"Von Russland, dem grossen, auf ewig verbunden, steht machtvoll der Volksrepubliken Bastion. Es lebe, vom Willen der Völker gegründet, die einig' und mächt'ge Sowjetunion. Ruhm Dir und Lobsang, freies Vaterland, Bollwerk der Freundschaft aller Völker; Lenins Partei - des Volkes Macht leitet uns zu des Kommunismus' Triumph...
Mitten im Zweiten Weltkrieg, 1943, in den blutigen Verteidigungskämpfen gegen die deutschen Angreifer, hatte dieses patriotisch inspirierte Lied aus der Feder Alexandr Alexandrows die "Internationale" als National-Hymne der UdSSR abgelöst. Zwei Generationen Sowjetbürger wuchsen mit der sogenannten "Alexandrow-Hymne"auf, lernten den jeweils gültigen Text und die Melodie meist schon im Vorschulalter. Für die meisten von ihnen war diese Hymne neben der Roten Fahne auf der Kuppel des Moskauer Kreml das Symbol schlechthin der Supermacht UdSSR, dieses Vielvölker-Staates von der polnischen Grenze im Westen bis zum Pazifik im Fernen Osten, vom Nordmeer bis zum Kaukasus und zum Hindukusch. Schneller jedoch als erwartet, kein halbes Jahrhundert nach ihrem Entstehen mußte die sogenannte Alexandrow-Hymne schon wieder einer anderen Melodie weichen. - "Ein Leben für den Zaren" hieß der beziehungsreiche Titel, den bereits im 19. Jahrhundert Michail Glinka komponiert hatte.
Allein Russland übernahm mit Ablauf des 31. Dezember 1991 - im völkerrechtlichen Sinn - die Nachfolge-Rolle der untergegangenen Sowjetunion. - Michail Gorbatschow, der damalige Staats-Chef, zugleich der erste und auch letzte Präsident der UdSSR, hatte schon sechs Tage zuvor im damals noch zentralen Allunions-Fernsehen den Schlusspunkt gesetzt:
"Liebe Landsleute! Mitbürger! Aufgrund der aktuellen Situation, mit der Bildung der GUS, der Freundschaftsunion Unabhängiger Staaten, beende ich meine Tätigkeit auf dem Posten des Präsidenten der UdSSR.
Die Reaktion im Land fiel eher zwiespältig aus. Echte Begeisterung war seltener zu spüren als eine diffuse Sorge vor der Zukunft. Als dann auch noch das Rote Banner mit Hammer und Sichel auf dem Kreml-Dach eingeholt und stattdessen die weiß-blau-rote Trikolore des Neuen Rußland aufgezogen wurde, war die Stimmung bei vielen...
"Düster. Traurig.Die Rote Fahne ist für mich nicht die Fahne der Revolution. Das war die Fahne, die auf dem Reichstag aufgesetzt war nach diesem schrecklichen Krieg, wo ich überhaupt nicht weiß wie wir es geschafft haben. Das war mein Vaterland. Ich habe nicht dem Imperium gedient sondern Russland."
Nikolaj Portugalov, Historiker, Germanist und einst außenpolitischer Berater beim Zentral-Komitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion macht auch heute aus seinen Gefühlen kein Geheimnis. Natürlich habe Mitte / Ende der 80er Jahre grosser Reformbedarf für alle Bereiche der sowjetischen Politik bestanden - auch bei den Beziehungen der 15 Sowjetrepubliken untereinander. Dies erkannt zu haben, sei Gorbatschows grosses Verdienst gewesen - auch hier: ‚glasnost' und ‚perestrojka'. Aber der Analyse jeweils eine praktische, berechenbare Politik folgen zu lassen, diese Fähigkeit habe er bei Gorbatschow während dessen Amtszeit öfter vermisst:
"Der Versuch, die Sowjetunion auf diese Weise - ohne ein echtes Konzept zu haben - auf föderative Weise zu reformieren, war von vornherein dem Untergang geweiht. Das konnte nur ein Fiasko werden! Besonders weil der Gorbatschow in seinem Elan auch die Partei zertrümmert hat. Aber die Partei war doch die einzige feste Klammer, die das Ganze fest im Griff gehalten hat. Nicht mal die Militärs!"
Genau diese Situation beabsichtigte der im Juni 1991 - also noch vor dem Augustputsch gegen Gorbatschow - erste frei gewählte russische Präsident Boris Jelzin zu nutzen. Den Ausschlag gebenden Schritt weg von dem ursprünglichen Gorbatschow-Plan einer " Sowjetunion mit neuem Antlitz" hin zu einem noch loseren Verbund der ehemaligen Sowjetrepubliken unternahm schließlich die Ukraine. Dort hatte sich die Bevölkerung am 1. Dezember 1991 für die Unabhängigkeit ausgesprochen. Ein "Zentrum", das irgendeine Art von "Kontrolle" über die zweitgrößte slawische Republik hätte ausüben können, wurde bei diesem Referendum ausdrücklich abgelehnt. Die Zeit drängte, wie Uwe Halbach und Roland Götz in ihrem Standardwerk "Politisches Lexikon - GUS" nachzeichnen. Die Implosion der UdSSR war nicht mehr aufzuhalten:
"Die Ankündigung des sogenannten "slawischen Dreierbunds" zwischen Russland, Weißrussland und der Ukraine am 8.12. erweckte den Eindruck, als würden die mittelasiatischen Republiken aus der neu entstehenden Staatengemeinschaft ausgeschlossen. Dies beantworteten die fünf Republiken am 13.12.1991 mit der Erklärung von Asch-Chabad, in der der Wunsch ihrer Aufnahme in den Staatenbund ausgesprochen wurde, was den Anstoß zur Entstehung der GUS gab. Ihre förmliche Gründung erfolgte dann am 21.Dezember 1991 in (der kasachischen Hauptstadt) Alma-Ata. Die elf Teilnehmerstaaten waren Russland sowie die ehemaligen Sowjetrepubliken außer den baltischen Republiken und Georgien, (das aber später auch noch hinzustieß.)"
