Der legte eine aktuelle Analyse vor. Bilanz: Für mehr als jeden Zweiten von rund 90 befragten Athleten ist offiziell ein Schadensgrad festgestellt. Dennoch scheiterten alle Rentenanträge.

    Karin Strenz verweist auf Langzeitschäden, die Berufsausübung und Lebensqualität zunehmend beeinträchtigen. Außerdem war zu hören:

    "... dass im letzten Jahr sieben Dopingopfer schon verstorben sind. Viel zu früh, früher, als man sich normaler Weise aus dem Leben verabschiedet. Und daran sieht man ganz klar, dass in diesem Fall Zeit nicht Geld ist, sondern Zeit ist hier Leben. Und deswegen sind wir so mit Nachdruck dran an der Sache, dass wir hier noch etwas für die Schwerstgeschädigten tun können."

    Die CDU-Politikerin kommt aus Mecklenburg-Vorpommern. Auch sie geriet einst ins Visier der Talentsucher, sollte an die Sportschule:

    "Der Vater fühlte sich damals sehr geschmeichelt, und dank meiner couragierten Mutter, die immer vehement sagte, nein, das kommt nicht in Frage, ist mir möglicherweise eine ähnliche Biografie erspart geblieben. Das schwingt dann immer mit. Und deshalb bin ich unendlich glücklich, dass wir uns – ganz untypisch: Grüne und Schwarze zusammen – auf den Weg gemacht haben, dieses Thema zu beackern, weil ich glaube, wir haben ne Chance."

    Strenz und von Cramon wollen nun für die Rente werben, auch in den anderen Fraktionen. Das Fachgespräch habe neue Argumente geliefert, sagt Karin Strenz:

    "Wir haben ganz ohne Schnörkel festgestellt, dass man es, wenn man es denn will, kann. Und ich glaube, es wäre eine Bankrotterklärung, es nicht wenigstens zu versuchen. Und irgendwelche Argumente, die ausschließen, dass es gelingen könnte, wollen wir gar nicht erst gelten lassen."