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Beutekunst aus Aachen an der Krim

Vor einigen Wochen machte ein Amateurvideo Schlagzeilen, das ein deutsches Touristenpaar in Simferopol auf der ukrainischen Krim gedreht hatte. Im dortigen Kunstmuseum gab es eine Ausstellung mit Gemälden, die eigentlich dem Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen gehören.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Peter van den Brink | 29.12.2008
    Stefan Koldehoff: Dass diese Altmeister-Bestände, die die Rote Armee 1945 als Beutekunst nach Osten verschleppte und die per Gesetz zu ukrainischem Staatseigentum erklärt wurden, dort nun ganz offen gezeigt wurden, erfuhr man in Aachen erst durch das Video. Inzwischen gibt es Gespräche zwischen beiden Häusern und offenbar sogar die Möglichkeit, die Aachener Bilder nach Deutschland zurückzuholen – auf Zeit jedenfalls. Frage an Peter van den Brink, den Direktor des Suermondt-Ludwig-Museums: Sind Sie denn inzwischen sicher, dass es sich um Ihre Werke handelt?

    Peter van den Brink: Na ja, es sind jedenfalls viele Bilder aus Aachen dabei, wie viele genau … Die Direktorin hat jetzt auch ausgesagt, dass sie jetzt 68 Bilder identifiziert hat von den 87, die dort ausgestellt sind, das heißt, die anderen 19 noch nicht. Es kann sein, dass die zu anderen deutschen Museen gehören oder es sind Bilder aus Aachen, die weniger gut bekannt sind, weil keine Fotos davon bestehen. Das kann natürlich auch noch sein. Das müssen wir noch abklären und das machen wir Mitte Januar.

    Koldehoff: Das heißt, Sie werden hinfahren und werden sich das angucken?

    van den Brink: Wir fahren zu dritt hin, ich selber, der Kurator der Ausstellung hier in Aachen und eine Restauratorin, um auch festzustellen, wie gut der Zustand wirklich ist. Das möchten wir lieber selber abklären.

    Koldehoff: Der Umstand, dass ein Direktor eines deutschen Museums mit einer Direktorin eines Museums in der Ukraine im Gespräch ist über das, was Beutekunst genannt wird, ist ja zunächst schon mal ein ganz gutes Zeichen. Jetzt meldet die Frankfurter Allgemeine Zeitung heute zusätzlich noch, Simferopol sei bereit zu einem Austausch von Bildern. Ist das so richtig?

    van den Brink: Ja, das ist richtig und das hat die Direktorin uns auch geschrieben. Da sind nämlich zwei Fragen. Die Idee ist, dass da eine Austauschausstellung stattfinden kann, das heißt, die Bilder, die dort aus Aachen identifiziert werden, sollten dann in Aachen ausgestellt werden und dann sollte ein vergleichbar großer Bestand aus Aachen dann in Simferopol für ein Jahr gezeigt werden. Dabei stelle ich mir zwei Fragen. Erstens: Darf sie das überhaupt machen vom ukrainischen Staat aus? Denn die Gemälde sind dem ukrainischen Gesetz nach ukrainischer Staatsbesitz, und Simferopol ist, soviel ich weiß, ein städtisches Museum, das heißt, die haben die Bilder als Dauerleihgabe des ukrainischen Staates bekommen. Tja, und ich frage mich dann, ob die Direktorin selbstständig da vorschlagen kann, wir machen mal so eine Austauschausstellung.

    Koldehoff: Haben Sie Ihre Kollegin dort schon danach fragen können?

    van den Brink: Das machen wir, wenn wir dort sind. Ich finde es einfach vernünftiger, da zusammen am Tisch zu reden, einfach darum, weil man dann auch Wort und Gegenwort und direkte Antworten hat. Das ist auch, denke ich, viel effektiver, obwohl natürlich immer ein Dolmetscher oder eine Dolmetscherin dazwischensteckt.

    Koldehoff: Was ist die zweite Frage, die Sie sich stellen? Die erste: Darf sie das? Und die zweite?

    van den Brink: Die zweite ist einfach: Auch wenn wir da Bilder hingeben als Gegenleistung, solange die Bilder aus Simferopol in Aachen ausgestellt werden, da ist die Frage, ob deutschem Gesetz nach die Bilder nicht beschlagnahmt werden müssen. Wie groß ist die Garantie? Wenn die Bilder dann, wenn sie in Deutschland ankommen, beschlagnahmt werden, tja, was passiert dann mit den anderen Bildern?

    Koldehoff: Weil die Bundesregierung nach wie vor nach internationalen Gesetzen davon ausgeht, dass es deutsches Eigentum ist.

    van den Brink: So ist das. Ob dann da Bilder aus Aachen in Simferopol sind oder nicht - die Sachen werden vermutlich sowieso beschlagnahmt, weil das deutscher Besitz ist.

    Koldehoff: Das sind dann aber Fragen, die wahrscheinlich nicht mehr zwei Museumsdirektoren klären können, da müssen dann Regierungsvertreter mit an den Tisch.

    van den Brink: Ich werde natürlich auch vorher, bevor ich nach Simferopol abreise, Termine mit dem Auswärtigen Amt und dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, beide in Berlin, haben. Und da habe ich Termine, bevor ich in die Ukraine abfliege. Diese Frage will ich dann natürlich dort auch stellen, das ist keine Frage.

    Koldehoff: Also gehen wir mal eher davon aus, dass die Bilder noch nicht im Sommer 2009 wieder in Aachen zu sehen sind.

    van den Brink: Nein. Abgesehen davon, dass natürlich auch ein … dass heute wir ein Ausstellungsprogramm haben, kann das auch nur sein, wenn Platz ist, um die Bilder auszustellen. Das dauert sicherlich zwei Jahre, bevor so etwas passieren kann. Wie gesagt, wenn ich das Risiko laufen muss, dass andere Bilder, die wir jetzt da hinschicken, dann auch vielleicht festgehalten werden als Gegengewicht - dazu habe ich natürlich auch wieder wenig Lust.

    Koldehoff: So ist das, wenn Kunst zum Politikum wird. Peter van den Brink war das, der Direktor des Suermondt-Ludwig-Museums in Aachen.

    Passagen des Interviews wurde zum Zweck der bessen Verständlichkeit redaktionell bearbeitet