"Otlitschno"- "Wunderbar", ruft Boris Jelzin strahlend in die Schar der Fernsehreporter hinein, die sich um ihn drängen. Sechs Stunden habe man verhandelt. Und dann, schon im Weitergehen: "Alle haben wir unterschrieben..., elf Staaten...". Genau zehn Jahre ist dies her. Der Westen insgesamt, so der Historiker Johannes Baur, in dem jüngst erschienen Band "Russland unter neuer Führung" reagierte abwartend, aber wohlwollend:
"In der sogenannten romantischen Phase der russischen Aussenpolitik bis Anfang 1993 waren die Interessen des Westens und und Russlands in der Tat weitgehend kongruent.(...) Die Russische Föderation wurde als Nachfolgestaat der Sowjetunion nicht nur akzeptiert, sondern in dieser Funktion sogar gefördert. Über gewisse hegemoniale oder sowjetisch-imperiale Tendenzen in GUS-Politik der Russischen Föderation sah man deshalb großzügig hinweg.
Aber: Die ersten handfesten Konflikte innerhalb der GUS liessen nicht lange auf sich warten. Und Russlands Rolle dabei war nicht selten schillernd bis zweifelhaft. Selbst neulich, beim feierlichen zehnten GUS-Gipfel der Staatsoberhäupter in Moskau kam es zu einem Wortwechsel zwischen Georgiens Staatspräsident Eduard Schewardnadse und dem Gastgeber, Rußlands Präsident Wladimir Putin. Schewardnadse hatte sich offen beklagt, dass die russische Luftwaffe auf der Jagd nach tschetschenischen Kämpfern georgisches Hoheitsgebiet verletzt habe. Dem beim russischen Publikum ohnehin nicht sehr beliebten Georgier Schewardnadse reibt Putin - wie das russische Fernsehen nicht ohne Vergnügen in epischer Breite zeigt - auch noch dies unter die Nase, nachdem er Schewardnadse zunächst eine gemeinsame Untersuchungskommission an der georgisch-tschetschenischen Grenze zugesichert hat:
"Dort hineinzugehen stelle ich mir schwierig vor. Wir wissen doch genau, dass <zögert> der Zugang dorthin sehr schwierig ist. Sogar für die offiziellen Staatsorgane Georgiens. Dort befinden sich nicht nur tschetschenische Kämpfer, ihre Basen und Waffenlager. Dort gibt es auch Drogenfabriken. Als Absatzmärkte für diese Drogenproduktion sind unsere Völker ausersehen. Sie vergiften die Völker unserer Länder. Weiter: In dieser Enklave auf georgischem Gebiet befinden sich Funk-Relaisstationen. Auf diese Weise bleiben die tschetschenischen Kämpfer in Kontakt mit ihren ‚Sponsoren' in den Staaten des Persischen Golfs und in Afghanistan. Das sind unsere wirklichen und nicht irgendwelche fiktiven Probleme. Das ist eine Tatsache. </zögert>
Die wirklichen Probleme aus Putins Sicht und aus der Sicht vor allem der mittelasiatisch-muslimischen GUS-Republiken schafft der islamische Fundamentalismus an ihren Südgrenzen. Als Anrainerstaaten Afghanistans oder auch des Iran haben sie eine Gratwanderung hinter sich, die nun ebenfalls schon zehn Jahre dauert. Der Zielpunkt dieses Weges aber - so Udo Steinbach vom Hamburger Deutschen Orient-Institut bei der Zentralasien-Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung Ende November in Berlin - sei keineswegs fest umrissen:
"Diese Staaten sind auf dem Wege von einer kommunistisch-sozialistischen Ordnung irgendwohin auf etwas Liberalerers, Pluralistischeres, Demokratisches. Was grundsätzlich positiv ist, so scheint mir, ist die Entscheidung für das säkulare Entwicklungsmodell, für das auf den Westen gerichtete Entwicklungsmodell. Das war nicht selbstverständlich (...) mit Blick auf die gewaltige Übermacht Russlands zum Beispiel. Das war auch nicht selbstverständlich mit Blick auf das erhebliche Lobbying islamischer Staaten.
