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Das etwas andere Rheuma

Fibromyalgie ist eine schwere chronische Krankheit. Betroffene haben Schmerzen in Muskeln und Gelenken und kämpfen dadurch mit Schlafstörungen, geschwollenen Füßen und Konzentrationsschwäche. Entspannungstechniken und eine speziell Diät können helfen.

Von Martin Winkelheide | 21.02.2012
    "Ich hab am Tisch gesessen beim Essen, mir sind vor Rückenschmerzen die Tränen gelaufen. Ich bin heute Morgen zu kalt geworden. Bewegung ist das A und O. Hinlegen und sich Bejammern, und sich ins Bett legen: Ich hab solche Schmerzen, ich kann nicht - das ist total verkehrt."

    Anita Komischke aus Bergisch Gladbach bei Köln ist 68 Jahre. Lange schon lebt sie mit Schmerzen. Begonnen hat es vor 26 Jahren.

    "1986. Da fing an, dass ich wahnsinnige Rückenprobleme hatte, Schulter- Arm-Probleme, immer Kopfschmerzen, Magen-Darm-Bereich. Der ganze Körper war durcheinander, aber keiner konnte mir sagen, was ich hatte."

    Die Beschwerden werden schlimmer. Der Orthopäde verordnet Schmerzmittel, Spritzen, Vitaminpräparate. Nichts hilft. In der Klinik suchen Ärzte nach den Ursachen für die Schmerzen - und finden keine Erklärung.

    "Dann haben die mit mir Massagen, Bewegungsbad und alles Mögliche an Physiotherapie gemacht; alles hat nichts gebracht. Und dann bin ich total zusammengebrochen. Haben sie mich ein Vierteljahr in eine psychosomatische Klinik geschickt nach Bad Dürkheim. Ich bin da mit 53 Kilo rein und mit 72 raus, nach zwei Wochen musste ich mir alles neue Klamotten kaufen, da passte nichts mehr, mit Medikamenten bis obenhin zu."

    Es beginnt erneut ein Ärztemarathon. Ein Neurologe schickt sie schließlich an die Universitätsklinik Köln.

    "Und die haben denn da mich drei Wochen stationär aufgenommen, und nach zweieinhalb Wochen stand dann die Diagnose."

    1992 - nach sechs Jahren, bekommen die Beschwerden einen Namen: Fibromyalgie.

    "Man muss die Krankheit akzeptieren. Man muss das Leben total umstellen."

    Anita Komischke lernt die Fibromyalgie-Selbsthilfegruppe in Köln kennen und schätzen.

    "Dann wurde ich auch wieder selbstbewusst, ich war immer ein sehr selbstbewusster und selbstständiger Mensch, aber ich war da nur noch ein Häufchen Elend."

    Sie merkt: Bestimmte Lebensmittel verschlimmern ihre Beschwerden. Normales, glutenhaltiges Brot etwa.

    "Den ganzen Winterkohl kann ich vergessen. Das habe ich aber selber schon gemerkt, dass ich danach immer todkrank wurde. Dann die oxalsäurehaltigen Nahrungsmittel wie Spargel, Spinat, Mangold, Rote Beete. Dann geht es mir ziemlich schlecht, wenn ich die esse."

    Auch viele Früchte sind für sie tabu.

    "Kiwis, Ananas, Stachelbeeren, Bananen, Weintrauben."

    Seit 1999 leitet Anita Komischke die Selbsthilfegruppe Fibromyalgie in Bergisch Gladbach.

    "Da muss jeder seinen Weg finden. Es gibt nicht die Fibromyalgie, die ist auch bei jedem anders."

    Ein wichtiges Thema dort - immer wieder: die richtige, die passende Entspannungstechnik zu finden.

    "Wir sind ja immer in einer Anspannung. Sagen Sie mal einem Fibromyalgie-Patienten, er soll sich entspannen. Das ist sehr, sehr schwer. Den Weg muss man erst einmal finden, um in die Entspannung zu kommen. Dem einen tut das gut, dem anderen tut das gut, macht Entspannungstechniken, da kann auch nicht jeder das gleiche machen. Das muss jeder selber suchen. Ich biete dann in Gesundheitsseminaren mit Referenten verschiedene Entspannungstechniken an. Die Krankenkassen unterstützen diese Seminare, und wenn man das auch macht, weiter macht, auch zu Hause macht, man muss immer was tun, jeden Tag was für sich tun. Ich mach im Sportverein Refrath Seniorensport, da beginnen wir mit so einem Kardio-Aufwärmtraining, dass die Muskulatur warm wird, der Kreislauf in Schwung kommt. Und dann machen wir Dehnübungen, viele Dehnübungen, an- und entspannen, das ist wichtig. Und mal so Spiele zwischendurch zum Auflockern, muss ja auch was Spaß dabei haben, dass wir auch lachen, eine Stunde, und das reicht. "

    Entspannung, Atemübungen, Bewegung. Das hilft Anita Komischke, mit den Schmerzen zu leben. Und Ablenkung:

    "Wenn wir unseren Enkel hier haben, dann tut mir nichts weh, aber wenn er weg ist, dann bin ich kaputt."