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Das Schweigen der Engel

Der Glaube an Engel ist oftmals ein Dilemma: Glaubt der Mensch zu sehr daran, verfällt er dem Aberglauben, glaubt er zu wenig, verliert er die Erfahrung spiritueller Transzendenz. Der Philosoph, Schriftsteller und ehemalige Außenminister von Rumänien Andrei Plesu hat nun ein Buch über Engel geschrieben und es im Berliner Literaturhaus vorgestellt.

Von Frank Hessenland | 10.05.2008
    "Ich glaube, dass es keinen Gegensatz gibt zwischen geistiges Leben und öffentliches Leben. Der Gott ist da, auch wenn keiner ihn ruft. Der Engel ist da, auch wenn er nicht direkt befragt wird.”"

    So sagt es der Philosoph, der erste Kulturminister der Nachwendezeit und spätere Außenminister Rumäniens Andrei Plesu ganz ungeniert vor etwa 100 Gästen im Berliner Literaturhaus, als er sein neues Buch "Das Schweigen der Engel" vorstellt.

    ""Man darf glauben, auch wenn man Minister ist. Und das Gefühl das in allem was ich unternehme, ich bin irgendwie begleitet, ich bin nicht alleine in dem was ich tue, das gibt mir ein gewisses Sicherheitsgefühl."

    Engel, das sind für Andrei Plesu im ganz mittelalterlichen Sinn, reale Wesen in einem virtuellen Raum zwischen der chaotischen menschlichen materiellen Welt und der geordneten, göttlichen, spirituellen Sphäre. Es sind ständig anwesende körperlose Wesen, die Ideen und Instrumente Gottes darstellen und durchaus das Wirken des Menschen, und auch eines Ministers, befruchten und bereichern können. Andrei Plesu:

    "Das passiert auch wenn ich schreibe. Ich bin immer bewusst am Ende der Text ist viel mehr als ich im Kopf hatte. Es gibt etwas Unerwartetes, Unvoraussehbares in einem Text, das nicht vom Verfasser kommt und das meiner Meinung nach muss irgendwo von einer Quelle kommen, die nicht mein Kopf schlechthin ist.”"

    In seinem Buch, "Das Schweigen der Engel", erschienen im neugegründeten Berlin University Press, fasst Plesu die jahrtausendealten theologischen Diskussionen über Engel zusammen und beschreibt, wie groß das Bedürfnis nach einer von Engeln bevölkerten Welt in den unterschiedlichsten Kulturen von Persern, über Griechen, Römer, dem Islam wie dem Christentum bis hin zu den modernen Engeln bei Rilke und Benjamin immer war und ist. Sie verkörpern eben, sagt er, als Botschafter Gottes einen einfacheren Kontakt zur Transzendenz als dies allein mit einem allmächtigen Einzelgott vorstellbar wäre.

    Aber der Glaube an ihre Existenz birgt allerdings auch theologische Untiefen. Sind Engel nun höhergestellt als die Menschen, da sie näher an Gott sind, oder niedriger, da der Mensch doch die Krone der Schöpfung ist und in seiner Kreativität auch gottgleicher? Sind Engel daher etwa eifersüchtig auf den Menschen und nicht immer wohlgesinnt? Für den Jesuitenpater Klaus Mertes vom Casinius Kolleg, der mit Plesu im Literaturhaus das Buch diskutiert, ist die Beschäftigung mit Engeln immer zweischneidig. Denn genaugenommen sind Engel durchaus gefährlich für eine monotheistische Glaubenslehre, sagt er:

    ""Biblisch geschieht es ja dadurch, dass der böse Engel immer an mich herantritt mit der Absicht zu verwirren, um mich dann seinen Interessen gefügig zu machen. Also das Versuchungsmotiv. Satan erscheint in der Gestalt des Lichtengels. Und dahinter steht die Erfahrung, dass Menschen nicht morden, stehlen, Gewalt ausüben, in voller Kenntnis dessen, dass das, was sie tun, schlimm ist, sondern sie tun es noch einmal in einem verwirrten Zustand in der Meinung, das sei wichtig und gut. Das kann natürlich missbraucht werden dadurch, dass der Täter im Nachhinein wieder als Opfer definiert wird, nämlich als Opfer eines bösen Engels, das wäre dann wiederum ein Missbrauch des Gedankens. Deswegen ist es ganz wichtig, diesen Engelsbereich streng im Zwischenbereich zu behandeln und den Satan niemals hochzustilisieren zu einem Gegengott, denn dann hätten wir ja wieder den Polytheismus im Sinne eines Dualismus, eines guten Gottes und eines bösen Gottes und dann sind wir wieder aus dem Bereich des Monotheistischen heraus."

    Es bleibt ein theologisches Dilemma: Glaubt der Mensch zu sehr an Engel, verfällt er dem Aberglauben, glaubt er zu wenig, geht ihm die Erfahrung spiritueller Transzendenz verloren. Andrei Plesu propagiert einen Mittelweg spiritueller Pragmatik oder pragmatischer Spiritualität.

    ""Nun es ist nicht so, dass wen man eine Entscheidung trifft erstmal den Engel befragt. Leider diese Möglichkeit gibt es nicht. Aber das ist ein Denkexperiment über Zwischenräume zu denken über Vermittler, über Wesen, die nicht so weit weg wie der liebe Gott sind, sondern viel näher und viel geeigneter für einen Dialog.”"