Schuchrat Babadshanow, seit kurzem im deutschen Exil lebender usbekischer Fernseh-Journalist, sieht die aktuelle Rolle der GUS in Zentralasien - nicht zuletzt aufgrund eigener postsowjetischer Erfahrungen - überaus skeptisch:
"Die GUS im mittelasiatischen Raum teilt sich heute in drei Richtungen auf: zum einen, die imperialistisch-imperiale Linie - dazu gehören Russland, Tadshikistan, Belarus; dann die anderen: Georgien, Moldova, Usbekistan... - sie möchten sich vom Zentrum in Moskau fernhalten und schließlich sehen wir schwache Versuche Kasachstans, so eine Art eurasische Gemeinschaft zu schaffen. Insgesamt aber denke ich, dass die GUS keine grosse Zukunftsperspektive hat. Zentralasien ist doch schon zum großen Teil auf die USA ausgerichtet. Dieses sogenannte russische Turkestan geht von einer Hand in die andere über. Zur Zeit wird die Welt neu aufgeteilt... Die US-Army, die dort stationiert ist, wird lange in diesem Gebiet bleiben.
Muss Russland also damit rechnen, mittel- bis langfristig aus dem zentralasiatischen Raum - seinem bislang eifersüchtig überwachten strategischen Vorfeld im Süden - verdrängt zu werden? - Uwe Halbach, Zentralasien- und Kaukasus-Experte von der Berliner "Stiftung für Wissenschaft und Politik":
"Das glaub' ich nicht! Ich glaube, dass die meisten Staaten Russland nicht ausklammern würden. Gerade wenn es darum geht, diese Probleme zu bewältigen, die von Afghanistan aus drohen. Eine Antwort auf diese Wahrnehmung einer Bedrohung aus Afghanistan waren ja, bevor die Amerikaner eingriffen, also vor dem 11. September, zwei Rahmen... das eine war der militärische Sicherheitspakt der GUS, der auf sechs Staaten geschrumpft ist. Aber die haben sich umso mehr zusammengetan im letzten Jahr, um solche Sicherheitsrisiken wie Drogenhandel, Terrorismus und dergleichen gemeinsam abzuwehren. Und der zweite institutionelle Rahmen war diese ‚Shanghaier Organisation', die gewissermassen um Russland und China herum angelegt ist und an die sich zentralasiatische Staaten einschliesslich Usbekistans angeschlossen haben. Durch das Auftreten der Amerikaner in Zentralasien könnten allerdings solche eurasischen Sicherheitsstrukturen überprüft werden. Und ich glaube, dass in Usbekistan dies zur Zeit geschieht."
Udo Steinbach vom Hamburger Orient-Institut ist überzeugt, dass Russland - trotz der neuen, der aktuellen Lage in Zentralasien - keineswegs bereit sein wird, seinen Einfluss in diesem Raum zurückzuschrauben:
"Alle Wege führten in die Sowjetunion, und führen sie in gewisser Weise auch heute noch, in die GUS. Also: Staatlichkeit, staatliche Planung, staatliche Wirtschaft, anders als in Osteuropa, wo man auf diese Dinge in gewisser Weise zurückkehren konnte, dies alles hat es (..) in diesem Raum kaum gegeben, bis hin zur nationalen Identität. Polen hat natürlich eine nationale Identität. Tschechien hat sie auch. Aber bei den Kasachen war das schon schwieriger.
Aber selbst im Westen der ehemaligen UdSSR, mit historisch gewachsenen Beziehungen auch in Richtung Europa fällt die Zwischenbilanz nach zehn Jahren GUS eher ernüchternd aus. Zwar gibt es vereinzelt Hinweise und Signale, dass sich die ökonomische Binnensituation einzelner GUS-Staaten langsam zu verbessern scheint. Aber: Kaum mehr als appellativ-aufmunternd dürften die meisten GUS-Staats-Chefs jene Zustandsbeschreibung ihres lockeren Interessenverbundes empfunden haben, die Russlands Präsident Putin beim Moskauer Gipfel vor wenigen Tagen vortrug:
"Die GUS hat sich als mächtige Regional-Organisation etabliert. Und zwar unabhängig davon, dass unsere zwischenstaatliche Zusammenarbeit sich verschiedenartig gestaltet hat. Wir haben uns davon überzeugen können, dass sich die nationalen Interessen jedes einzenen Landes auf die allerbeste Weise innerhalb des andauernden Integrationsprozesses haben bewahren lassen.- Die ausschlaggebende Rolle dabei spielt aber natürlich die Bereitschaft jedes einzelnen Mitglieds, sich an diesem Integrationsprozeß zu beteiligen. Zu Siegen und Erfolgen kamen wir immer nur dann, wenn wir pragmatisch vorgegangen sind, wenn wir unsere wirtschaftlichen Interessen nicht aus den Augen verloren. Die Gründe für alle Misserfolge sind dagegen dann zu finden, wenn wir uns bloß auf Absichtserklärungen beschränkt oder versucht haben, uns gegenseitig unseren Willen aufzuzwingen."
