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"Das ist eine Kampfansage"

Über die Frauenquote herrscht in der schwarz-gelben Koalition keine Einigkeit. Besonders innerhalb der CDU/CSU-Fraktion variieren die Meinungen. Kurz vor der entscheidenden Abstimmung ruft Volker Kauder nun über ein Zeitungsinterview quasi Fraktionszwang aus. Abgeordnete anderer Parteien kämpfen weiter für die Quote.

Von Verena Herb |
    "Frauen, Frauen, noch mal Frauen …"

    Ekin Deligöz setzt sich für die Sache ein. Mit aller Kraft. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete hat einen vollen Terminplan. Doch ein Interview zu diesem Thema muss möglich sein. Also trifft man sich früh am Morgen. Die 41-Jährige ist erst in der Nacht aus Hamburg zurückgekommen – in einer knappen Stunde muss sie den Flieger nach Stuttgart erreichen. Der Schlafmangel ist ihren müden Augen anzusehen. Doch die blitzen auf, als es um das Thema "Frauen in Führungspositionen" geht.

    "Wenn es drauf ankommt, sind wir nicht mit dabei. Da oben. Und das wollen wir jetzt verändern. Und das ist eine Kampfansage."

    Bestand die Kampfestruppe einst nur aus Mitgliedern der Oppositionsparteien, ziehen zwischenzeitlich auch Frauen von Union und FDP ins Geschlechtergerechtigkeits-Gefecht. Allen voran Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen. Bereits im September 2012 erklärte sie:

    "Ich möchte, dass wir aufrichtig festlegen, wie wir den Weg dahin schaffen, dass mindestens ein Drittel der Positionen für Frauen in Führungspositionen da sind. Europa ist längst aufgewacht. Nicht nur die EU-Kommission, sondern auch die Nachbarländer sagen inzwischen: So geht´s nicht weiter. Haben ihre Quoten eingeführt. Quoten sind Ziele. Orientierung. Und daran sollten wir uns messen."

    Nächsten Donnerstag wird die wohl wichtigste - da letzte - Schlacht in dieser Legislaturperiode zu diesem Thema geschlagen: Der Bundestag stimmt über einen Gesetzentwurf aus dem Bundesrat zur Einführung einer Frauenquote ab. Bis 2018 sollen 20 Prozent der Aufsichtsratssitze mit Frauen besetzt sein. Fünf Jahre später, 2023 - 40 Prozent. Ekin Deligöz:

    "Es wird spannend, und es wird knapp. Wenn ich von dem ausgehe, was einzelne Kolleginnen auf diversen Podiumsdiskussionen, Bundestagsreden von sich geben, müsste ich eigentlich schon glauben, dass wir eine Mehrheit haben."

    Der Deutschlandfunk fragte diverse Unionspolitikerinnen für ein Interview an. Zunächst Dorothee Bär, stellvertretende CSU-Generalsekretärin und frauenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Sie gehört zu den Initiatorinnen der "Berliner Erklärung": Einem Bündnis von Frauen aus allen Parteien, Wirtschaft und Verbänden, die sich für eine 30-prozentige Frauenquote bei Aufsichtsräten einsetzen. Aus terminlichen Gründen sei ein Gespräch nicht möglich. Bei der Abstimmung kommende Woche im Bundestag ist sie auch nicht dabei. Da ist sie in Bayern. Termin mit dem Chef:

    "Ich bedauere das sehr, dass Dorothee ihre Prioritäten anders setzt. In ihrem Wahlkreis ist der Herr Seehofer. Das ist für sie ein Grund. Aber Männer hinterherzurennen, sollte niemals ein Grund für Frauen sein, um von ihrer eigentlichen Arbeit wegzubleiben."

    Auch weitere Anfragen bei CDU-Politikerinnen, die eigentlich öffentlich für die Quote einstehen, bleiben erfolglos: Ingrid Fischbach, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, will sich diese Woche nicht zu dem Thema äußern. Auch Elisabeth Winkelmeier-Becker bekommt es in den nächsten Tagen nicht hin. Heute, drei Stunden vor dem vereinbarten Termin, sagt auch Rita Pawelski, die Chefin der Gruppe der Frauen der CDU-CSU-Bundestagsfraktion, glühende Verfechterin der Frauenquote und – wie Dorothee Bär – Initiatorin der Berliner Erklärung - das Interview ab. Sie wolle erst die Gespräche in den Fraktionsgremien nächste Woche abwarten, ehe sie sich öffentlich äußert. Spätestens jetzt ist klar: Alle drei Frauen haben wohl das heutige Interview ihres Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder in der "Welt" gelesen. Dort warnt er: Stimmen die Frauen kommenden Donnerstag für die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote, ist die Handlungsfähigkeit der Koalition gefährdet. Es gilt Fraktionszwang. Zitat:

    Vor allem bei Fragen, die in unserer großen Volkspartei unterschiedlich bewertet werden, müssen wir zusammenhalten. Es gibt eine Arbeitsordnung, die in der Fraktion einstimmig verabschiedet wurde. Darin heißt es, dass wir in der Fraktion diskutieren und abstimmen. Dann sollten sich nach dieser Vereinbarung alle zu dieser Mehrheitsmeinung bekennen. Wenn wir dieses Prinzip nicht mehr durchhalten, sind wir nicht mehr handlungsfähig.

    Gleich als der Bundesrat den Gesetzentwurf der Länder Hamburg und Brandenburg im September 2012 verabschiedete, drängte Rita Pawelski darauf, den Fraktionszwang abzuschaffen. Ohne Erfolg, wie man sieht. Montag oder Dienstag trifft sich die Fraktion. Dann wird Volker Kauder erneut deutlich machen: "Nicht jede heikle Frage ist eine Gewissensfrage." Der 64-jährigen Politikerin Pawelski kann es eigentlich egal sein. Sie stellt sich nicht erneut zur Bundestagswahl. Außerdem, findet Ekin Deligöz von Bündnis 90/die Grünen:

    "Jetzt könnten wir genauso gut sagen: Wir sind am Ende einer Wahlperiode, und sie haben eigentlich wenig zu verlieren. Die Listen sind aufgestellt. Wer wieder reinkommt und wer nicht reinkommt, steht, zumindest über die Listen, weitgehend fest. Auch über die Direktkandidaturen. Die Wähler haben jetzt das Wort. Und nicht der Herr Kauder. Von daher hoffe ich für meine Kolleginnen, dass sie tatsächlich Mumm besitzen, zu ihrer Meinung zu stehen. Und nicht einzuknicken."

    Kommt die Frauenquote, platzt die Koalition – folgt man zumindest der Argumentation von Volker Kauder. Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Seehofer favorisieren die von Frauenministerin Kristina Schröder entwickelte Flexi-Quote, nach der sich Unternehmen selbst Vorgaben setzen können. Würde der Bundestag in der kommenden Woche die starre Quote beschließen, wäre – so berichtet "Die Welt" unter Berufung auf führende Koalitionäre – Kristina Schröder nicht mehr im Kabinett zu halten. Übrigens: Auch der Koalitionspartner, die FDP, ist klar gegen die Quote. Nur nicht Sibylle Laurischk. Sie kämpft allein auf weiter liberaler Flur. Für morgen Nachmittag ist ein Interview mit ihr vereinbart. Bis jetzt steht der Termin noch.

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