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Berlin
Wie ein Kommunalpolitiker den Rechtsextremen trotzt

Von Claudia van Laak | 12.03.2015
    Fester Händedruck, klarer Blick aus blauen Augen. Ein kleiner drahtig-sportlicher Mann steht in der Eingangstür seines Reihenhauses in Berlin-Treptow, bittet herein. Hans Erxleben, seit 15 Jahren Sprecher des Bündnisses für Demokratie und Toleranz im Bezirk Treptow-Köpenick. Und seit mindestens genauso vielen Jahren Hassobjekt der militanten rechtsextremen Szene.
    "Seit Ende der 90er-Jahre stehe ich auf schwarzen Listen der Rechtsextremen, der Neonazis."
    Das Bündnis für Toleranz wurde gegründet, nachdem die NPD ihre Bundeszentrale nach Köpenick verlegt hatte. Und sich der benachbarte Stadtteil Schöneweide zum Zentrum der Neonazi-Szene Berlins entwickelte. Da waren die Kneipe "Zum Henker" und der Militaria-Laden des NPD-Landesvorsitzenden Sebastian Schmidtke. Weitere Neonazis zogen in die Brückenstraße, für Ausländer wurde sie zu einer No-go-Area. Gegen all das kämpfte der 68-Jährige Erxleben an. Nicht ohne Folgen:
    "Ich hab vor zwei, drei Jahren mal einen Brief bekommen - anonym, da steht nur ein Satz drin: 'Dein Leben interessiert uns brennend.' Und ein Streichholz."
    Es blieb nicht bei Drohungen per Telefon, Brief und E-Mail. Da sich das Mitglied der Linkspartei auch für Flüchtlinge im Bezirk einsetzt, wurden Flugblätter mit seinem Foto verteilt - der Text: "Das Asylantenhotel und seine Handlanger." Vor drei Jahren dann ein Anschlag auf sein Haus. Der 68-Jährige dreht sich um, zeigt auf das Wohnzimmerfenster.
    "Es war ein Anschlag hier auf dieses Wohnzimmerfenster, was Sie hier sehen. Und den Briefkasten. Der Briefkasten wurde gesprengt, ins Wohnzimmerfenster wurde ein großer Ziegelstein geworfen. Und das war so getimed, dass nach dem Wurf in die Fensterscheibe sollte ich nachschauen kommen durch die Tür, und dann wäre der Briefkasten so explodiert, dass er mich noch getroffen hätte."
    Hans Erxleben hat Glück im Unglück. Als er die Haustür öffnet, ist der Briefkasten bereits explodiert, niemand wird verletzt. Der 68-Jährige erstattet immer wieder Anzeige, der Staatsschutz ermittelt, doch bislang konnte keine der Taten aufgeklärt werden. Vor zwei Monaten dann geht sein Auto nachts in Flammen auf. Ein Brandanschlag.
    "Nach dem Brandanschlag auf mein Auto war einen Tag später zu lesen: 'Schade, dass der nicht dringesessen hat, dann wären wir das Problem los.' Das ist Mordhetze."
    Eine Sonderkommission wird gebildet, Hans Erxleben steht seitdem unter Polizeischutz. Er ist vorsichtig geworden, blickt sich im Dunkeln lieber zweimal um. Einschüchtern lässt er sich allerdings nicht. Ganz im Gegenteil.
    "Gauck hat mal diesen Satz benutzt: 'Euer Hass ist unser Ansporn.' Den Satz finde ich gut. Denn der trifft tatsächlich auch auf mich zu."
    Hans Erxleben fühlt sich unterstützt in seinem ehrenamtlichen Engagement. Nach dem Brandanschlag auf sein Auto erhält er viele aufmunternde Anrufe und E-Mails. Wichtig auch das Bündnis für Demokratie und Toleranz, dem neben Parteien und Gewerkschaften auch Kleingärtner, Sportvereine und die Polizei angehören. Hier ist es leichter, Rückgrat zu zeigen, sagt der 68-Jährige. Ob er sich in der Provinz, in Tröglitz, auch so verhalten würde oder vielleicht längst sein Engagement aufgegeben hätte, weiß er nicht.
    "Hier verhalte ich mich anders, hier bin ich anders eingebettet. Nach dem Brandanschlag auf mein Auto habe ich eine Riesenwelle an Solidarität erfahren. Aus der Bezirkspolitik, aus der Landespolitik. Mich haben ja Bundestagsabgeordneten angerufen, der Gysi, die Pau. Die haben alle gesagt, wir stehen an Deiner Seite. Das hat ja auch gutgetan. Und offensichtlich ist all das in Tröglitz nicht passiert."
    Am liebsten würde Hans Erxleben jetzt nach Tröglitz fahren und dort von seinen Erfahrungen erzählen. Wie wichtig es ist, sich Verbündete zu suchen. Und wie wichtig es ist, ein Netz zu knüpfen, an dem alle Demokraten beteiligt sind.
    "Die Politik wird immer für alles verantwortlich gemacht. Sie alleine kann gar nichts regeln. Wenn es da nicht eine gute Vernetzung gibt zwischen den Akteuren der Zivilgesellschaft und der Politik, dann passiert da nicht viel. Und offensichtlich ist das genau die Krux, dass man es hat laufen lassen. Und nicht rechtzeitig genug die Einwohner einbezogen hat. Dass die Politiker nicht auf die Leute zugegangen sind. Dass man den Mann im wahrsten Sinne des Wortes alleine gelassen hat. Das scheint mir ein Problem zu sein."
    Das Bündnis für Demokratie und Toleranz in Treptow-Köpenick war erfolgreich. Der Vermieter kündigte der Neonazi-Kneipe "Zum Henker", der Militaria-Laden des NPD-Funktionärs hat geschlossen. Und Hans Erxleben wird sich weiter für Flüchtlinge engagieren und gegen Rechtsextremismus - trotz der Drohungen und Anschläge.
    "Wenn man sich durch solche Dinge einschüchtern lässt, dann hätten sie genau erreicht, was sie wollen. Diese Genugtuung möchte ich ihnen nicht geben."