Eine Analyse, so zutreffend sie vor allem in ihren letzten Worten auch sein mag, gegen deren Inhalt aber gerade Russland vor allem in den ersten Jahren der GUS oft genug verstoßen hat. Der Historiker Johannes Baur beschreibt dies in seinem vor kurzem erschienen Aufsatz so:
"Die russischen Ansprüche auf eine politische Hegemonie innerhalb der GUS, die als Kernzone russischer Interessen definiert wurde, wurden bis etwa 1996 mehr oder weniger offen vorgetragen und waren stets ein Kernelement offizieller Stellungnahmen zur russischen Aussenpolitik. Sinnfällig wurde dies in der Bezeichnung ‚nahes Ausland', die die Sonderstellung und besondere Abhängigkeit dieser Staaten markieren sollte. Seitdem haben die Funktionsunfähigkeit der GUS und das materielle Unvermögen Russlands die russische Seite aber dazu geführt, die Selbständigkeit der GUS-Staaten offiziell zu akzeptieren und mehr und mehr auf eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zu setzen. Dies schließt freilich auch den Versuch massiver Einflussnahme besonders über grosse russische Finanzinstitute und Energieriesen wie ‚Gasprom' mit ein.
"Wenn wir uns den Energiesektor betrachten: Ob es die Länder wollen oder nicht, die sind auf die pipelines durch Russland angewiesen..."
... bestätigte kürzlich Anton Vogt vom "Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft" bei der Berliner Zentralasien-Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung. Dennoch: Täuscht unter dem Strich der Gesamt-Eindruck, wonach es sich bei der bei der jetzt zehn Jahre alten GUS inzwischen bloß noch um eine rechtlich weitgehend unverbindliche Organisationsstrukktur handelt, die einem Korsett zu vergleichen ist, dem eigentlich der Inhalt abhanden gekommen ist? - Die meisten Beobachter kommen zu dem gleichen Befund wie Uwe Halbach von der Stiftung "Wissenschaft und Politik":
"Ja, es spricht vieles dafür. (...) Es ist das überwölbende, mit dicken Anführungszeichen versetzt Integrationsgebilde , in dem sich verschiedene andere Integrationsgebilde formiert haben, die alle nicht Integration leisten. Etwa die euro-asiatische Wirtschaftsgemeinschaft, die Union Belarus-Russland, gewissermassen quer zur GUS angelegte GUUAM, eine Gruppierung nach den Anfangsbuchstaben der Länder benannt: Georgien, Ukraine, Usbekistan, Aserbajdshan, Moldova, die gegen die Sicherheitskonzeption der GUS und Russlands herum angelegt ist... Und so haben wir in diesem nach-sowjetischen Raum ein gewisses Integrations-Theater mit verschiedenen Inszenierungen und Abteilungen. Und die GUS ist gewissermassen die Oberbühne, auf der dieses Theater stattfindet.
Für Marina Pavlova-Silvanskaja vom Moskauer Büro der Carnegie-Stiftung kommt vor allem noch hinzu:
"Es kommt ganz wenig in den Medien über diese Staaten. Nur wenn irgendein Konflikt entsteht, dann kommen mehr Meldungen. Aber sonst ist das Interesse aneinander verschwindend klein - ich meine in der Gesellschaft. Die politischen Eliten, die haben ihre Vorstellungen. Es gibt noch Illusionen, man könne diese früheren Republiken zusammenführen. Es sind aber Illusionen."
Selbst den hin und wieder deklarativ beschworenen sogenannten "Slawische Dreierbund": Russland, Ukraine, Belarus, ergänzt vielleicht auch noch durch das an Rumänien grenzende Moldova, selbst solch ein Konzept hält Pavlova für kaum noch realisierbar. - Und auch jemand wie Nikolaj Portugalov, ehemaliger außenpolitischer ZK-Berater und theoretischer Befürworter einer slawischen Kon-Föderation räumt ein, dass diese theoretische Variante einer "Ost-Europäischen Union" anders als das west- und mitteleuropäische Beispiel "EU" wohl weder mittel- noch langfristig realistisch ist:
"Geht nicht! - Das war sozusagen ein freier Bund demokratischer Staaten. Die unseren sind mitnichten demokratisch. Auf dieser Grundlage bauen sie keine osteuropäische Union. Das Beste wäre, das wir halbwegs demokratische Zustände hier schaffen. Und wenn wir sehr, sehr viel Glück haben - jetzt werd' ich mal ausnahmsweise optimistisch - in 30 bis 50 Jahren - vielleicht - wo diese Gauner-Nachkommenschaft in Yale studiert, in Sorbonne studiert, vielleicht zurückkommt - vielleicht, vielleicht... Aber früher wohl nicht."
Nicht wenige ehemalige Sowjetbürger dürften zumindest still, wahrscheinlich sogar skeptisch bis spöttisch gelächelt haben, als der GUS-Gründungs-Vater Boris Jelzin, Putins Überraschungs- und Ehrengast beim Jubiläums-GUS-Gipfel im Moskauer Kreml vor wenigen Tagen - und übrigens zum ersten Mal nach gut anderthalb Jahren wieder in der Öffentlichkeit - diesen Glückwunsch in die Fernsehkameras sprach:
"Ich gratuliere Ihnen, Freunde, zum 10-jährigen Jubiläum. Das nächste Jahrzehnt wird besser sein. Das wir ein Jahrzehnt des Aufblühens für die Länder der GUS sein. Dessen bin ich mir sicher, weil heute jedes einzelne Land wirtschaftlich schon stärker, unabhängiger und international bekannt geworden ist. Die Autorität der GUS nimmt in der ganzen Welt zu.
