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Chance verspielt

Hamburg wollte ein Jahr lang als Umwelthauptstadt Europas ein grünes Image aufbauen. Allerdings ist es so gekommen, wie Kritiker es von Anfang an befürchteten: Hamburg hat sich grün gegeben, doch die Bilanz ist mager.

Von Verena Herb | 19.12.2011
    "Die Umwelthauptstadt ist eine gute Idee – aber die Chancen wurden in Hamburg verspielt."

    Die Bilanz von Alexander Porschke, dem Vorsitzenden des Umweltverbandes NABU fällt eindeutig aus. Die Politik habe sich nicht genügend eingesetzt, Großprojekte wurden nicht vorangebracht oder sogar ganz gestrichen. Kritik also vor allem an Olaf Scholz und seinem SPD-Senat:

    "Es wurde die Stadtbahn aufgegeben. Es wurde die City-Maut-Planung aufgegeben. Es wurde einer Umweltzone eine Absage erteilt. Der autofreie Tag wurde gecancelt. Landstromanschlüssen wurde eine Absage erteilt."

    Dabei wäre genau das ein umweltpolitisch richtiger Schritt gewesen, so die Naturschützer: Stromanschlüsse für die großen Container- und Kreuzfahrtriesen im Hamburger Hafen an Land bereitzustellen, damit diese für die Stromversorgung nicht die Maschinen weiterlaufen lassen müssten und so CO2 in die Luft pusten. Nach Meinung des zuständigen Wirtschaftssenators Frank Horch sei das in der Hansestadt jedoch nicht umsetzbar. Entsprechend fällt die Beurteilung der Grünen Partei aus: Der SPD-Senat habe aus "Hasenfüßigkeit" etliche Maßnahmen vom Tisch gefegt. Anstatt Hamburg weiter nach vorne zu bringen, sei die amtierende Regierung die umweltfeindlichste seit 30 Jahren. Olaf Scholz, der erste Bürgermeister, sieht das naturgemäß anders. Er wehrt sich gegen die Kritik – verkündet stattdessen:

    "Im Jahr der Umwelthauptstadt schafft Hamburg die Voraussetzung für die Energiewende."

    Vor gut zwei Wochen hat Olaf Scholz mit Vattenfall und E.ON Hanse publicitywirksam eine Absichtserklärung unterzeichnet: Hamburg übernimmt 25,1 Prozent der Energieversorgungsnetze, deren Konzessionsverträge Ende 2014 auslaufen. Und: Es werden insgesamt Investitionen von 1,6 Milliarden Euro in moderne umweltfreundliche Energieerzeugung und Nutzung gesteckt.

    Fakt ist: Hamburg ist über Nacht nicht zur ökologischen Metropole Deutschlands geworden – in diesem Maße hatte das wohl auch niemand erwartet. Doch der Großteil der Stimmen, gerade Oppositionspolitiker sagen: Der Titel war reine PR. Obwohl selbst die Umweltverbände meinen: Nicht alles war schlecht. Und einige positive Dinge kann man hervorheben: So hat man mit der Kampagne "Mein Baum – meine Stadt": 300.000 Euro an Spenden für 588 neue Straßenbäume gesammelt und die Stadt übernahm die Kosten für symbolische 2011 Bäume, die neu in Hamburg verpflanzt wurden.

    Auch hat sich was getan beim Müllrecycling - auch wenn Hamburg nach wie vor Schlusslicht beim Recycling ist im deutschlandweiten Vergleich. Doch dafür sind mehr Kunden auf Ökostrom umgestiegen.

    Und der "Zug der Ideen" – eine Ausstellung, die in 2011 durch Europa gezogen ist, um das Hamburger Konzept der Umwelthauptstadt zu erläutern, sei im europäischen Ausland auf großes Interesse gestoßen. Vier Millionen hat diese Marketingkampagne gekostet. Nach Meinung von Jutta Blankau, SPD-Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt, hat sie sich gelohnt:

    "Für die Umweltpolitik, für die Darstellung Hamburgs im Ausland ist es außerordentlich erfolgreich gewesen. Medial gewesen waren wir in den wesentlichsten Medien der europäischen Länder. In den Städten wo der Zug war, und haben einerseits für die Umweltpolitik geworben. Aber andererseits auch für Hamburg als Stadt."

    Hamburg war nach Stockholm die bislang zweite Umwelthauptstadt Europas. Im kommenden Jahr darf sich dann Vitoria-Gasteiz in Nordspanien "European Green Capital" nennen.