"Mich fragen sehr viele Kunden, ob das Kloster noch in Betrieb ist, weil sie auch hierherkommen und Mönche sehen wollen. Sie sind immer ganz enttäuscht, wenn ich dann sage, seit 1817 existiert das Kloster als solches nicht mehr. Von daher wäre es auch ein touristischer Punkt – schön wäre es auch, wenn sie bestimmte Gebiete übernehmen. Es wurde in der Zeitung geschrieben, dass sie in der Jugendarbeit aktiv werden sollen und in der Seelsorge, das würde ich natürlich sehr gut finden."
Das erzählt Buchhändlerin Marion Gollhardt. Sie betreibt ein kleines Antiquariat am Kloster Neuzelle. Wer durch das große Tor die weitläufige Anlage mit Museen, der barocken Klosterkirche und einem Park betritt, kommt direkt an ihrem Buchladen vorbei. Neuzelle ist das schönste und einzige barocke Kloster in Brandenburg, aber seit seiner Säkularisation vor 199 Jahren nicht mehr von Mönchen bewohnt. Nun haben sich nach mehrmonatigen Prüfungen Zisterziensermönche aus Heiligenkreuz bei Wien entschieden, das Kloster neu zu beleben. Bis 2018 möchten hier acht Brüder wieder beten, arbeiten und leben. Im Stift Heiligenkreuz wird ein konservativer Katholizismus gepflegt, der frühere Papst Benedikt XVI. wird dort fast wie ein Heiliger verehrt, die hauseigene Hochschule trägt seinen Namen. Heiligenkreuz hat derzeit 98 Mönche, eine Rekordzahl.
Kulturelle Bereicherung
In Brandenburg gehören nur knapp drei Prozent der Einwohner der katholischen Kirche an. Zuständig für die Immobilien und Ländereien des ehemaligen Klosters ist die staatliche "Stiftung Neuzelle". Dem Stiftungsrat steht Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch vor.
Sie sagt: "Ich hab mich persönlich sehr darüber gefreut, über die Entscheidung des Ordens in Österreich, weil ich denke, dass es eine ganz große kulturelle Bereicherung – eine kulturelle Bereicherung auch was das betrifft: Ich meine in einem Kloster erwartet man eigentlich, dass das irgendetwas mit mönchischen Leben auch zu tun hat. Und das Kloster ist vor knapp 750 Jahren von Zisterziensern gegründet worden und es schließt sich da ein ganz schöner Kreis, wenn wir zu dieser 750 Jahrfeier vielleicht wieder tatsächlich Zisterzienser dort haben, die dort beten, die ihre Rituale dort ausführen und die dort einfach leben."
Gerade zeigt das Kulturministerium eine Ausstellung über Brandenburgs Klöster: In Chorin, Lehnin, Ziesar und in der Stadt Brandenburg an der Havel gab es wichtige Orte monastischen Lebens. Heute finden hier Konzerte statt. Es gibt denkmalgeschützte Ensembles und Museen, aber Nonnen und Mönche wirken darin nicht mehr. Dazu Martina Münch:
"Deswegen ist es ja gerade so schön, dass es zu dieser Wiederbesiedlung möglicherweise kommen wird. Wir haben eine ganze Menge von Klöstern im Land, teilweise als Ruine, wenn sie beispielsweise an Kloster Chorin denken – insofern lebt der Brandenburger mit diesen Baudenkmalen in einer kirchlichen Tradition, einer mönchischen Tradition, die es in dieser Form tatsächlich so nicht mehr gibt. Es gab ja im Vorfeld schon einen Besuch der Mönche, die haben sich das vorher angeschaut und haben eine Weile dort in Neuzelle gelebt und sind in ihrer Tracht und ihrem Orden auch auf die Straße gegangen. Die Menschen haben sie sehr offen aufgenommen, sehr neugierig, haben sich darüber gefreut, insofern sehe ich das ganze sehr positiv."
"Ein Kloster ist mehr als Kultur"
Aber nur aus kulturellem Interesse kommen keine Ordensmänner in den äußersten Osten Deutschlands. Das betont auch Pater Meinrad, ein gebürtigen Wiener, der seit über 40 Jahren zu den Zisterziensern in Heiligenkreuz gehört. Fast 20 Jahre war er in Rom Generalprokurator des Ordens, also für die Verwaltung zuständig.
"Wichtig ist, glaub ich, dass man erkennt, dass ein Kloster ein geistlicher Ort sein soll", sagt der. "Wir haben gesagt, wir wollen nicht das Sahnehäubchen auf einer kulturellen und Event Ort sein. Die Stiftung hat es sich zum Ziel genommen, die Kultur aufrecht zu halten. Aber ein Kloster ist mehr als nur Kultur."
