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Besetztes Haus in Berlin
Gericht erklärt Teilräumung der Rigaer Straße 94 für illegal

Das Berliner Landgericht hat einen Polizeieinsatz gegen Hausbesetzer im Stadtteil Friedrichshain für rechtswidrig erklärt – allerdings hauptsächlich aus formalen Gründen. Der Eigentümer habe keinen Räumungstitel vorgelegt, trotzdem sei die Polizei am 22. Juni gegen das alternative Wohnprojekt vorgegangen.

13.07.2016
    Polizisten vor einem Haus mit Graffiti
    Die Rigaer Straße 94 (imago / Christian Mang)
    Richterin Nicola Herbst sagte, ein Räumungstitel sei die notwendige Grundlage für einen Polizeieinsatz im Stadtteil Friedrichshain gewesen und um die Nutzer im Erdgeschoss hinauszuzwingen. Bis heute habe der Eigentümer keinen Räumungstitel vorgelegt, sagte Herbst. Er war nicht zur Gerichtsverhandlung erschienen. Herbst kündigte ein entsprechendes Versäumnisurteil noch für heute an und appellierte an alle Beteiligten, eine weitere Eskalation zu vermeiden.
    Innensenator Frank Henkel (CDU) sagte, weil der Anwalt nicht erschienen sei, habe die Richterin zivilrechtlich nicht anders entscheiden können. Er sprach von konkreten Hinweisen, dass der Anwalt aufgrund einer massiven Einschüchterung beziehungsweise eines Brandanschlags nicht an dem Termin teilgenommen habe.
    Der klagende Verein "Freunde der Kadterschmiede" (sic!), der die Räume genutzt hatte, bekommt mit der Entscheidung vorläufig Recht. Anwalt Lukas Theune sagte, man wolle jetzt mit dem Eigentümer über einen Mietvertrag verhandeln.
    Die Polizei hatte am 22. Juni Teile des Hauses in der Rigaer Straße 94 geräumt. Der Einsatz hatte massive Proteste ausgelöst. Seitdem spitzten sich die Auseinandersetzungen um das auch von Linksautonomen bewohnte Haus zu. Polizisten standen durchgehend vor dem Eingang, um Straftaten zu verhindern, wie es hieß. Am vergangenen Samstagabend kam es bei einer Demonstration von Autonomen und Unterstütztern zu heftigen Gewaltausbrüchen. 123 Polizisten wurden verletzt. Am Dienstag zog sich die Polizei teilweise zurück und verringerte die Kontrollen.
    Kritik an Innensenator Henkel
    Der Berliner Senat ist in der Frage zerstritten. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller von der SPD wies eine Mitverantwortung für den Einsatz ab. "Die Senatskanzlei war nicht involviert in die Vorläufe zum Einsatz der Polizei", sagte Senatssprecherin Daniela Augenstein. "Wir gehen fest davon aus, dass die Innenverwaltung die Rechtsgrundlage dafür erklären kann." Damit verwies sie auf die Verwaltung von Innensenator Henkel.
    Der verteidigte den rechtswidrigen Polizeieinsatz, mit dem man Gefahren habe abwehren und die Bauarbeiter schützen wollen. "An dieser rechtlichen Einschätzung halten wir fest", sagte Henkel. Er wies Vorwürfe zurück, die Polizei habe sich bei dem Einsatz nicht an Recht und Gesetz gehalten.
    Am Montag hatte Henkel gesagt, die Polizei sei in der Rigaer Straße, weil ein Hauseigentümer sein Recht nicht habe durchsetzen können und angegriffen worden sei.
    Die Opposition kritisierte Henkel. Die Grünen forderten eine Sondersitzung des Innenausschusses. Christopher Lauer von der Piratenfraktion erklärte, Henkel habe den Konflikt aus wahlkampftaktischen Gründen provoziert. Die Linke sprach von einer "riesigen Blamage". Es werde wieder deutlich, dass der Innensenator selbst zur Eskalation beigetragen habe, erklärte der innenpolitische Sprecher Hakan Tas.
    (stfr/tzi)