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Comicband Busengewunder
"Das waren alles Themen, wo ich eine extreme Wut hatte"

Die feministische Comic-Kolumne "Busengewunder" aus dem Tagesspiegel erscheint nun als Buch. Autorin Lisa Frühbeis erzählt, welche Wendung sie in der Comicszene wahrnimmt und erklärt, warum #metoo in ihrem Buch gar nicht vorkommt.

Von Sarah Mahlberg | 22.05.2020
Titelbild von Lisa Frühbeis' Comicband "Busengewunder"
Zwei Jahre lang hat Lisa Frühbeis monatlich einen Comic für den Tagesspiegel gezeichnet (Carlsen Verlag)
Es ist eine Erleichterung, "Busengewunder" aufzuschlagen. Männer sind nicht stark, Frauen sind nicht nackt. Alle sind einfach da und haben etwas an. Schon erwähnenswert für einen Comic. Gerade Verlage wie Marvel haben es sich fast zur Tradition gemacht, Frauen sexualisiert darzustellen. Autorin Lisa Frühbeis ist es dagegen ein Anliegen, mit alten Klischees aufzuräumen und besonders mit dem, was Bilder anrichten können.
Keine kleinen Frauen in defensiven Posen mehr
Lisa Frühbeis: "Was sind typisch weibliche und typisch männliche Posen? Das ist wahnsinnig klischeeaufgeladen. Wieviel Raum nehmen die Figuren im Bild ein? Dann hast du ganz oft die Männer sehr groß sehr dominant, die nehmen ungefähr 70 Prozent des Bildes ein und die Frauen sind oft klein und in sehr defensiven Posen."
Comiczeichnerin Lisa Frühbeis
Comiczeichnerin Lisa Frühbeis (Carlsen Verlag)
Im "Busengewunder" ist die Hauptfigur eine Frau, die auch mal breitbeinig im Restaurant sitzt. In insgesamt dreißig Episoden erlebt sie skurrile Begegnungen, führt vehemente Debatten oder zeigt, was passiert, wenn man Geschlechtertrennung aufs Äußerste treibt und sie zum Beispiel für einen "rosa Hammer extra für Frauen" auch noch mehr Geld zahlen soll. Die Episoden sind autobiografisch. Jede hat ein anderes Farbschema. Mal rot, mal apricot, mal rosa und hellblau.
Zwei Jahre lang hat Lisa Frühbeis monatlich einen Comic für den Tagesspiegel gezeichnet. Beispielsweise über die Tatsache, dass es in Paris bis 2013 ein Gesetz gab, das es Frauen verbot, Hosen zu tragen. War die Kolumne auch dazu da, Dampf abzulassen?
Lisa Frühbeis: "Auf jeden Fall! Ds war eigentlich das Hauptding. Das waren alles Themen, wo ich gerade eine extreme Wut hatte."
Viele junge Comicmacherinnen kommen nach
Parallel zu Lisa Frühbeis‘ Arbeit beim Tagesspiegel kam im Oktober 2017 die #metoo-Debatte auf. In "Busengewunder" findet die Bewegung jedoch kein einziges Mal Erwähnung. Frühbeis sagt, sie habe #metoo lange unterschätzt, dann aber festgestellt, dass der Einfluss auch die Comicszene verändere. Heute gebe es viel mehr feministische Comics als früher.
"Ich hab total das Gefühl, dass ganz viele junge Comicmacherinnen nachkommen, denen das total egal ist, wie Comic früher war und die einfach selber Geschichten erzählen wollen."
Der Comic als Nischenmedium sei dafür sehr praktisch. Niedrigschwelliger Einstieg, man könne schnell loslegen und seine Werke online stellen. Den Weg über die Zeitung gehe man heute kaum noch, sagt Lisa Frühbeis.
"Zeitungen publizieren kaum mehr Comics. Ich war auch eine der Letzten, die im Tagesspiegel publiziert wurde. Das ist jetzt auch abgeschafft worden und inzwischen ist das ins Netz gewandelt."
Inspirationen in der Mittagspause
Als der Tagesspiegel die Kolumne überraschend einstellte, hatte sie noch viel Material, von dem einiges Neues auch in das Buch geflossen ist. Themenanregungen für "Busengewunder" fand Lisa Frühbeis auch in der Mittagspause.
"Ich war in 'nem Freelancer-Büro mit lauter Männern und da haben wir einfach jeden Mittagstisch total lang diskutiert und irgendwann hab ich gemerkt: 'Boah, wir drehen uns so im Kreis mit unseren Diskussionen, die Armen. Ich hab irgendwie jetzt auch keinen Bock mehr.' Dann hab ich angefangen, die Themen in die Comics zu verballern. Und das war dann total spannend, weil den Comic haben sie dann total gern gelesen."
"Busengewunder" ist ein guter Comic, um im Gespräch zu bleiben. Die Episoden sollen auch Leute ansprechen, die sich mit Feminismus sonst wenig befassen. Das geht zu Lasten von nicht-binären und Transpersonen, die im Comic kaum vorkommen.
Wer ohnehin Feministisches liest, wird hier kaum Neues erfahren , denn es geht um altbekannte Ungerechtigkeiten wie Menstruation, die biologische Uhr, die natürlich tickt, der Gender Pay Gap. Trotzdem sind die Zeichnungen einfach witzig. Zum Beispiel die, auf der eine Pariserin in ihren neuen Jeans den panischen Gendarmen mit Siegeslächeln aus dem Bild jagt.