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Das Geschäft mit der Krankheit

Etwa 200.000 Patienten aus dem Ausland lassen sich jährlich auf eigene Kosten in Deutschland behandeln. Fragwürdige Vermittlungsagenturen profitieren von dem Geschäft mit der Krankheit und erhalten von den deutschen Kliniken Provisionen.

Von Christiane Hawranek und Marco Maurer | 19.09.2013
    Eine staubige Turnhalle in Yoshkar Ola, rund 700 Kilometer östlich von Moskau. Etwa 100 Mädchen im Grundschulalter tragen knallgelbe, pink- und lilafarben glitzernde Gymnastikanzüge. Nadeshda Fadeeva schaut ihrer Tochter Ruslana beim Aufwärmen für einen Wettbewerb in rhythmischer Sportgymnastik zu, stellt sich auf die Zehenspitzen, wenn sich ihre Tochter nach oben streckt. Ruslana hat – im Gegensatz zu den anderen Kindern – erst vor zwei Jahren, mit sieben, angefangen mit dem Sport.

    "Bei ihrem ersten Wettbewerb habe ich einfach nur geweint, weil ich so glücklich war, dass Ruslana jetzt auch mitmachen kann, wenn du vorher nur daran denkst, dass dein Kind überlebt, nicht wie es weitergeht. Und jetzt, wenn die Trainer sagen, 'Ihr Kind ist super und macht Fortschritte…. Das freut mich einfach, das kann man mit Worten nicht beschreiben'."

    Als Ruslana vier Jahre alt war, plagten das Mädchen ständige Bauchschmerzen, oft kam sie nachts zu den Eltern ins Bett gekrochen und weinte. Nach vielen Fehldiagnosen von russischen Ärzten, die eine onkologische Erkrankung stets bestritten - schließlich doch die Gewissheit: Ruslana litt am Burkitt-Lymphom, einer Art von Lymphdrüsenkrebs.

    "Wir vertrauen den Ärzten hier nicht. Wir wollten unser Kind retten, da war uns alles andere egal – an Geld haben wir da nicht mehr gedacht, wir hätten alles für unsere Tochter getan. Wenn die Heilungschancen in Deutschland bei 81 Prozent liegen und in Russland bei 80 Prozent, dann würden wir immer sagen, wir fahren nach Deutschland nur wegen diesem einen Prozent."

    Die krebskranke Ruslana wurde in Deutschland behandelt – und ist damit eine von etwa 200.000 ausländischen Patienten, die pro Jahr hierher reisen. Laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft schrieben 2012 die Hälfte der deutschen Kliniken rote Zahlen. Patienten aus dem Ausland zu behandeln, ist lukrativ – aber umstritten wegen der Provisionen, die Krankenhäuser häufig an Vermittlungsagenturen zahlen, denn damit "kaufen" sie quasi Patienten am Markt ein. Dabei besagt ein Gerichtsurteil des Landgerichts Kiel aus dem Jahr 2011, dass Provisionszahlungen von Krankenhäusern an Vermittlungsagenturen sittenwidrig sind, denn: Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient sollte nicht "durch Kommerzialisierung" gestört werden.

    Dennoch: Gesetzlich verboten waren solche Provisionen bisher nicht. Das soll sich nun aber mit dem Anti-Korruptions-Gesetz im Gesundheitswesen ändern. Morgen wird der Bundesrat über das Gesetz entscheiden. Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Jens Spahn:

    "Spahn: Es soll bedeuten, dass jeder, der im Gesundheitswesen tätig ist, wenn sie sich einen finanziellen oder anderen Vorteil gewähren lassen, dafür, dass sie bestimmte Dinge verschreiben oder jemanden überweisen, bis zu drei Jahre Haftstrafe oder eine Geldstrafe in Aussicht stehen haben. Dass sie mit einer deutlichen Strafe rechnen müssen."

    Ob das Anti-Korruptionsgesetz allerdings tatsächlich verabschiedet wird, zweifeln Gesundheitsexperten an – ein Grund dafür ist, dass die Opposition der Regierung so kurz vor der Bundestagswahl kein "Geschenk" machen möchte. Außerdem geht vielen das Anti-Korruptions-Gesetz nicht weit genug. Diese Auffassung teilt auch SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach – der ein solches Gesetz prinzipiell allerdings für nötig hält.