Link: Präsident Vladimir Putin
Mitten im Zweiten Weltkrieg, 1943, in den blutigen Verteidigungskämpfen gegen die deutschen Angreifer, hatte dieses patriotisch inspirierte Lied aus der Feder Alexandr Alexandrows die "Internationale" als National-Hymne der UdSSR abgelöst. Zwei Generationen Sowjetbürger wuchsen mit der sogenannten "Alexandrow-Hymne"auf, lernten den jeweils gültigen Text und die Melodie meist schon im Vorschulalter. Für die meisten von ihnen war diese Hymne neben der Roten Fahne auf der Kuppel des Moskauer Kreml das Symbol schlechthin der Supermacht UdSSR, dieses Vielvölker-Staates von der polnischen Grenze im Westen bis zum Pazifik im Fernen Osten, vom Nordmeer bis zum Kaukasus und zum Hindukusch. Schneller jedoch als erwartet, kein halbes Jahrhundert nach ihrem Entstehen mußte die sogenannte Alexandrow-Hymne schon wieder einer anderen Melodie weichen. - "Ein Leben für den Zaren" hieß der beziehungsreiche Titel, den bereits im 19. Jahrhundert Michail Glinka komponiert hatte.
Allein Russland übernahm mit Ablauf des 31. Dezember 1991 - im völkerrechtlichen Sinn - die Nachfolge-Rolle der untergegangenen Sowjetunion. - Michail Gorbatschow, der damalige Staats-Chef, zugleich der erste und auch letzte Präsident der UdSSR, hatte schon sechs Tage zuvor im damals noch zentralen Allunions-Fernsehen den Schlusspunkt gesetzt:
"Liebe Landsleute! Mitbürger! Aufgrund der aktuellen Situation, mit der Bildung der GUS, der Freundschaftsunion Unabhängiger Staaten, beende ich meine Tätigkeit auf dem Posten des Präsidenten der UdSSR.
Die Reaktion im Land fiel eher zwiespältig aus. Echte Begeisterung war seltener zu spüren als eine diffuse Sorge vor der Zukunft. Als dann auch noch das Rote Banner mit Hammer und Sichel auf dem Kreml-Dach eingeholt und stattdessen die weiß-blau-rote Trikolore des Neuen Rußland aufgezogen wurde, war die Stimmung bei vielen...
"Düster. Traurig.Die Rote Fahne ist für mich nicht die Fahne der Revolution. Das war die Fahne, die auf dem Reichstag aufgesetzt war nach diesem schrecklichen Krieg, wo ich überhaupt nicht weiß wie wir es geschafft haben. Das war mein Vaterland. Ich habe nicht dem Imperium gedient sondern Russland."
Nikolaj Portugalov, Historiker, Germanist und einst außenpolitischer Berater beim Zentral-Komitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion macht auch heute aus seinen Gefühlen kein Geheimnis. Natürlich habe Mitte / Ende der 80er Jahre grosser Reformbedarf für alle Bereiche der sowjetischen Politik bestanden - auch bei den Beziehungen der 15 Sowjetrepubliken untereinander. Dies erkannt zu haben, sei Gorbatschows grosses Verdienst gewesen - auch hier: ‚glasnost' und ‚perestrojka'. Aber der Analyse jeweils eine praktische, berechenbare Politik folgen zu lassen, diese Fähigkeit habe er bei Gorbatschow während dessen Amtszeit öfter vermisst:
"Der Versuch, die Sowjetunion auf diese Weise - ohne ein echtes Konzept zu haben - auf föderative Weise zu reformieren, war von vornherein dem Untergang geweiht. Das konnte nur ein Fiasko werden! Besonders weil der Gorbatschow in seinem Elan auch die Partei zertrümmert hat. Aber die Partei war doch die einzige feste Klammer, die das Ganze fest im Griff gehalten hat. Nicht mal die Militärs!"
Genau diese Situation beabsichtigte der im Juni 1991 - also noch vor dem Augustputsch gegen Gorbatschow - erste frei gewählte russische Präsident Boris Jelzin zu nutzen. Den Ausschlag gebenden Schritt weg von dem ursprünglichen Gorbatschow-Plan einer " Sowjetunion mit neuem Antlitz" hin zu einem noch loseren Verbund der ehemaligen Sowjetrepubliken unternahm schließlich die Ukraine. Dort hatte sich die Bevölkerung am 1. Dezember 1991 für die Unabhängigkeit ausgesprochen. Ein "Zentrum", das irgendeine Art von "Kontrolle" über die zweitgrößte slawische Republik hätte ausüben können, wurde bei diesem Referendum ausdrücklich abgelehnt. Die Zeit drängte, wie Uwe Halbach und Roland Götz in ihrem Standardwerk "Politisches Lexikon - GUS" nachzeichnen. Die Implosion der UdSSR war nicht mehr aufzuhalten:
"Die Ankündigung des sogenannten "slawischen Dreierbunds" zwischen Russland, Weißrussland und der Ukraine am 8.12. erweckte den Eindruck, als würden die mittelasiatischen Republiken aus der neu entstehenden Staatengemeinschaft ausgeschlossen. Dies beantworteten die fünf Republiken am 13.12.1991 mit der Erklärung von Asch-Chabad, in der der Wunsch ihrer Aufnahme in den Staatenbund ausgesprochen wurde, was den Anstoß zur Entstehung der GUS gab. Ihre förmliche Gründung erfolgte dann am 21.Dezember 1991 in (der kasachischen Hauptstadt) Alma-Ata. Die elf Teilnehmerstaaten waren Russland sowie die ehemaligen Sowjetrepubliken außer den baltischen Republiken und Georgien, (das aber später auch noch hinzustieß.)"
