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Münchens Oberbürgermeister fordert alternativen Mietspiegel

Der Münchner Mieterverein macht den Mietspiegel der Stadt für die wachsenden Quadratmeterpreise verantwortlich. Er erhöhe den Druck auf die Mieter massiv, so die Kritik. Münchens Oberbürgermeister will nun durch eine neue Art der Berechnung die Preistreiberei verhindern.

Von Susanne Lettenbauer | 14.03.2019
Blick auf die Dächer von München
Münchens Mieten: Mit bis zu 30 Euro pro Quadratmeter steht die bayrische Landeshauptstadt bundesweit an der Spitze (imago stock&people)
Wohl selten waren so viele junge Münchner als Zuschauer bei einer Ausschusssitzung im Rathaus. Der Mietspiegel sorgt seit Wochen für wachsende Diskussionen und Unmut in der Landeshauptstadt. Ist der Mietspiegel tatsächlich richtig oder treibt er nur die Mieten künstlich in die Höhe? Grund der Skepsis: Aufgrund einer Bundesregelung von 1992 dürfen bundesweit nur die Neuvermietungen und Mieterhöhungen der vergangenen vier Jahre erhoben werden, empört sich die Stadt. Ganz vorn Oberbürgermeister Dieter Reiter und Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
"Das ist etwas, was wir für sehr, sehr schwierig halten, weil es aus unserer Sicht keine echte Durchschnittsmiete darstellt."
Ab heute können sich Münchner Hausbesitzer und Vermieter also an dem neuen Mietspiegel orientieren. Gut 30.000 Mieterinnen und Mieter wurden befragt, bei denen in den vergangenen vier Jahren die Miete erhöht wurde oder neu eingezogen sind. 70 Prozent lehnten eine Auskunft ab.
Der Mietzins stieg bei Neuvermietungen um satte 7,8 Prozent auf 13,48 Euro, bei Bestandsmieten um 3,8 Prozent auf 10,92 Euro. Blödsinn meint der Mieterverein unisono zum Hausbesitzerverein Haus und Grund. Die neuen Zahlen werden den Druck auf Mieter wieder massiv erhöhen, kritisiert Volker Rastätter, Münchner Mieterverein:
"Wir halten den Mietspiegel, beziehungsweise die Erhebung, dass nur die Mieterhöhungen und Neuvermietungen der letzten zwei Jahre eingehen, für absolut falsch. Das ist kein Mietspiegel, das ist ein Spiegel der Erhöhung der letzten zwei Jahre. Und deshalb ist der auch so extrem hoch. Er liegt weit über der Inflationsrate."
An die Vorgaben aus Berlin gebunden
Die Stadt sei absolut nicht glücklich generell über den Mietspiegel, so OB Dieter Reiter. München muss sich aber, wie alle deutschen Städte an die Vorgaben aus Berlin halten.
Eine Pattsituation. Deshalb gibt es für München nun einen alternativen, "echten" Mietspiegel, so Oberbürgermeister Dieter Reiter. Das Sozialreferat ist beauftragt, ab sofort alle Mieten in die Erhebung mit einzubeziehen. Erste Ergebnisse erwartet man in einem dreiviertel Jahr.
Reiter geht davon aus, dass:
"Letztlich die Mieten dadurch entweder sinken oder zumindest deutlich langsamer steigen, weil der Basiswert deutlich niedriger ist. Das ist meine Grundhoffnung und ich denke, dass ist Aufgabe der Politik, nicht nur in München, sondern in der Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass Mieterinnen und Mieter auch weiterhin vernünftig in unserem Land leben können."
Im Münchner Büro des Statistikprofessors Göran Kauermann kann man den Vorstoß des Oberbürgermeisters nachvollziehen. Hier wurde gemeinsam mit dem Umfrageinstitut Kantar TNS der neue Mietspiegel 2019 erstellt:
"Was Herr Reiter vor hat, bringt Licht ins Dunkel. Das mag hilfreich sein, die politische Debatte dann auch quantitativ mit Zahlenwerk zu untermauern. Insofern ist das eher zu begrüßen."
"Per se keine juristische Bewandtnis"
Widerspruch erhält der Vorstoß von Oberbürgermeister Reiter von Steffen Sebastian vom Forschungsverbund Immobilien- und Kapitalmärkte an der Uni Regensburg und Mitinitiator der Berliner Mietspiegelkommission. Mietspiegel könnten generell nicht für Mieterhöhungen verantwortlich gemacht werden, betont er. Sei seien ein politischer Kompromiss. Selbst wenn mehrere Städte sich entscheiden würden, einen eigenen Spiegel zu erstellen - maßgeblich sei das Bundesgesetz so der Statistiker Kauermann:
"Na, solange der "echte" Mietspiegel keine juristische Relevanz hat wird sich nicht großartig was ändern. Alles, was da raus kommt, hat keine juristische Untermauerung. Insofern sehe ich da keine Gefahr. Wenn das die Kommunen alle machen wollen, herzlich gerne, und es mag dann vielleicht eine Abstimmung mit den Füßen geben, die dann wiederum zu einer politischen Änderung führt, aber per se hat das erstmal keine juristische Bewandtnis."
Der Mietspiegel erbost nicht nur Mieter, sondern auch die fairen Vermieter. Hausbesitzer Wolfgang Fischer hat die Mieten für seine Bewohner aufgrund des Wahnsinns extra eingefroren und sieht den Zwang, sich an die Vorgaben halten zu müssen, gar nicht ein:
"Das ist eine Frechheit, ich kann doch nicht Leuten, mit denen ich jahrzehntelang zusammen wohne sagen: Sie, da ist die Miete jetzt überall gestiegen um soundsoviel hundert Prozent, das mache ich mit meinen Leuten auch so. Das kann ich nicht. Was ist denn das? Da komme ich nicht mit. "