    "Lauterbach: Es sind hier große Rechtsunsicherheiten. Unseriöse Patientenvermittler, unseriöse Ärzte, arbeiten gezielt mit Ärzten zusammen, die empfänglich sind. Das ist echte Korruption, da muss in das Strafrecht herein und das sind dann auch insgesamt viele Fälle, weil das sind ja auch Wiederholungstäter, die von diesem Geschäftsmodell leben."

    Die Mehreinnahmen von Krankenhäusern für Behandlungen von Patienten aus dem Ausland belaufen sich jährlich auf eine Milliarde Euro, schätzt Jens Juszczak. Der Wissenschaftler von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg forscht seit zehn Jahren zum Medizintourismus. Etwa zwei Drittel der deutschen Kliniken, die Auslandspatienten behandeln, vertrauen auf die Dienste von Vermittlungsagenturen. Doch Juszczak ist überzeugt: Längst nicht alle dieser Agenturen sind wirklich seriös.

    "Hier soll ja einem Menschen geholfen werden, dort entsprechend die beste Leistung, die beste Behandlungsqualität für seine Krankheit zu finden und er soll nicht in ein Krankenhaus vermittelt werden, das vielleicht die höchste Provision zahlt, aber nicht den besten Behandlungsstandard bieten kann."

    Die internationalen Patienten, etwa aus arabischen Ländern oder Russland, sind "Selbstzahler". Teilweise müssen sie bis zu dreimal mehr als ein Kassenpatient an deutschen Kliniken für ihre Behandlung zahlen – das zeigt eine Studie von Wissenschaftler Jens Juszczak. Und auch der Bundesärztekammer liegen entsprechende Rechnungen vor. Bundesärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery betrachtet die Entwicklung mit zwiespältigen Gefühlen:

    "Medizintourismus oder genauer gesagt, die Suche von schwerstkranken Patienten nach guter medizinischer Versorgung ist grundsätzlich begrüßenswert. Das darf aber nicht zu einem – was der Name Tourismus impliziert – zu einem billigen Geschäft werden, sondern das muss auf Einzelfälle, auf hochkomplexe Krankheitsbilder und auf schwierige Situationen beschränkt bleiben."

    Doch - das Gegenteil passiert. Das beobachtet ein Arzt, der sich in der Bundesärztekammer engagiert. Er möchte seinen Namen nicht im Radio hören. In einer E-Mail schreibt er:

    "Da sich viele Kollegen im deutschen Gesundheitswesen mutwillig unterbezahlt fühlen, sind ausländische Patienten ein willkommener ökonomischer Ersatz. Natürlich gibt es auch in zunehmender Zahl 'Krankenschlepper'. Die 'Vermittlungsgebühr' fällt häufig genauso hoch wie die Krankenhausrechnung aus. Hier wird schamlos die Sprachlosigkeit ausgenutzt."

    Krankenschlepper - damit meint er Patientenvermittler, von denen es nach Schätzungen von Medizintourismus-Forscher Jens Juszczak etwa 1.000 in Deutschland geben soll.

    Auch die Familie Fadiw aus Yoshkar Ola hatte sich an solch eine Medizintourismus-Agentur mit Sitz in Nordrhein-Westfalen gewandt, die im Internet um Kunden wirbt. Eine russischstämmige Patientenvermittlerin unterbreitete am Telefon das Angebot: Wenn Roman Fadiw 100.000 Euro überweise, könne die Familie schon am nächsten Tag nach Deutschland reisen. Dort könne dann die krebskranke Tochter in einem Krankenhaus behandelt werden, habe man ihnen damals versprochen, erzählt Roman Fadiw. Also nahm die Familie einen Kredit auf, verkaufte die Wohnung, die Autos, lieh sich Geld von Freunden. Doch die Familie fühlte sich von der Agentur schlecht betreut, erzählt Nadeschda Fadiwa:

    "Wir hatten eine Dolmetscherin, die war eigentlich Deutschlehrerin, aber mit Medizin hat sie sich einfach nicht ausgekannt. Und es wurden wichtige Dinge besprochen – ob Ruslana eine Operation braucht zum Beispiel, aber an den entscheidenden Fragen hat die Übersetzerin dann gesagt: Das kann ich nicht übersetzen, das verstehe ich selber nicht!"

