Rios berühmte Christusstatue trägt eine Goldmedaille um den Hals – zu diesem Titelblatt ließ sich das konservative Blatt "Veja" dieser Tage hinreißen: Brasilien, so die Botschaft, überrascht die Welt.
Ganz ehrlich, unterm Strich hat doch auch alles erstaunlich gut geklappt in dieser Stadt, die gerade eine ihrer schwersten Krisen durchläuft, in der Gewalt und Schießereien genauso zum Alltag gehören wie stundenlange Staus und Schlangen.
Leere Ränge in den Stadien
Gut, die Ränge blieben oftmals leer, das Wasser war irgendwann zu grün, eine Kamera ist abgestürzt. Dafür blieben die Stadiontribünen heile, die Segler haben das verschmutze Guanabara-Buchtwasser soweit überlebt und statt der gefürchteten Zika-Epidemie wurde keine einzige Infektion mit dem Virus gemeldet. Rio hat seine Besucher dagegen mal wieder mit seiner atemberaubenden Kulisse und Gastfreundschaft verzaubert, auch wenn die meisten Einwohner weder an Sportarten wie Synchronschwimmen und Dressurreiten interessiert waren, noch Zeit und Geld aufbringen konnten, die Stadien zu besuchen.
Also noch mal: Das war Rio 2016, Olympia in einem Land, in dem Tickets teils einen Mindestlohnes gekostet haben, es die Menschen gewohnt sind, stundenlang geduldig in Schlangen und Staus stehen und im Stadion zu schreien und zu jubeln, aber auch zu buhen und zu pfeifen. Wem das nicht olympisch genug ist, der mache seine Spiele doch bitte in Hamburg.
Dekadente Hochsicherheitsspiele
Rio wäre ohne die Bürde dieses Megaevents ohnehin besser gefahren. Der Gastgeber steckt in einer tiefen Krise, die öffentlichen Kassen sind leer. Das letzte Hemd ging nun für eine viel zu teure Sportparty drauf, die – überschattet von Doping und Korruptionsvorwürfen – selbst nur noch wenig mit dem olympischen Geist zu tun hat. Es waren dekadente Hochsicherheitsspiele, für die Zehntausende vertrieben und umgesiedelt wurden während das Internationale Olympische Komitee, Sponsoren und Baukonzerne mal wieder Rekordgewinne einfuhren.
Undurchsichtige Kosten
Zwar gab es große, bewegende Momente – wie die, als Rafaela Silva, eine dunkelhäutige Judoka aus der Favela Brasiliens erste Goldmedaille gewann. Es hätte aber viel mehr Rafaela Silvas geben können, doch die Chance, in eine nachhaltige Sportförderung zu investieren, wurde verpasst. Und dann die Infrastrukturprojekte, das hochgelobte Erbe der Spiele für die Stadt. Metro, neues Stadtzentrum, Parks. Doch: Für die Umsetzung waren die Interessen von Immobilienspekulanten ausschlaggebend, Alternativen wurden gar nicht angehört. Und die wahren Kosten für die Steuerzahler sind bis heute undurchsichtig.
Was also bleibt von diesen Spielen? Und vor allem: Wie viel wurde auf Sand gebaut und in den Sand gesetzt?
Auf der neusten Ausgabe des brasilianischen Blattes "Veja" prangt das Fotos von fünf in den Strand gezeichneten Ringen – und einer großen, herannahenden Welle.