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Bildung
Neues Schulfach soll Wirtschaftswissen stärken

Was ist soziale Marktwirtschaft? Was passiert an der Börse? Uni oder Ausbildung? Und welche Branchen bieten die besten Karrierechancen? Viele Schüler fühlen sich nach dem Schulabschluss mit solchen und ähnlichen Fragen allein gelassen. Ab dem Schuljahr 2016/2017 soll sich das ändern - mit einem neuen Schulfach.

Von Michael Brandt | 11.07.2015
    Ohne größere Ausschläge verläuft in Frankfurt am Main in der Börse die DAX-Kurve auf der Anzeigetafel.
    Ohne größere Ausschläge verläuft in Frankfurt am Main in der Börse die DAX-Kurve auf der Anzeigetafel. (picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    "Deswegen haben wir die Entscheidung, dieses Fach Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung jetzt an allen weiterführenden Schulen einzuführen, weil wir auch den Eindruck haben, dass nicht alle weiterführenden Schulen es als ihre Aufgabe betrachten.
    Die Haupt- und Werkrealschulen habe das bisher schon hervorragend getan. Und auch die Realschulen verstärkt. Bei den Gymnasien spielt das noch nicht die wichtige Rolle und gerade Gymnasiasten sagen uns oft, sie würden eigentlich gerne mehr darüber erfahren."
    Kultusminister Andreas Stoch ist sich ganz sicher: Das Fach Wirtschaft und Berufsorientierung wird kommen. In einem Jahr. In Haupt-, Werkreal- und Gemeinschaftsschulen ab der siebten Klasse mit fünf Stunden pro Woche, im Gymnasium von der achten bis zur zehnten Klasse mit drei Wochenstunden.
    Stoch beruft sich bei diesem Plan unter anderem auf die Jugendstudien, die das Ministerium in den vergangenen Jahren in Auftrag gegeben hat. Das Ergebnis jeweils
    "..dass Schüler klar formulieren, sie wollen in der Schule mehr darüber erfahren, was sie mit dem in der Schule erworbenen Wissen später anfangen können."
    Orientierung und Hilfestellung
    Und die Betonung liegt dabei auf in der Schule. In den Medien, vor allem natürlich im Internet, gibt es jede Menge Informationen über Ausbildungen, Studienplätze und mehr, aber gerade in dieser Informationsflut wollen die Schüler eine Art Scout, der sie durch Angebote führt, - sagt auch diese Gymnasiastin aus Stuttgart. Internet oder Lehrer?
    "Also das Zweite wäre auf jeden Fall viel besser, dann könnte ich auch direkt den Lehrer dann fragen, wie das wäre."
    An den Realschulen gibt es bereits ein Projekt namens BORS - Berufsorientierung an Realschulen - zu dem Unterricht, Praktika und eben individuelle Unterstützung durch Lehrer gehören, und Schüler finden das gut.
    "Wenn wir Fragen haben an den Lehrer, dann hilft der uns dabei; und wenn wir Fragen haben jetzt zu einer Bewerbung, dann hilft der uns."
    Auch Lehrer stimmen zu, dass Schüler mehr fachkundige Unterstützung brauchen, um am Ende der Schulzeit zu wissen, wie es weitergehen soll.
    "Wir werden überschüttet mit privaten Materialen, und die Schüler greifen da natürlich zu, weil die gut aufgemacht sind, da fließt eine Menge Geld rein. Und dass man das noch mal neutral sichtet - ein absolut gutes Anliegen."
    Unterschiedliche Vorstellungen
    Soweit also gibt es einen verhältnismäßig breiten Konsens. Wenn man genauer hinschaut, gibt es allerdings durchaus unterschiedliche Vorstellungen, ob die Berufsvorbereitung besser in einem eigenen Fach, oder in einem fächerübergreifenden Projekt stattfinden soll – eine Gymnasiallehrerin fragt:
    "Ein Fach hat die Garantie, dass es dann gemacht wird. Wenn man sagt: Fächerübergreifende Themen, dann haben alle so viel zu tun, dass es nicht dazu kommt. Das spricht für ein Fach. Dagegen spricht, dass es in ganz viele andere Bereiche eigentlich rein gehört."
    Umstritten ist außerdem, ob ein Doppelfach Wirtschaft/ Berufsorientierung der richtige Weg ist. Die Lehrergewerkschaft GEW etwa ist klar gegen ein Fach Wirtschaft, wenn es denn eine Vorstufe zur Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule wäre, so GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz:
    "Das ist nicht Aufgabe der Schule, zumal im Gymnasium zum Beispiel der Gemeinschaftskundeunterricht und Erdkunde dafür gekürzt wird."
    Ein Fach ist zu wenig
    Das wiederum sieht zum Beispiel die Opposition im Landtag ganz anders. Grade Wirtschaft, sagt CDU-Bildungspolitiker Georg Wacker, gehört in den Schulunterricht, und er fordert sogar ausdrücklich ein unternehmensfreundliches Klima in dem Fach.
    "Die jungen Menschen müssen verstehen, wie soziale Marktwirtschaft funktioniert, wie Unternehmen auch arbeiten. Es darf im Grunde kein kritisches Verhältnis entwickelt werden zu den wichtigen Arbeitgebern bei uns im Lande."
    Und was die Berufsorientierung angeht, stellt auch er fest, dass ein Fach für das wichtige Thema im Grunde zu wenig sei.
    Die befragten Schüler jedenfalls finden mehr Wissen über Wirtschaft und auch über ganz konkrete Unternehmen eher gut:
    "Ja also bei manchen Firmen würde es mich schon interessieren, wie die Tage da so ablaufen / Find ich nicht schlecht / Fände ich ganz interessant, ja."
    Aber es zeigt sich doch: Auch wenn Kultusminister Stoch schon ziemlich konkrete Pläne hat für das neue Fach und es schon in einem Jahr unterrichtet werden soll: Es gibt bis dahin noch jede Menge Details zu klären.