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Böse Überraschung am Golf von Neapel

Geophysik. -Der Vesuv ist ein ausgesprochen malerischer Vulkan. Weinberge Olivenhaine und Gärten an den Rändern der Millionenstadt Neapel ziehen sich die Flanken empor und werden von seinem charakteristischen Kegel überragt. Doch der Berg ist Europas gefährlichster Vulkan. Ein italienisch-französisches Geophysikerteam hat jetzt herausgefunden, dass seine Magmakammer beunruhigend groß ist. In der aktuellen Ausgabe von "Science" stellen sie ihre Erkenntnisse vor.

16.11.2001
    Rund 400 Quadratkilometer misst das Reservoir an verflüssigtem Gestein unter dem Golf von Neapel. Statt einer zylindrischen oder kugelförmigen Kammer unter dem Vulkankegel gibt es offenbar in acht Kilometern Tiefe einen ziemlich flachen, aber dafür ausgedehnten Speicher, der außer dem Vesuv auch noch die phlegräischen Felder im Osten der Metropole und die Schlote auf Ischia speist. "Darüber scheint es keine größeren Magmen-Ansammlungen zu geben. Die gesamte vulkanische Aktivität speist sich aus dieser tiefen Quelle", erklärt Professor Paolo Gasparini von der Universität Federico II. in Neapel. Damit ist die Kammer rund sechsmal größer als gedacht.

    Ähnliche Kammern haben die Geophysiker und den großen Vulkanen Japans und Amerikas gefunden. Damit gehört der Vesuv trotz seines relativ kleinen Kegels in die "Spitzengruppe" der Vulkane. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in ein dreidimensionales Computermodell des Vulkans und seines Unterbaus einfließen lassen, um die Überwachung zu optimieren. Die Magmakammer soll jetzt gezielt überwacht werden, damit man möglichst frühzeitig von einem Ausbruch erfährt. Gasparini: "Die nächste Eruption dürfte von einer Serie von Phänomenen wie Erdbeben begleitet wird, die in der großen Magmenkammer beginnen und dann langsam zur Oberfläche aufsteigen. Diesen Aufstieg können wir verfolgen, so dass wir Zeit haben werden zwischen dem Beginn des Phänomens und des Ausbruchs." Schließlich wäre bei den erfahrungsgemäß explosiven Ausbrüchen des Vesuv der Ballungsraum Neapel in höchster Gefahr. Eine Vorhersage kann damit freilich nicht geleistet werden. Es geht im Bestfall um eine Verlängerung der Vorwarnzeit.

    [Quelle: Dagmar Röhrlich]