    Vater Roman Fadiw wurde misstrauisch. Er wollte bei der Agentur die Rechnungen der Klinik einsehen. Doch dort wurde er immer wieder vertröstet. Per Zufall fand Fadiw heraus: Statt der von der Agentur veranschlagten Kosten von 100.000 Euro, hatte das Krankenhaus lediglich 40.000 Euro in Rechnung gestellt. Roman Fadiws Ärger war groß.

    "Im ersten Kostenvoranschlag war von zehn Prozent Vermittlungsgebühr die Rede, das finde ich auch in Ordnung. Aber so viel mehr einzubehalten als die eigentliche Behandlung kostet…? Die bereichern sich an verzweifelten Menschen!"

    Zudem hatten die Fadiws besagte 100.000 Euro lediglich als eine Kaution verstanden. Wenn die Krebsbehandlung ihrer Tochter weniger kosten würde als veranschlagt, so dachten sie jedenfalls, würde es – abzüglich des Anteils der Agentur – zurück auf ihr Konto überwiesen werden.
    Dass es sich um eine Kaution handelt, bestätigt auch ein Teilurteil des Landgerichts Hagen, vor dem die Familie seit drei Jahren einen Prozess gegen die Agentur führt. Im Schreiben des Anwalts heißt es:

    "Ich halte es für angebracht, den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens abzuwarten."

    Dieses Verfahren wird seit Anfang September am Landgericht Hagen fortgesetzt, der Streitwert liegt bei 45.000 Euro. Das Urteil wird für Ende Oktober erwartet.

    In Deutschland kann sich jeder als Patientenvermittler bezeichnen. Es ist kein geschützter Beruf, weder gibt es eine Qualitätskontrolle noch ist medizinisches Fachwissen dafür erforderlich. Hört man sich um in dieser Branche, reagieren die befragten Vermittler der Agenturen oft einsilbig – oder verweisen auf die Konkurrenz: Stets sind es die anderen, die mit "Fangprämien" arbeiten, also Kopfgeld von den Krankenhäusern verlangen. Nur ein russischsprachiger Patientenvermittler gewährt einen kleinen Einblick. Auch er möchte seine Stimme nicht im Radio hören – zu groß ist die Angst vor den Folgen:

    80 bis 90 Prozent der Vermittler arbeiten unseriös. Wir schlagen überall was auf den Preis drauf; beim Fahrer, beim Hotel. Die Krankenhäuser wählen wir so aus: Wer zahlt uns die höchste Provision? Mit den Patienten machen wir dann Pauschal-Verträge; ja, man könnte schon sagen, das sind Knebelverträge. Sie haben keine Ahnung, wofür genau sie eigentlich bezahlen, die Original-Rechnungen von der Klinik kriegen die gar nicht zu Gesicht.

    Auch die Familie Fadiw aus Yoshkar Ola sah von ihrer Agentur nie eine Originalrechnung. Marlies von Borries ist der Ansicht, dass die Provisionszahlungen ungerechtfertigt hoch waren. Sie leitet das Büro für internationale Patienten am Uniklinikum Düsseldorf. Der Agentur der Fadiws hat die Klinik inzwischen die Zusammenarbeit aufgekündigt.

    "Wir lernen doch! Das sind die Erfahrungen, die wir gemacht haben, unter anderem mit dieser Firma."

    Mit welchen Versprechungen locken die Vermittler die Patienten an deutsche Kliniken? Klären sie sie vorher über die Kosten auf?

    "Das wissen wir nicht. Alleine eine Sache zwischen Vermittler und Patient, wir sind nicht involviert. Aber der Vermittler kommt ja gar nicht mit dem Patienten hierher. Er ruft an oder stellt sich vor und sagt: Wenn ich Ihnen Patienten bringe – was zahlen Sie?"

