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Berlin
Kritik an Betreiber von Notunterkünften

Schwere Vorwürfe an einen Betreiber von Notunterkünften in Berlin-Kreuzberg: Die Flüchtlinge, die in zwei Turnhallen untergebracht sind, hätten nicht genug zu essen und keine Privatsphäre, die hygienischen Verhältnisse seien schlimm und Ehrenamtliche erhielten Hausverbot, klagen freiwillige Helfer. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales hält aber an dem Betreiber fest.

Von Kemal Hür | 12.02.2016
    Flüchtlinge sitzen am 04.08.2015 auf Feldbetten in einer Turnhalle auf dem Gelände der Bundespolizei in Rosenheim.
    Es gibt keine getrennten Bereiche für Familien oder Frauen in den Berliner Turnhallen, bemängeln die Helfer. (picture alliance / dpa / Andreas Gebert)
    "Wir haben heute eine E-Mail geschrieben an den Flüchtlingsrat, wo wir die Situation noch mal geschildert haben - auch mit den Hausverboten und was die einzelnen Missstände sind und dass es uns vor allem darum geht, dass wir eine Veranstaltung machen mit den Geflüchteten selber, eine Informationsveranstaltung, wo sie über ihre Rechte und vor allem über die Pflichten des Betreibers aufgeklärt werden."
    In einem Café in Kreuzberg. Ehrenamtliche Helfer einer Notunterkunft haben sich hier getroffen und besprechen die aus ihrer Sicht unzumutbaren Zustände in zwei Kreuzberger Turnhallen, in denen Geflüchtete untergebracht sind. Ihre Beschwerden beim Betreiber und dem zuständigen Landesamt für Gesundheit und Soziales, LAGeSo, hätten nicht gefruchtet, berichten sie bei diesem Treffen, zu dem sie auch einige Journalisten eingeladen haben. Es geht ihnen darum, betonen sie: die Wohnsituation der Geflüchteten zu verbessern. Besonders problematisch sei das Essen, sagt ein Helfer, der anonym bleiben möchte.
    "Das sind drei Scheiben ungetoastetes Brot, ein arabisches Fladenbrot, ein Stück ungewaschene Gurke, ein kleines Stück Tomate dazu, ein bisschen Frischkäse. Das jeden Tag, morgens und abends. Dann keine Privatsphäre; es gibt immer noch keine Trennwände, obwohl das mehrfach angemahnt worden ist. Es gibt keine Möglichkeit, die Wäsche mit Waschmaschinen zu waschen. Das ist hygienisch ein Problem. Dadurch gibt es Wasser- oder Feuchtigkeitsschäden."
    Es gibt keine Möglichkeit, das Obst und Gemüse zu waschen
    In der Turnhalle sind Feldbetten ohne Matratzen aufgereiht. 150 Frauen, Kinder und Männer wohnen hier. Zwischen zwei Betten gibt es maximal einen halben Meter Raum. Es gibt keine getrennten Bereiche für Familien oder Frauen wie in vielen anderen Unterkünften. An den Wänden hängt Wäsche zum Trocknen. In einem Geräteraum wird das Abendessen zum Verteilen vorbereitet. Keine Möglichkeit, das Obst und Gemüse zu waschen. Eine hauptamtliche Mitarbeiterin und fünf Helfer verteilen das Essen auf Papptellern. Auf der Herrentoilette ist eines der zwei Pissoirs außer Betrieb, ein Waschbecken ist verstopft und vollgelaufen. Zustände, die dem LAGeSo seit Langem bekannt sind, sagt der anonyme Helfer.
    "Wir hatten ein Helfertreffen, wo auch der Betreiber anwesend war. Es gab einen Runden Tisch von verschiedenen Akteuren hier aus dem Kiez, die dann auch einen Brief verfasst haben, in dem die Mängel aufgezeigt worden sind. Und das LAGeSo war auch mehrfach vor Ort und hat auch die Zustände angemahnt und dem Betreiber ein Ultimatum gesetzt."
    Das Ultimatum ist in einem Schreiben des LAGeSo, das uns vorliegt, festgehalten. Der Betreiber sollte bis zum 10. Februar die festgestellten Mängel beheben. In dem Schreiben heißt es weiter:
    "Es entstand der Eindruck dass Herr Kuhirt, der Betreiber, die Spenden und das Engagement der Helfer in seinen Kalkulationen, eine Notunterkunft zu betreiben, mit einplant. Beispiele sind hier der schmutzige Kinderraum. Auch wurde bisher kein Kinderbetreuer eingestellt. Die Betreuung der Asylsuchenden erfolgt nur ungenügend, da auch dafür nicht ausreichendes Personal vorgehalten wird".
    LaGeSo führt die Probleme auf die Notsituation zurück
    Einen Tag vor Ablauf des Ultimatums fand ein erneutes Gespräch statt, an dem der Betreiber, Mitarbeiter des LAGeSo, des Abgeordnetenhauses sowie Helfer und Mitarbeiter teilnahmen. LAGeSo-Sprecher Sascha Langenbach führt die Probleme auf die Notsituation in Turnhallen im Allgemeinen zurück. Es seien aber Verbesserungen vereinbart.
    "Die Essensversorgung war ein Thema. Da habe ich mit dem Betreiber noch mal gesprochen, der die Anregung der Bewohnerinnen und Bewohner aufgenommen hat, was eine gewisse Flexibilität in dem Essensangebot angeht. Und der Caterer hat das gerne aufgenommen und wird das jetzt umsetzen."
    Die Feldbetten würden demnächst durch Etagenbetten ersetzt, versichert LAGeSo-Sprecher Langenbach. Für große professionelle Reinigungsmaschinen aber, die für die 150 Bewohner nötig wären, habe die Bauaufsicht keine Genehmigung erteilt. Nun werde mit Waschsalons verhandelt. Beim Krisengespräch sei auch über die Hausverbote an Helfer und Kündigungen von kritischen Mitarbeitern gesprochen worden, sagt Langenbach.
    "Der Betreiber hat mir versichert, dass er überhaupt keine Absicht hat, auf die Hilfe und die Kooperation mit den Ehrenamtlichen zu verzichten."
    Auf eine Interview-Anfrage erklärt der Betreiber Ralf Kuhirt schriftlich, er wolle sich zu den Vorwürfen nicht öffentlich äußern. Das LAGeSo will an dem Betreiber trotz des abgelaufenen Ultimatums und der fortbestehenden Kritik festhalten, weil er sich kooperativ verhalten habe, so Sprecher Langenbach.