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Das Internet und die Journalisten

Das Internet hat den Journalismus verändert. Ereignisse in der jüngsten Vergangenheit zeigen das: Zum Beispiel als die Internetplattform Wikileaks die US-amerikanische Geheimdokumente an Zeitungen weitergab. Danach entwickelte sich auch eine breite Diskussion zur Rolle und zum Selbstverständnis der Journalisten.

Von Suzanne Krause | 03.03.2012
    "WikiLeaks war für uns eine wichtige Etappe: Uum ersten Mal haben wir in solchem Umfang wochenlang Geheimdokumente veröffentlicht."

    Sylvie Kauffmann war Chefredakteurin von "Le Monde", als das französische Referenzblatt Ende 2010 unzählige US-diplomatische Telegramme publizierte. Abgedruckt jedoch wurde nur, was journalistisch gegengecheckt war, das Gros der in den Geheimdepeschen genannten Namen unkenntlich gemacht.

    "All das bedeutete für die Redaktion einen sehr hohen Aufwand. Viele unserer Journalisten haben in einem Hinterzimmer Tag und Nacht die Dokumente bearbeitet. In den fünf Zeitungen waren insgesamt knapp 120 Journalisten am Werk. Einen solchen Aufwand können uns wir nicht jeden Tag leisten. Kritiker warfen uns vor, die totale Transparenz führe zu totalitären Verhältnissen, zur Diktatur. Das stimmt nicht: wir haben für eine verantwortungsbewusste Transparenz plädiert. Wir bestimmten, was wir aufdecken."

    Sylvie Kauffmann weiß von keiner Anzeige gegen die beteiligten Medien. Einige amerikanische Beamte hätten ihren Job verloren. Die Zeche jedoch zahle Bradley Manning; der amerikanische Soldat spielte WikiLeaks die Unterlagen zu und ist nun des Hochverrats angeklagt. Und WikiLeaksgründer Julian Assange wurde mundtot gemacht.]

    "Vor einem Jahr noch dachten wir, dass es weitere Enthüllungen von Whistleblowern geben würde. Manche Medien haben sogar extra Webseiten im WikiLeaks-Stil aufgemacht. Meines Wissens nach trug das keine Früchte. Die Regierungen hingegen ebenso wie große Unternehmen haben ihre Schutzmaßnahmen verschärft, im Westen und im Rest der Welt. Überall sind die Schrauben angezogen worden."

    Die Mehrheit der veröffentlichten US-Dokumente war alles andere als brisant. Doch der Wirbel um ihre Publikation regte öffentliche Debatten zu staatlicher Geheimniskrämerei an. Alljährlich stempelt beispielsweise die amerikanische Regierung Millionen Dokumente als Geheimsachen ab. Schweden ist weltweit das einzige Land, das seinen Bürgern Einblick in alle Behördendokumente gestattet. Eine Auskunftspflicht ist auch französischen Behörden unbekannt. Doch Ende letzten Jahres schaltete die Pariser Regierung eine umfangreiche Datenbank im Internet frei. In Deutschland hat kürzlich die SPD-Fraktion einen Entwurf ausgearbeitet für ein "Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern".

    "Der beste Weg, Korruption und Fehlverhalten bei Regierungen und Behörden aufzudecken, ist ein besserer Schutz von Whistleblowern."

    Sagt die amerikanische Journalistin und Internet-Spezialistin Heather Brooke. Der Abhör-Skandal rund um das Traditions-Blatt "News of the World", ein Flaggschiff der Murdoch-Gruppe, hat den Glauben in den britischen Journalismus erschüttert. Die Reporter nutzten auch Internet, um ihre Opfer zu bespitzeln. Jetzt schlägt der Staat zurück: mit Ermittlungen in bislang ungekanntem Ausmaß, sagt Cherilyn Ireton, Geschäftsführer beim "World Editor Forum".
    "171 Polizisten ermitteln zu den Vorfällen in einer Zeitung, es ist einfach unglaublich. Rechtsanwälte geben Quellen preis, das bricht alle Regeln des Journalismus. Das ist wirklich ein Problem."

    Klare Regeln für die Kontrolle von Medien-Trusts wie die Murdoch-Gruppe verlangt Aidan White, beim Global Editors Network verantwortlich für die Koalition für Journalisten-Ethik. White postuliert zudem:

    "Wir müssen Strukturen aufbauen, zur Selbstregulierung der Medien und für eine verstärkte ethische Praxis. Wir brauchen mehr Ausbildung, es muss mehr in den Journalismus investiert werden."

    Qualitätsjournalismus wird auch in Zukunft unersetzbar sein, hält der Menschenrechtskommissar beim Europarat fest: in einer kürzlich veröffentlichten Broschüre zum Thema "Menschenrechte und eine sich verändernde Medienlandschaft". Die Frage ist nur, wie er angesichts des Niedergangs der traditionellen Presse finanziert werden soll.