"Otlitschno"- "Wunderbar", ruft Boris Jelzin strahlend in die Schar der Fernsehreporter hinein, die sich um ihn drängen. Sechs Stunden habe man verhandelt. Und dann, schon im Weitergehen: "Alle haben wir unterschrieben..., elf Staaten...". Genau zehn Jahre ist dies her. Der Westen insgesamt, so der Historiker Johannes Baur, in dem jüngst erschienen Band "Russland unter neuer Führung" reagierte abwartend, aber wohlwollend:
"In der sogenannten romantischen Phase der russischen Aussenpolitik bis Anfang 1993 waren die Interessen des Westens und und Russlands in der Tat weitgehend kongruent.(...) Die Russische Föderation wurde als Nachfolgestaat der Sowjetunion nicht nur akzeptiert, sondern in dieser Funktion sogar gefördert. Über gewisse hegemoniale oder sowjetisch-imperiale Tendenzen in GUS-Politik der Russischen Föderation sah man deshalb großzügig hinweg.
Aber: Die ersten handfesten Konflikte innerhalb der GUS liessen nicht lange auf sich warten. Und Russlands Rolle dabei war nicht selten schillernd bis zweifelhaft. Selbst neulich, beim feierlichen zehnten GUS-Gipfel der Staatsoberhäupter in Moskau kam es zu einem Wortwechsel zwischen Georgiens Staatspräsident Eduard Schewardnadse und dem Gastgeber, Rußlands Präsident Wladimir Putin. Schewardnadse hatte sich offen beklagt, dass die russische Luftwaffe auf der Jagd nach tschetschenischen Kämpfern georgisches Hoheitsgebiet verletzt habe. Dem beim russischen Publikum ohnehin nicht sehr beliebten Georgier Schewardnadse reibt Putin - wie das russische Fernsehen nicht ohne Vergnügen in epischer Breite zeigt - auch noch dies unter die Nase, nachdem er Schewardnadse zunächst eine gemeinsame Untersuchungskommission an der georgisch-tschetschenischen Grenze zugesichert hat:
"Dort hineinzugehen stelle ich mir schwierig vor. Wir wissen doch genau, dass <zögert> der Zugang dorthin sehr schwierig ist. Sogar für die offiziellen Staatsorgane Georgiens. Dort befinden sich nicht nur tschetschenische Kämpfer, ihre Basen und Waffenlager. Dort gibt es auch Drogenfabriken. Als Absatzmärkte für diese Drogenproduktion sind unsere Völker ausersehen. Sie vergiften die Völker unserer Länder. Weiter: In dieser Enklave auf georgischem Gebiet befinden sich Funk-Relaisstationen. Auf diese Weise bleiben die tschetschenischen Kämpfer in Kontakt mit ihren ‚Sponsoren' in den Staaten des Persischen Golfs und in Afghanistan. Das sind unsere wirklichen und nicht irgendwelche fiktiven Probleme. Das ist eine Tatsache. </zögert>
Die wirklichen Probleme aus Putins Sicht und aus der Sicht vor allem der mittelasiatisch-muslimischen GUS-Republiken schafft der islamische Fundamentalismus an ihren Südgrenzen. Als Anrainerstaaten Afghanistans oder auch des Iran haben sie eine Gratwanderung hinter sich, die nun ebenfalls schon zehn Jahre dauert. Der Zielpunkt dieses Weges aber - so Udo Steinbach vom Hamburger Deutschen Orient-Institut bei der Zentralasien-Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung Ende November in Berlin - sei keineswegs fest umrissen:
"Diese Staaten sind auf dem Wege von einer kommunistisch-sozialistischen Ordnung irgendwohin auf etwas Liberalerers, Pluralistischeres, Demokratisches. Was grundsätzlich positiv ist, so scheint mir, ist die Entscheidung für das säkulare Entwicklungsmodell, für das auf den Westen gerichtete Entwicklungsmodell. Das war nicht selbstverständlich (...) mit Blick auf die gewaltige Übermacht Russlands zum Beispiel. Das war auch nicht selbstverständlich mit Blick auf das erhebliche Lobbying islamischer Staaten.
