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Brot und Spiele

Es sollte ein gewohnt bunter Abend mit einem großen Aufgebot an Weltstars werden. Doch die letzte "Wetten, dass...?"-Show im ZDF endete für einen Kandidaten im Krankenhaus. Was sagt der Showunfall über das Fernsehverhalten der TV-Zuschauer aus?

Von Christian Floto | 11.12.2010
    Die Grundversorgung sei Sache der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, hat das BVG erstmals 1986 festgestellt. Inhaltlich ist das nie präzisiert worden: Wie viel Nachrichten, wie viel oder überhaupt Polittalk, wie viele selbst gestrickte Lieb- und Leid-Serien im Programm von ARD, ZDF oder Dritten aufzutauchen haben. Oder Shows im Format von "Wetten, dass...?" mit Anspruch des loriotschen Familienoriginalbenutzers für die Dame, für den Herrn, für das Kind. Eine Sendung also für fast alle Altersgruppen.

    Ein Vierteljahrhundert ist seit der ersten Feststellung eines Grundversorgungsauftrags vergangen. Liegt aber ein Dinosaurierformat von damals wie "Wetten dass" überhaupt noch in der Zeit? Und das, zumal immer mehr Kandidaten die Gesetze heutiger Aufmerksamkeitsökonomie für sich zu entdecken scheinen?

    Der behandlungsbedürftige Schock einzelner Saalbesucher, die mutmaßliche Traumatisierung Einzelner, die nach derzeitiger medizinischer Erkenntnislage beileibe keine alberne Einbildung ist, sprechen eine klare Sprache. Nein, in einer Sendung für alle Altersklassen darf es solche Überraschungen nicht geben. Wer Boxen schaut oder Autorennen, muss als Zuschauer auf den Thrill und Unfälle vorbereitet sein; diese Sensationssuche ist für manche führendes Motiv zu derartigem Fernsehkonsum.

    Eine solche Bedürfnislage mag zwar auch jemand haben, der eine Show mit Wetten und Sangesheulern anschaut. Allein: Öffentlich-rechtliches Fernsehen hat sie im Rahmen solcher Konzepte, die mal harmloses Buntstiftschlecken veranstalten, um im nächsten Moment im wahrsten Sinne bedauerliche halsbrecherische Manöver zu inszenieren, nicht zu bedienen.

    Doch in der kakofonen Diskussion von Konsequenzen sitzt das ZDF offenkundig nun in einer selbst verantworteten Falle. The Show must go on, heißt es. Man mag vermuten: Alles andere könnte als Mitschuld- oder Irrtumseingeständnis ausgelegt werden. Schlimmer aber noch: Es gibt offenkundig zum Bestehenden keine Alternative. Über so viele Jahre hat es der Sender mit seiner Hauptredaktion "Show" nicht geschafft, tragfähige alternative Sendekonzepte zu etablieren , während andere mit ziemlich simplen Casting- oder Quizkonzepten mindestens vergleichbare Einschaltungen erzielen – wenn das denn ein Maßstab sein soll.

    Vielleicht ist auch alles konzeptionell ausgelutscht. Es gibt nichts Neues unter der Sonne, das mehr oder anderes Publikum noch mit teurer Show vor dem flimmernden Fernsehkamin versammeln könnte.

    Ja und? Wäre das nicht die Stunde für andere Formate, die vor lauter Kochen, Quatschen und Pseudomenscheln an den ZDF-Rand oder ins Off gedrängt wurden? Die vielleicht sogar präziser im Mittelpunkt des öffentlich-rechtlichen Fernsehens stehen sollten. Der Leiter der Sächsischen Staatskanzlei zum Beispiel befördert derzeit Diskussionen über den Kern des gebührenfinanzierten Rundfunks. Er sitzt übrigens wie zahlreiche andere Persönlichkeiten der Politik selber an verantwortlicher Schaltstelle. zum Beispiel im ZDF- Fernsehrat. Und dort auch im Ausschuss für die Sendungen der Programmdirektion. Da kann er jetzt richtig wirken. "Wetten, dass...?" macht’s - erforderlich.