    Doch mit diesen Vermittlern wolle die Düsseldorfer Uniklinik keine Verträge abschließen, sagt von Borries. Ganz auf die Kooperation mit Agenturen verzichten will man dort aber auch nicht, denn: Der Vorteil besteht für die Klinik darin, dass sich die Vermittler darum kümmern, dass die Patienten die Behandlungen auch bezahlen. Diesen Service lagert die Klinik an die Agenturen aus – ohne sie dafür mit einer Provision zu entlohnen, betont Marlies von Borries.

    "Für unsere Klinik gilt der Leitsatz: 'Wir zahlen keine Provisionen!' Tun wir nicht. Das schließt schon von vorneherein eine größere Gruppe von Patientenvermittlern aus."

    Dem Deutschlandfunk liegen E-Mails von mehreren Kliniken, Ärztezentren und Arztpraxen vor, in denen einer Vermittlungsagentur solche Provisionen zugesagt werden. Wie Auszüge daraus zeigen, kann eine Provision für Patientenvermittler durchaus bei 15.000 Euro liegen – wenn die Behandlung selbst – wie bei einer Lebertransplantation – besonders teuer ist. Dabei orientiert sich die Provision an der Fallpauschale - also dem Fixpreis, den ein normaler Kassenpatient in Deutschland für Operation und Nachbehandlung zahlen müsste.

    Vermittler in unserem Haus erhalten eine Pauschale von 10 % auf den Rechnungsbetrag.

    Sie betreuen den Patienten von Anfang bis Ende und erhalten hierfür 15 Prozent Provision auf die medizinischen Behandlungskosten.

    Konfrontiert mit der Sachlage, dass deutsche Kliniken Fangprämien an Patientenvermittler zahlen, schreibt die Deutsche Krankenhausgesellschaft:

    Für die Vermittlung von Patienten darf kein Geld fließen.

    Dieser Ansicht ist auch das Bundesgesundheitsministerium, dessen Sprecher schreibt:

    … dass Patientenvermittlung gegen eine Provision sittenwidrig ist.

    Konfrontiert mit den E-Mails, in denen sie Provisionen zusagen, reagieren die Kliniken, Ärztezentren und Praxen unterschiedlich: Die einen streiten es ab, andere wollen ihr Bezahlmodell künftig umstellen. Die Euromed Klinik in Fürth und das kommunale Klinikum Nürnberg, sprechen von Aufwandsentschädigungen statt von Provisionen. In einer E-Mail des Kliniksprechers heißt es:

    "Statt der bisher vereinbarten pauschalen Aufwandsentschädigung in Höhe von 10 und 15 Prozent der Behandlungskosten wird das Klinikum Nürnberg der vermittelnden Person künftig grundsätzlich den von ihr erbrachten Betreuungsaufwand adäquat vergüten."

    Daher begrüßt Anke Martiny von Transparency International das neue Antikorruptionsgesetz, das morgen im Bundesrat verhandelt wird. Die Vereinigung European Heatlthcare and Corruption Network hat ermittelt, dass etwa 5,6 Prozent der Gesamtkosten im Gesundheitswesen in falsche Kanäle fließen – durch Fehlverhalten, Betrug und Korruption. Bezogen auf Deutschland wären das 13,5 Milliarden Euro, die nicht für die Patientenversorgung ausgegeben werden, sondern beispielsweise für Provisionszahlungen - und zwar nicht nur, wenn Patienten aus dem Ausland von Agenturen nach Deutschland vermittelt werden. Provisionen fließen auch dann, wenn ein Arzt einen Patienten an einen anderen Kollegen überweist, betont Anke Martiny.

    "Es wird auch gesagt, dass besonders teure Patienten, die viel Geld einbringen, weil sie eben lange Behandlungen brauchen und viele Medikamente, dass die richtig hin- und hergeschoben werden, da wo es am profitabelsten ist für die Beteiligten."

    Dieses Fehlverhalten im Gesundheitswesen soll künftig das Anti-Korruptions-Gesetz unter Strafe stellen. Doch: Wo genau beginnt Korruption, und was sind "nur" unmoralische Angebote? CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn:

    "Wenn jemand nen Kugelschreiber bekommt oder einen Block, ist das kein Problem. Schwierig wird es, wenn es Geldflüsse sind – oder Gegenstände von hohem Wert, Computerausstattung zum Beispiel und v.a., wenn dem auch ein versprochenes Wohlverhalten gegenübersteht – ich überweise meinen Patienten zu bestimmtem Kollegen oder verschreibe ihm ein bestimmtes Medikament, dann ist es ganz klar Korruption."