Schuchrat Babadshanow, seit kurzem im deutschen Exil lebender usbekischer Fernseh-Journalist, sieht die aktuelle Rolle der GUS in Zentralasien - nicht zuletzt aufgrund eigener postsowjetischer Erfahrungen - überaus skeptisch:
"Die GUS im mittelasiatischen Raum teilt sich heute in drei Richtungen auf: zum einen, die imperialistisch-imperiale Linie - dazu gehören Russland, Tadshikistan, Belarus; dann die anderen: Georgien, Moldova, Usbekistan... - sie möchten sich vom Zentrum in Moskau fernhalten und schließlich sehen wir schwache Versuche Kasachstans, so eine Art eurasische Gemeinschaft zu schaffen. Insgesamt aber denke ich, dass die GUS keine grosse Zukunftsperspektive hat. Zentralasien ist doch schon zum großen Teil auf die USA ausgerichtet. Dieses sogenannte russische Turkestan geht von einer Hand in die andere über. Zur Zeit wird die Welt neu aufgeteilt... Die US-Army, die dort stationiert ist, wird lange in diesem Gebiet bleiben.
Muss Russland also damit rechnen, mittel- bis langfristig aus dem zentralasiatischen Raum - seinem bislang eifersüchtig überwachten strategischen Vorfeld im Süden - verdrängt zu werden? - Uwe Halbach, Zentralasien- und Kaukasus-Experte von der Berliner "Stiftung für Wissenschaft und Politik":
"Das glaub' ich nicht! Ich glaube, dass die meisten Staaten Russland nicht ausklammern würden. Gerade wenn es darum geht, diese Probleme zu bewältigen, die von Afghanistan aus drohen. Eine Antwort auf diese Wahrnehmung einer Bedrohung aus Afghanistan waren ja, bevor die Amerikaner eingriffen, also vor dem 11. September, zwei Rahmen... das eine war der militärische Sicherheitspakt der GUS, der auf sechs Staaten geschrumpft ist. Aber die haben sich umso mehr zusammengetan im letzten Jahr, um solche Sicherheitsrisiken wie Drogenhandel, Terrorismus und dergleichen gemeinsam abzuwehren. Und der zweite institutionelle Rahmen war diese ‚Shanghaier Organisation', die gewissermassen um Russland und China herum angelegt ist und an die sich zentralasiatische Staaten einschliesslich Usbekistans angeschlossen haben. Durch das Auftreten der Amerikaner in Zentralasien könnten allerdings solche eurasischen Sicherheitsstrukturen überprüft werden. Und ich glaube, dass in Usbekistan dies zur Zeit geschieht."
Udo Steinbach vom Hamburger Orient-Institut ist überzeugt, dass Russland - trotz der neuen, der aktuellen Lage in Zentralasien - keineswegs bereit sein wird, seinen Einfluss in diesem Raum zurückzuschrauben:
"Alle Wege führten in die Sowjetunion, und führen sie in gewisser Weise auch heute noch, in die GUS. Also: Staatlichkeit, staatliche Planung, staatliche Wirtschaft, anders als in Osteuropa, wo man auf diese Dinge in gewisser Weise zurückkehren konnte, dies alles hat es (..) in diesem Raum kaum gegeben, bis hin zur nationalen Identität. Polen hat natürlich eine nationale Identität. Tschechien hat sie auch. Aber bei den Kasachen war das schon schwieriger.
Aber selbst im Westen der ehemaligen UdSSR, mit historisch gewachsenen Beziehungen auch in Richtung Europa fällt die Zwischenbilanz nach zehn Jahren GUS eher ernüchternd aus. Zwar gibt es vereinzelt Hinweise und Signale, dass sich die ökonomische Binnensituation einzelner GUS-Staaten langsam zu verbessern scheint. Aber: Kaum mehr als appellativ-aufmunternd dürften die meisten GUS-Staats-Chefs jene Zustandsbeschreibung ihres lockeren Interessenverbundes empfunden haben, die Russlands Präsident Putin beim Moskauer Gipfel vor wenigen Tagen vortrug:
"Die GUS hat sich als mächtige Regional-Organisation etabliert. Und zwar unabhängig davon, dass unsere zwischenstaatliche Zusammenarbeit sich verschiedenartig gestaltet hat. Wir haben uns davon überzeugen können, dass sich die nationalen Interessen jedes einzenen Landes auf die allerbeste Weise innerhalb des andauernden Integrationsprozesses haben bewahren lassen.- Die ausschlaggebende Rolle dabei spielt aber natürlich die Bereitschaft jedes einzelnen Mitglieds, sich an diesem Integrationsprozeß zu beteiligen. Zu Siegen und Erfolgen kamen wir immer nur dann, wenn wir pragmatisch vorgegangen sind, wenn wir unsere wirtschaftlichen Interessen nicht aus den Augen verloren. Die Gründe für alle Misserfolge sind dagegen dann zu finden, wenn wir uns bloß auf Absichtserklärungen beschränkt oder versucht haben, uns gegenseitig unseren Willen aufzuzwingen."
