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Das neue Medienprojekt des Red-Bull-Gründers
Addendum: Recherche von rechts?

Die Redaktion entscheide über ihre Inhalte, betonen die Macher von "Addendum". Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, ist diese Aussage doch bemerkenswert – handelt es sich um das neue Medienprojekt des österreichischen Milliardärs Dietrich Mateschitz, eines Bewunderers von US-Präsident Trump.

Von Susanne Lettenbauer | 10.10.2017
    Dietrich Mateschitz: Getränke-Milliardär und jetzt auch Medienmacher.
    Dietrich Mateschitz: Getränke-Milliardär und jetzt auch Medienmacher. (picture alliance / dpa / David Ebener)
    Da sind sie wieder, die Bilder von 2015, von Flüchtlingen, die hinter Polizeibussen über schmale Straßen laufen, Flüchtlinge in Aufnahmestationen, vor Zelten und Zäunen. Hinterlegt mit dunkel dräuendem Klangteppich. Der Trailer zum werbewirksam im April angekündigten Webauftritt von Addendum setzt gleich zu Anfang vor allem auf eines: Emotionen. Von rational journalistischer Objektivität ist da auf den ersten Klick wenig zu sehen, zumal bei einem Reizthema, das nicht nur in Deutschland wahlbestimmend war, sondern auch die österreichische Nationalratswahl maßgeblich beeinflussen wird.
    Man wolle "dem Vertrauensverlust in Institutionen, Politik und Medien entgegenwirken, der nicht zuletzt auf einseitige und wegen Ressourcenmangel unvollständige Berichterstattung durch die 'vierte Säule im Staat' zurückzuführen ist", gab Dietrich Mateschitz im Frühjahr als medienkritisches Ziel aus. Dafür hat er im letzten halben Jahr 40 mehr und weniger namhafte Journalistinnen und Journalisten vom Standard, der Neuen Zürcher Zeitung, dem erfolgreichen Magazin Vice, vom Kurier und "Die Presse" zusammengekauft. Dazu Experten aus Rechtswissenschaft, Politikwissenschaft und Finanzwesen sowie Datenanalysten. Durchaus anerkannte Profis in Österreich, angeführt von Geschäftsleiter Michael Fleischhacker, einem nicht unumstrittenen Moderator im Guido-Knopp-Stil des Mateschitz-Senders servusTV.
    "Die Menschen haben den Eindruck, dass sie manipuliert werden. Den haben sie einerseits zu unrecht, weil ich nicht glaube, dass die Kollegen in den herkömmlichen traditionellen Medien absichtlich die Unwahrheit sagen oder verbreiten. Sondern sie haben ihn zurecht, weil Informationen, obwohl sie immer mehr werden, eigentlich immer unvollständiger werden. Und mit diesem Widerspruch kommen immer mehr Medienkonsumenten immer schwerer zurecht", so heißt es in dem Vorstellungsvideo von Addendum, das die Stiftung Quo Vadis veritas? (lateinisch für Wohin gehst du?) zum Start veröffentlichte.
    Nachfragen werden nicht beantwortet
    Die einzige Informationsquelle, die die Redaktion um Fleischhacker zulässt. Nachfragen zum Projekt werden darüber hinaus nicht beantwortet. Telefonangaben auf der Webseite? Fehlanzeige? Nur über eine allgemeine E-Mail ist das Team mit viel Glück erreichbar. Informanten, sogenannte Whistleblower können brisante Informationen auf einem eigenen Uploadserver hochladen, Diskretion inklusive. Das erinnert stark an das Investigationsteam von NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung. Ob das ein Vorbild für Addendum war? Keine Antwort. Auch welches Budget die Privatstiftung für die große angekündigten investigativen Recherchen oder gar Auslandsreisen zur Verfügung steht? Keine Antwort. Welches Publikum will man ansprechen? Wie hoch sind die Klickzahlen bislang? Sie ahnen es: keine Antwort.
    Nur bei dem Gerücht, Stiftungsgründer Mateschitz würde Themen und Inhalte selbst abnehmen, wird heftig dementiert. Die Redaktion habe Entscheidungsfreiheit. Die Leiterin Digital Judith Denkmayr will nur über die Themen sprechen und wie man die Nutzer ansprechen will: "Der User soll zu jeder Zeit die Möglichkeit haben, Inhalte von uns zu bekommen, in der Frequenz und in der Länge und in der Machart, wie er sie gerne hätte. Das heißt, auf jeden Fall sind wir auch auf Smartphones zu finden und unsere Inhalte sollen auch dort konsumierbar sein."
    Nutzerfreundlicher Aufbau, dahiner Bleiwüste
    Wie jedoch sehen diese Inhalte aus? Der Aufbau der Webseite ist durchaus nutzerfreundlich. Die bislang zwei Projekte sind einzeln anklickbar, dann öffnen sich die einzelnen Unterkategorien. Vom Outfit her alles auf eher jüngere User konzipiert. Bis man die Kategorien selbst öffnet: Bleiwüste. Zwanzig für Onlineauftritte gewöhnungsbedürftig textlastige Reportagen, dröge Statistikauswertungen und Erfahrungsberichte, nur erstaunlich selten unterbrochen durch Grafiken, Fotos und Videos sind nichts für klickfreudige User. Allein die schlichte Fülle an sorgsam zusammengetragenen, aber nicht neuen Informationen beeindruckt zwar, eine multimediale Aufarbeitung sieht aber anders aus.
    Ein Screenshot der Seite Addendum
    "Der Anspruch hier das was fehlt zu leisten, der ist beim Thema Asyl definitiv nicht eingelöst worden." (Dlf / Screenshot Addendum)
    "Der Anspruch hier das was fehlt zu leisten, der ist beim Thema Asyl definitiv nicht eingelöst worden", meint Fritz Hausjell, Medienwissenschaftler aus Wien. Generell sei jedes neue Projekt begrüßenswert, das Themen für die Öffentlichkeit professionell recherchiert und aufarbeitet. Aber warum genau werde nicht die Geschichte der Asylpolitik Europas aufgegriffen? Warum gibt es nicht einen einzigen Text zur Flüchtlingskriminalität? Leerstellen, die auch bei Addendum bewusst weggelassen wurden? "Also in Summe ist das wohl die Bilanz, dass hier jedenfalls nicht eine von links bis rechts gehende Abdeckung dieser Thematik ausreichend beinhaltet. Also würde ein öffentlich-rechtlicher Sender das Thema mit diesen 20 Stories abdecken wollen, dann würde er, wenn er eine Aufsichtsbeschwerde bekommt, mit Recht verurteilt werden, ja."
    Heute morgen sechs Uhr launchte Addendum das drittes Thema. Angekündigt per Newsletter, Whatsapp, Facebook und Twitter. Diese Woche dreht sich alles um das Glücksspiel in Österreich.