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Brand im Nationalmuseum in Rio de Janeiro
Katastrophe für die Kultur Brasiliens

Große Teile des brasilianischen Nationalmuseums in Rio de Janeiro sind durch einen Brand zerstört worden. 20 Millionen Ausstellungstücke sind womöglich für immer verloren. Allerdings: Für viele Brasilianer ist dies ein Drama mit Ansage. Denn die Katastrophe hätte verhindert werden können.

Von Anne Herrberg | 03.09.2018
    Feuerwehrleute versuchen einen Brand im brasilianischen Nationalmuseum zu löschen - ein Großbrand hat weite Teile des brasilianischen Nationalmuseums in Rio de Janeiro zerstört.
    In der Nacht vom 2. auf den 3. September hat ein Großbrand im brasilianischen Nationalmuseum große Teile wertvoller Sammlungen zerstört (dpa / Fabio Teixeira)
    Die Flammen schlagen in den Nachthimmel, fressen sich immer weiterhinein in den altehrwürdigen Bau - sie erfassen alle drei Stockwerke, den Innenhof, die Seitenflügel. Das 200 Jahre alte historische Nationalmuseum in Rio de Janeiro brannte in der Nacht auf Montag lichterloh, die dramatischen Bilder gingen um die Welt. Dazu kam: Die Feuerwehr verlor wertvolle Minuten, weil ein zwei Hydranten nahe des Museums nicht funktionierten.
    Das Löschwasser musste aus einem See herantransportiert werden, erklärt ein freiwilliger Helfer aufgebracht vor Journalisten. Erst in den frühen Morgenstunden des Montags, nach stundenlangem Kampf gegen die Flammen, gelang es den rund 80 Einsatzkräften den Brand unter Kontrolle zu bringen. Bei Tageslicht wird das Ausmaß der Zerstörung sichtbar.
    "Das ist ein enormer Verlust für Brasilien. Denn das Museum hat unsere Geschichte gehütet. Die Geschichte unserer Wissenschaft, die Geschichte unserer akademischen Studien, das Erbe der Kaiserzeit. Ich kann nur wiederholen, es ist ein unersetzbarer Verlust",
    sagt João Carlos Nara, der am Nationalmuseum die Abteilung für den Schutz des nationalen Kulturgutes leitet. Es ist das größte Natur- und Völkerkundemuseum Lateinamerikas und eines der ältesten Museen in Brasilien - allein der Bau atmet Geschichte: Der portugiesischen Königsfamilie in Brasilien diente es als Residenz. König João VI. hat das Museum vor 200 Jahren, im Jahr 1818 gegründet, um Wissenschaft und Forschung zu fördern. 13.000 Quadratmeter, mehr als 20 Millionen Exponate umfasst die Sammlung. Joao Carlos Nara erklärte zwar:
    "Einige Artefakte konnten gerettet werden, sei wurden bereits in Fahrzeuge verpackt und werden in Sicherheit gebracht, die staatliche Universität von Rio begleitet und beaufsichtigt diesen Prozess."
    Kulturelles Gedächtnis vernichtet
    Doch das gesamte historische Archiv sei nur noch ein Haufen Asche. Teilweise zerstört oder zumindest schwer beschädigt ist auch ein Großteil der Sammlung. Kunstschätze, die nicht nur Brasiliens Geschichte wiederspiegeln, auch die älteste Münzsammlung Lateinamerikas lagert dort. Das 1831 angelegte Herbarium beherbergte 550.000 Pflanzen. Die Bibliothek umfasste 537.000 teils extrem seltene Werke. Dazu umfasste die Sammlung ägyptische Mumien, griechisch-römische Kunstwerke, das älteste in Brasilien gefundene menschliche Fossil und den größten in Brasilien gefundene Meteoriten namens "Bendego" mit einem Gewicht von 5,3 Tonnen.
    Präsident Michel Temer sprach von einem tragischen Tag für Brasilien, doch für viele klingen die unterstützenden Worte wie Hohn, so auch für eine Passantin:
    "Das ist eine Tragödie, aber eine vorhersehbare. Deswegen nenne ich es einen Gewalttakt gegen uns alle, das Archiv war ein Schatz für die ganze Welt."
    Auch der Vizedirektor des Museums, Luiz Fernando Dias Duarte, warf den Behörden vor, das Museum sträflich vernachlässigt zu haben. Eine Regierung nach der anderen habe sich geweigert, die für den Erhalt des Gebäudes dringend erforderlichen Mittel bereitzustellen. Bei vielen Brasilianern mischte sich in die Trauer über den Verlust zahlreicher unwiederbringlicher Kulturgüter Zorn über das schlechte Management. Lehrkräfte und Studierende der Bundesuniversität von Rio de Janeiro (UFRJ), die mit dem Museum verbunden ist, riefen für Montag zu einer Protestkundgebung vor dem zerstörten Gebäude auf.