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Bundesverdienstmedaille für Leseförderung
Mit Kindern hemmungslos über Bücher diskutieren

Bundespräsident Joachim Gauck zeichnet heute junge Menschen mit der Bundesverdienstmedaille aus. Die jüngste ist die 21-jährige Freya Schwachenwald. Sie hat bei den Lübecker Bücherpiraten Kinder und Jugendliche fürs Bücherlesen und fürs Geschichtenerzählen begeistert.

Von Nadine Dietrich | 05.06.2015
    Die 21-jährige Freya Schwachenwald aus Lübeck wurde von Bundespräsident Joachim Gauck mit der Bundesverdienstmedaille für Leseförderung ausgezeichnet.
    Freya Schwachenwald hat sich für die Leseförderung stark gemacht. (Deutschlandradio / Nadine Dietrich)
    Freya Schwachenwald betritt das Kinderliteraturhaus in der Lübecker Altstadt – ein Strahlen geht über das Gesicht der 21-jährigen Studentin. Dieses Haus, das vom Verein der Bücherpiraten betrieben wird, war jahrelang ihr zweites Zuhause. "Also hier war ich wöchentlich mehrmals, und klar, dann gab's noch die ganzen Sachen, die ich Zuhause gemacht habe: die Rezensionen zu schreiben, E-Mails zu verfassen, Pressemitteilungen zu verfassen, also es hat schon eine Menge Zeit ausgefüllt. Und ich hab hier tatsächlich die Entdeckung gemacht, dass man durch Lesen und Literatur ganz viel anregen kann. Also mitzumachen, sich Sachen zu wagen, Sachen zu gestalten und das in Gemeinschaft."
    Freya Schwachenwald hat vor zwei Jahren begonnen, "Europäische Medienkultur" zu studieren, gerade lebt sie in Frankreich. Aber auch noch dort überlegt sie sich neue Bücherpiraten-Projekte. Gerade ist es eine Lese-Rallye durch Lübeck: An verschiedenen Orten der Stadt sollen Kinder die einzelnen Kapitel einer Detektivgeschichte per QR-Code auf ihr Smartphone laden können.
    Immer wenn Freya Schwachenwald in Lübeck ist, schaut sie im Kinderliteraturhaus vorbei. Sie steigt die Wendeltreppe hoch in den ersten Stock. Im Gemeinschaftsraum treffen sich gerade die Jungredakteure von der Blauen Seite. Dieses Literaturportal im Internet hat Freya Schwachenwald mit gegründet.
    Jeden Monat lesen zwischen 20.000 und 22.000 Jugendliche bis zu 200.000 Artikel auf der Blauen Seite. Es ist das erfolgreichste Literaturportal von und für Jugendliche in Deutschland. Das liegt auch an den vielen Buchbesprechungen und Interviews von Freya Schwachenwald. Wie viele es genau waren, weiß sie nicht. Der Leiter der Bücherpiraten, Martin Gries, will es wissen und sucht im Portal. Bjarne, ein Jungredakteur sucht parallel mit.
    "Sag mal, was hast du dein Leben lang gemacht, als du hier noch gelebt hast?" – "Ich bin jetzt bei 50." – "Ich bin auch bei 50." – "Rezensionen geschrieben" – "60" – "Mein Gott! Wenn man das ausrechnet, wie viel Zeit das gedauert hat." – "Ja! Eigentlich fast immer wenn ich ein Buch gelesen habe, hab ich tatsächlich auch eine Rezension dazu geschrieben oder es zumindest versucht, das zu machen. Also sind 'ne Menge." – "Bummelig 140, so." – "Okay, das hätte ich selber nicht gedacht. Ich hab ja nicht mitgezählt."
    Büchertafel verteilt zu Weihnachten Büchergutscheine
    Mit neun Jahren besuchte Freya Schwachenwald zum ersten Mal das Bücherpiraten-Festival: ein Lesefestival für Kinder. Sie wusste sofort: Das ist mein Ding! Mit Gleichaltrigen gründete sie die Autorengruppe, in der sie über selbst geschriebene Geschichten redeten. Sie organisierte erst das Bücherpiratenfestival mit, später die Jugendbuchtage. Schon mit 14 Jahren leitete sie ihre erste eigene Gruppe: die Schmökerbande.
    "Da hat mir besonders gut gefallen, dass man mit Kindern so hemmungslos über Bücher diskutieren kann, wie viel Fantasie man anregen kann. Also es hat mir sehr, sehr viel Spaß, die Geschichten außerhalb des Buches weiterzuspinnen. Und auch mit Wörtern zu spielen, also kreativ um das Buch herum zu sein und das nicht einfach nur als Buch zu sehen."
    Eine Herzensangelegenheit von Freya Schwachenwald ist die von ihr mitgegründete "Büchertafel": Jedes Kind, das von der Lübecker Tafel versorgt wird, soll zu Weihnachten einen Büchergutschein im Wert von 15 Euro bekommen. "Einfach aus dem Gedanken, dass auch Kinder ein Buch haben sollen, die es sich sonst nicht leisten können. Das ist der Grundgedanke dahinter. Und es soll auch ein Buch sein, dass ihnen nicht aufgesetzt wird, was wieder ein Zwang wäre, sondern es soll ein Buch sein, das sie sich selber aussuchen können und deswegen die Büchergutschein und nicht einfach Bücher."
    Die Büchertafel geht jetzt ins dritte Jahr und von Frankreich pflegt Freya Schwachenwald den Kontakt zu den Unterstützern des Projekts.