    Das Gesetz soll Bestandteil des Sozialgesetzbuches werden. Genau das kritisiert aber der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach. Er hätte sich gewünscht, dass die Regelung im Strafgesetzbuch verankert wird:

    "Nur so kann auch entsprechend ermittelt werden, so kann beispielsweise in das Arztgeheimnis eingegriffen werden, wenn das notwendig ist oder hier kann das komplette Ermittlungsinstrumentarium der Staatsanwaltschaft auch genutzt werden, bei den schweren Fällen mit dem Strafrecht. Dieser Paragraph wird nicht viel bewirken."

    Ortswechsel: Die Personalkantine einer Klinik in Nürnberg. Die Bayerische Landesärztekammer hat Ärzte zur Fortbildung gebeten mit dem Titel "Welchen Informationen können Ärzten noch trauen?". Mit zweifelhaften Angeboten und Vergünstigungen hat hier fast jeder Teilnehmer schon seine Erfahrungen gemacht:

    "Sponsoring von Geräten, von Reisen, Museumsbesuchen und was es da alles gibt, die sind in jeder Hinsicht fragwürdig, weil sie einer Berufsgruppe zukommen, die aufgrund Ihres sonstigen moralischen Anspruchs strenger gemessen wird."

    Der Grundtenor unter den Teilnehmern an der Fortbildung: Das Anti-Korruptions-Gesetz ist dringend notwendig, denn bisher haben Pharmavertreter leichtes Spiel, mit Ärzten zweifelhafte Verträge einzugehen. Diese Verträge sollen bewirken, dass zum Beispiel ein bestimmtes teures Markenmedikament häufiger verschrieben wird als die Konkurrenzprodukte auf dem Markt.

    "Ärztin: Es gibt unter Ärzten, Apothekern schwarze Schafe und die muss man rausfiltern!"

    Laut einer Studie des Verbands der Gesetzlichen Krankenversicherung, kurz GkV, sind Bestechungen in jeder vierten stationären Einrichtung gängige Praxis. Für Ann Marini Pressesprecherin beim GkV gehören sie sogar zum Alltag.

    "Das kann in Form von Geld sein oder dass verschiedene Weiterbildungen finanziert werden oder bestimmte Geräte und Ärzte, Kliniken finden sich da sowohl auf der Geber- als auch auf der Nehmerseite."

    Die Provisionszahlungen für ausländische Patienten an Patientenvermittler sind dabei nur ein Beispiel von vielen. Auch Bundesärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery findet: Es dürfe keine unseriösen Agenturen geben – und wenn es nottut, eine Zertifizierungsstelle aufzubauen, sei die Bundesärztekammer gerne dabei.

    Solche Zertifizierungsstellen sollen dafür sorgen, dass keine Provisionen zwischen Klinik und Patientenvermittler fließen und dass die Verträge zwischen Vermittlungsagenturen und ausländischen Patienten transparent sind. Dann würde es den Patienten nicht mehr so ergehen wie der Familie der ehemals krebskranken Ruslana, die eine horrende Summe für die Behandlung ihrer Tochter an die Agentur gezahlt hat. Sieben Stunden dauerte allein die Beweisaufnahme Anfang September am Landgericht Hagen. Roman Fadiw ist dazu extra aus Yoshkar Ola angereist.

    "Ich gehe davon aus, dass die Wahrheit siegen wird und ich war geschockt von der Zeugin, die die Patientenvermittlerin mitgebracht hat, denn man konnte erkennen, dass sie die ganze Zeit gekichert hat und einfach nur geschwommen ist. Die Agentur hat nichts anderes gemacht als einen Anruf zu tätigen, um nach dem Klinikum zu suchen, und uns vom Flughafen abzuholen und ob das wirklich 60.000 Euro kostet? Das glaube ich nicht."

    Nach wie vor ist die Familie stark verschuldet. Das Gerichtsurteil fällt frühestens Ende Oktober. Die Familie Fadiw hofft nun darauf, zumindest einen Teil des Geldes von der Agentur zurückzubekommen.