Eine Analyse, so zutreffend sie vor allem in ihren letzten Worten auch sein mag, gegen deren Inhalt aber gerade Russland vor allem in den ersten Jahren der GUS oft genug verstoßen hat. Der Historiker Johannes Baur beschreibt dies in seinem vor kurzem erschienen Aufsatz so:
"Die russischen Ansprüche auf eine politische Hegemonie innerhalb der GUS, die als Kernzone russischer Interessen definiert wurde, wurden bis etwa 1996 mehr oder weniger offen vorgetragen und waren stets ein Kernelement offizieller Stellungnahmen zur russischen Aussenpolitik. Sinnfällig wurde dies in der Bezeichnung ‚nahes Ausland', die die Sonderstellung und besondere Abhängigkeit dieser Staaten markieren sollte. Seitdem haben die Funktionsunfähigkeit der GUS und das materielle Unvermögen Russlands die russische Seite aber dazu geführt, die Selbständigkeit der GUS-Staaten offiziell zu akzeptieren und mehr und mehr auf eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zu setzen. Dies schließt freilich auch den Versuch massiver Einflussnahme besonders über grosse russische Finanzinstitute und Energieriesen wie ‚Gasprom' mit ein.
"Wenn wir uns den Energiesektor betrachten: Ob es die Länder wollen oder nicht, die sind auf die pipelines durch Russland angewiesen..."
... bestätigte kürzlich Anton Vogt vom "Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft" bei der Berliner Zentralasien-Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung. Dennoch: Täuscht unter dem Strich der Gesamt-Eindruck, wonach es sich bei der bei der jetzt zehn Jahre alten GUS inzwischen bloß noch um eine rechtlich weitgehend unverbindliche Organisationsstrukktur handelt, die einem Korsett zu vergleichen ist, dem eigentlich der Inhalt abhanden gekommen ist? - Die meisten Beobachter kommen zu dem gleichen Befund wie Uwe Halbach von der Stiftung "Wissenschaft und Politik":
"Ja, es spricht vieles dafür. (...) Es ist das überwölbende, mit dicken Anführungszeichen versetzt Integrationsgebilde , in dem sich verschiedene andere Integrationsgebilde formiert haben, die alle nicht Integration leisten. Etwa die euro-asiatische Wirtschaftsgemeinschaft, die Union Belarus-Russland, gewissermassen quer zur GUS angelegte GUUAM, eine Gruppierung nach den Anfangsbuchstaben der Länder benannt: Georgien, Ukraine, Usbekistan, Aserbajdshan, Moldova, die gegen die Sicherheitskonzeption der GUS und Russlands herum angelegt ist... Und so haben wir in diesem nach-sowjetischen Raum ein gewisses Integrations-Theater mit verschiedenen Inszenierungen und Abteilungen. Und die GUS ist gewissermassen die Oberbühne, auf der dieses Theater stattfindet.
Für Marina Pavlova-Silvanskaja vom Moskauer Büro der Carnegie-Stiftung kommt vor allem noch hinzu:
"Es kommt ganz wenig in den Medien über diese Staaten. Nur wenn irgendein Konflikt entsteht, dann kommen mehr Meldungen. Aber sonst ist das Interesse aneinander verschwindend klein - ich meine in der Gesellschaft. Die politischen Eliten, die haben ihre Vorstellungen. Es gibt noch Illusionen, man könne diese früheren Republiken zusammenführen. Es sind aber Illusionen."
Selbst den hin und wieder deklarativ beschworenen sogenannten "Slawische Dreierbund": Russland, Ukraine, Belarus, ergänzt vielleicht auch noch durch das an Rumänien grenzende Moldova, selbst solch ein Konzept hält Pavlova für kaum noch realisierbar. - Und auch jemand wie Nikolaj Portugalov, ehemaliger außenpolitischer ZK-Berater und theoretischer Befürworter einer slawischen Kon-Föderation räumt ein, dass diese theoretische Variante einer "Ost-Europäischen Union" anders als das west- und mitteleuropäische Beispiel "EU" wohl weder mittel- noch langfristig realistisch ist:
"Geht nicht! - Das war sozusagen ein freier Bund demokratischer Staaten. Die unseren sind mitnichten demokratisch. Auf dieser Grundlage bauen sie keine osteuropäische Union. Das Beste wäre, das wir halbwegs demokratische Zustände hier schaffen. Und wenn wir sehr, sehr viel Glück haben - jetzt werd' ich mal ausnahmsweise optimistisch - in 30 bis 50 Jahren - vielleicht - wo diese Gauner-Nachkommenschaft in Yale studiert, in Sorbonne studiert, vielleicht zurückkommt - vielleicht, vielleicht... Aber früher wohl nicht."
Nicht wenige ehemalige Sowjetbürger dürften zumindest still, wahrscheinlich sogar skeptisch bis spöttisch gelächelt haben, als der GUS-Gründungs-Vater Boris Jelzin, Putins Überraschungs- und Ehrengast beim Jubiläums-GUS-Gipfel im Moskauer Kreml vor wenigen Tagen - und übrigens zum ersten Mal nach gut anderthalb Jahren wieder in der Öffentlichkeit - diesen Glückwunsch in die Fernsehkameras sprach:
"Ich gratuliere Ihnen, Freunde, zum 10-jährigen Jubiläum. Das nächste Jahrzehnt wird besser sein. Das wir ein Jahrzehnt des Aufblühens für die Länder der GUS sein. Dessen bin ich mir sicher, weil heute jedes einzelne Land wirtschaftlich schon stärker, unabhängiger und international bekannt geworden ist. Die Autorität der GUS nimmt in der ganzen Welt zu.
Link: Präsident Vladimir Putin