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Cannabis
Bremen will kontrolliertes Kiffen erlauben

In Bremen vertreibt ein Versandhandel Produkte, die zum Anbau und zur Produktion von Cannabis verwendet werden könnten. Der Polizei ist das ein Dorn im Auge - viele Kunden stehen bereits unter Beobachtung. Um den Handel von Cannabis auf dem Schwarzmarkt zu stoppen, fordert die Bremer Regierungskoalition eine kontrollierte Abgabe.

Von Almuth Knigge | 08.04.2016
    Getrocknete Cannabis-Blüten
    Die rot-grüne Koalition in Bremen will die kontrollierte Abgabe von Marihuana erlauben. (imago / JuNiArt)
    Gewerbegebiet Werderpark – ganz am Rande von Bremen. Zwischen Bürobedarf und Autozulieferern hat UDOPEA seinen Sitz - Großhandel für Raucherbedarf und Pflanzenzuchtanlagen für den Kunden mit dem besonderen Geschmack – so steht es auf der Internetseite – die Lagerhalle ist quasi anonym.
    "Hallo. Ich war angemeldet sozusagen."
    "Hallo."
    Heiner steht in der Poststelle. Er macht hier eine Lehre als Groß- und Einzelhandelskaufmann. Udopea ist ein Ausbildungsbetrieb. Heiner hält das Lagersystem auf dem aktuellen Stand, kommissioniert die Ware,
    "und dann verschicke ich das Zeug von Chile bis Kamtschatka in alle Welt."
    "Echt? Global Player."
    "Naja, Global Player nennt man ja die Mächtigen, aber wir verschicken auch in die Ganze Welt."
    Produkte könnten zur Herstellung von Cannabis dienen
    Hüseyin Beypinar-Ehlerding, genannt Hubey, ist der Chef. Er ist ein Bremer Versandhändler, der sich durchaus mit einiger Virtuosität auf der Schwelle zur Illegalität bewegt. Das zeigt ein Blick auf das Warenangebot.
    "Also das ist hier quasi die Bücherecke, ja, das ist freie Literatur, wir dürfen Bücher vertreiben, in denen auch beschrieben wird, wie Cannabis angebaut wird, wir dürfen Zeitschriften verteilen, in denen die neuesten Hanfsorten beschrieben werden, wie THC-reich sie sind und alles, das ist halt freie Information nur wir dürfen unseren Kunden nicht sagen, dass sie das nachmachen sollen, um Gottes willen, das ist verboten."
    Es gibt Bücher über den Cannabis-Anbau oder wie man seine eigenen Stecklinge züchtet. Einen Raum weiter dann Raucherbedarf, Glaspfeifen, Dünger, Erde, Pflanzenschutzmittel. Alles für die ambitionierten Hobbygärtner. Man könnte, ganz wichtig ist hier der Konjunktiv, man könnte das, was hier verkauft wird, auch zur Herstellung und dem Konsum von Cannabis benutzen. Das tun die, die hier kaufen aber natürlich nicht und Hubey würde sie natürlich auch nie dazu auffordern – sobald das Gespräch darauf kommt, stellt er das sofort richtig. Und das, obwohl jeder Zwanzigste laut Statistik sich ab und zu einen Joint dreht und sich damit strafbar macht.
    Polizei hat Kunden im Visier
    "Deswegen muss man die ganze Geschichte auch mal anders betrachten ne, man muss nicht nur sehen, ob das gut ist oder nicht sondern man muss auch die Realität anerkennen, dass wir jetzt seit 60 Jahren Prohibition haben, dass das nichts gebracht hat außer Opfer, und das die Kriminalität weiter steigt, die Mafia damit richtig viel Geld verdient, also dass, was da jetzt läuft ist Original ein Mafia-Förderprogramm des Staates."
    Die Polizei hat ihn und seine Kunden im Visier. Seit zwei Jahren, erzählt er, sei der Verfolgungsdruck massiv gestiegen. Und das im liberalen Bremen, wo sich die Regierungskoalition die Legalisierung in den Koalitionsvertrag geschrieben hat – erst vor kurzem erklärte Wilko Zicht, der innenpolitische Sprecher der Grünen.
    "Wir sind gemeinsam der Auffassung, dass es allerhöchste Zeit ist für neue Wege in der Drogenpolitik und wir wollen, dass Bremen dabei die Vorreiterrolle einnimmt."
    Nur durch die Legalisierung könne man den Schwarzmarkt dauerhaft und effizient austrocknen und jede Aufklärung schütze besser vor Drogenmissbrauch als jegliche Strafandrohung. Kontrolliertes Kiffen, so meint Rot-Grün in Bremen, soll das ändern. Kontrollierte Abgabe, das heißt eben auch kontrollierte Qualität also kein Dreck in der Tüte der für gesundheitliche Schäden sorgt - wie gemahlenes Glas oder andere schädliche Zusätze. Insofern, findet rot-grün in Bremen, könnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Entkriminalisierung und Gesundheitsschutz.
    Kirsten Kappert-Gonther: "Wir sagen nur die aktuelle Drogenpolitik, die Drogenpolitik der Kriminalisierung, die hat dem Gesundheitsschutz überhaupt nicht geholfen und wir kennen es aus anderen Ländern, aus den USA oder auch aus Uruguay, das dort ganz deutlich zu sehen war, dass über eine kontrollierte Freigabe oder auch eine Legalisierung der Gesundheitsschutz deutlich gestiegen ist."
    Mehr Geld für Strafverfolgung als für Präventionsarbeit
    Eigentlich sogar drei – denn für die Strafverfolgung wird derzeit noch neun mal so viel Geld ausgegeben wie für Präventionsarbeit. Denn, erklärt Steffi Dehne, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD:
    "Cannabis ist ja keine harmlose Droge aber es gibt wie bei Alkohol ja auch einen eigenverantwortlichen Umgang mit Cannabis, der durchaus möglich ist, gerade bei Erwachsenen."
    Hubey zeigt derweil sein Lager. Abluftsysteme, Luftbefeuchter, Lampen, Blunts, Bürsten. Er verfolgt die politische Diskussion aufmerksam. Seit Jahren organisiert er in Bremen den Global Marihuana Marsch. Der nächste findet am 7. Mai statt.
    "Doch diese Aktionen sind schon hilfreich, sie finden ja Gehör bei der Gesellschaft, ne, die Gesellschaft wird aufgeklärt und nicht nur von Leuten wie mir, mir kann man ja immer unterstellen, ich hätte ein wirtschaftliches Interesse"
    Dabei ist die Diskussion, spätestens seit der Freigabe bei medizinischer Indikation, eine Ideologische. Und solange das so ist, finden auch solche Produkte reißenden Absatz.