2017 jährt sich die Säkularisation des Klosters Neuzelle zum 200. Mal. Das wäre doch für die Zisterzienser ein guter Anlass, das Klosterleben wieder zu erwecken. Doch die wirtschaftliche Basis muss stimmen. Das sieht auch Pater Meinrad so:
"Ein Kloster muss sich selber irgendwie erhalten können. Wir haben in Österreich sehr viel Arbeitsseelsorge, Pfarreien, Schule und hier müsste man halt sehen, was dann das richtige Aufgabengebiet wäre. Hier ist ein großes Gymnasium mit 500 Schülern und ich hab den Pfarrer gefragt über den Religionsunterricht. Und er hat gesagt, da gibt es keinen Religionsunterricht. Also das wäre sicher auch ein Aufgabengebiet, jungen Menschen etwas über den Glauben zu erzählen. In diesem Ort gibt's hier viele Geschäfte, Restaurants, Brauerei – alles hat den Vornamen KLOSTER, bis hin zur Apotheke, die heißt Kloster-Apotheke. Den Namen haben sich alle schon angeheftet. Natürlich bei uns in Heiligenkreuz – wir haben auch eine Tankstelle, die wir besitzen, wir haben auch eine große Buchhandlung, das Weingut, ein Sägewerk, die Forstwirtschaft – das ist hier alles in anderen Händen – also hier müsste man ein ganz anderes Konzept entwickeln."
Vielfältige Nutzung
Schon vor Monaten versuchte der Ideengeber der Neubesiedlung, der katholische Bischof Wolfgang Ipolt aus Görlitz, die Voraussetzungen mit den staatlichen Stellen zu klären. Aber die gegenwärtige Nutzung des Klosterareals ist recht komplex.
Kulturministerin Martina Münch sagt: "Also ich hab den Bischof damals signalisiert, dass ich das für eine gute Idee halte, aber natürlich müssen wir jetzt, wo es konkret wird intensiv in Gespräche und Verhandlungen eintreten, denn das Kloster Neuzelle ist ja kein leerstehendes Kloster, das ist ein sehr großes Gebäudeensemble, das seit 20 Jahren als Stiftung im Besitz des Landes Brandenburg auch dort sehr viel investiert wurde. Wir haben ungefähr 50 Millionen an öffentlichen Mitteln reingesteckt, um das Kloster zu dem wieder werden zu lassen, was es jetzt ist. Und wir haben eine Reihe von Nutzern. Es gibt ein großes privates Gymnasium, die haben auch eine Musikschule, eine angeschlossene Sprachschule. Dann gibt es die katholische und die evangelische Kirche, die in Neuzelle nebeneinander her, die Gebäude genutzt hat. Die Katholiken vom Bistum Görlitz haben dort ihre Bistumswallfahrt hingemacht, sie nutzen das regelmäßig. Und außerdem gibt es die Stiftungsverwaltung, die vor Ort ihre Büros hat und die auch die Güter, die Forsten verwaltet, die dem Kloster zugeschrieben sind. Es ist also kein freies Gebäude da, wo man sagen könnte, ja prima, das wäre jetzt der richtige Ort für die Mönche."
Befremden, aber auch Neugier
Bei den Verhandlungen zwischen den gegenwärtigen und künftigen Nutzern muss ein Interessensausgleich auch in finanzieller Hinsicht gefunden werden. Wann genau die Mönche aus Heiligenkreuz ihren Konvent eröffnen werden, lässt Bischof Ipolt - der schon als Theologiestudent zu DDR Zeiten Ende der 70er-Jahre in Neuzelle im Priesterseminar lebte - noch offen:
"Ein konkretes Datum kann ich noch nicht nennen. Es sind jetzt wichtige Gespräche und Verhandlungen mit der Stiftung zu führen, da wir ja als katholische Kirche und als Bistum nicht Eigentümer der Gebäude sind. Ich gehe davon aus, dass Mitte 2018 das gelingen wird. Es werden sicher noch nicht die Räume für das Kloster fertig sein, denn da müssen baulich Dinge noch geklärt werden."
Finanzielle und ideelle Unterstützung für das Vorhaben könnten auch von anderen Diözesen Deutschlands kommen:
"Ich habe in der Bischofskonferenz von mehreren bischöflichen Mitbrüdern sehr positive Zeichen gehört. Viele die sich mitfreuen. Ich weiß ja, dass andere Diözesen auch gebeten haben, um so eine Neu- oder Wiedergründung, die dann eine Absage bekommen haben. Ich merke da gibt's eine große Freude drüber, dass jetzt mal Brandenburg und der Osten Deutschlands dran gekommen ist."
Die Klosterneugründung im kirchenfernen Umland löst hier und dort Befremden aus. Aber auch Neugier: Buchhändlerin Marion Gollhardt ist selbst keine Christin. Sie sagt: "Neuzelle ist ja im Prinzip schon eine kleine katholische Insel immer gewesen und hat sich durch die Zeiten gerettet. Ich denke, es hat auch ein Umdenken stattgefunden. Man sieht jetzt Religion anders, egal welche das nun ist, man sieht es offener und es ist auch eine Sache des gegenseitigen Respektes."