Präsidentschaftswahlen in Italien
Staatschef für unruhige Zeiten gesucht

Offizielle Kandidaten gibt es bei der italienischen Präsidentschaftswahl nicht, als Favorit gilt der amtierende Ministerpräsident und ehemalige EZB-Chef Mario Draghi. Die Aufgaben des Präsidenten sind überwiegend repräsentativ, doch in Krisenzeiten könnte er eine entscheidende Rolle spielen.

    Mario Draghi, amtierender italienischer Ministerpräsident
    Mario Draghi, amtierender italienischer Ministerpräsident, und künftiger Staatspräsident? (picture alliance/dpa/MAXPPP | Pierdomenico/Pool Afpa/Eidon)
    Am 24.1.2022 findet die erste Abstimmung zur Wahl des italienischen Präsidenten statt. Als Favorit gilt der amtierende Ministerpräsident Mario Draghi. Italiens früherer Regierungschef Silvio Berlusconi hat seine Kandidatur für das höchste Staatsamt hingegen zurückgezogen. Der amtierende Präsident, Sergio Mattarella, steht für eine zweite Amtszeit nicht zur Verfügung.

    Die Rolle des Präsidenten

    Die Rolle des italienischen Präsidenten ist überwiegend repräsentativ, er empfängt beispielsweise Vertreter ausländischer Staaten.
    In Krisenfällen kommt Italiens Präsidenten allerdings eine zentrale Rolle zu. Er ernennt den Ministerpräsidenten und die Minister und ist dabei verfassungsrechtlich nicht an Vorgaben gebunden. Es ist allerdings im Normalfall klar, dass er dabei die Mehrheitsverhältnisse im Parlament berücksichtigt, da eine Regierung sonst wenig Handlungsfähigkeit hätte. In Zeiten politischer Instabilität und unklarer Mehrheiten, wie sie nach der Parlamentwahl 2023 befürchtet werden, kommt dem Präsidenten dabei möglicherweise eine entscheidende Rolle zu.
    Aber auch nach der Wahl 2018 hat Italien bereits turbulente politische Jahre erlebt. Die bis dahin regierenden Sozialdemokraten hatten eine verheerende Niederlage eingefahren, die politische Rechte und die Fünf-Sterne-Bewegung profitierten. Erst regierte der parteilose Giuseppe Conte, heute Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, zusammen mit der rechten Lega Nord, dann mit einem linken Bündnis. Im Februar übernahm Mario Draghi mit einem breiten Bündnis, dem sowohl die Lega Nord als auch die Fünf-Sterne-Bewegung und die Sozialdemokraten angehören.
    Die Verfassung enthält keine ausdrückliche Beschränkung der Wiederwählbarkeit des Amtsinhabers für eine oder mehrere weiteren Amtszeiten.

    So begründet Berlusconi seinen Rückzug

    Er habe im Geiste der "nationalen Verantwortung" um die Streichung seines Namens von der Kandidatenliste gebeten, sagte der 85-Jährige Berlusconi bei einem Online-Treffen mit anderen rechtsgerichteten Spitzenpolitikern am 22.1.2022. "Italien braucht heute Einigkeit", argumentierte Berlusconi und verwies auf die anhaltende Corona-Pandemie. "Ich werde meinem Land weiter dienen", fügte der Milliardär hinzu. Berlusconi hatte wochenlang Wahlkampf betrieben, um Sergio Mattarella als Staatschef abzulösen.
    Experten räumten dem früheren Regierungschef jedoch kaum Chancen ein, die Abstimmung zu gewinnen. Gegen den 85-Jährigen laufen im Zusammenhang mit seinen berüchtigten "Bunga-Bunga"-Sexpartys noch immer Prozesse.
    Berlusconi sagte, er wolle sich gemeinsam mit den rechtsgerichteten Verbündeten für einen Kandidaten einsetzen, der einen "breiten Konsens" in der Bevölkerung herstellen könne. Zugleich machte er deutlich, dass dieser Kandidat nicht Draghi sein solle.
    Der Ministerpräsident solle im Amt bleiben, um die großen Strukturreformen umzusetzen, die Italien im Zuge des EU-Wiederaufbauprogramms nach der Corona-Pandemie plant. Er halte es für notwendig, dass die Draghi-Regierung ihre Arbeit bis zum Ende der Legislaturperiode 2023 fortsetze, betonte Berlusconi.

    Dafür steht Ministerpräsident Mario Draghi

    Favorit auf den Wahlsieg ist Ministerpräsident Mario Draghi. Der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) führt seit einem Jahr eine Einheitsregierung. Befürworter von Draghis Kandidatur argumentieren, dass Draghi als Präsident für politische Stabilität sorgen und die guten Beziehungen zu Brüssel bewahren könne – das wäre wohl inbesondere dann wichtig, wenn aus der nächsten Wahl die extreme Rechte als Sieger hervorgehen sollte.
    Einige Experten befürchten, dass ein Wechsel Draghis ins Präsidentenamt eine Regierungskrise auslösen und die Umsetzung von Reformen in dem tief verschuldeten Land verzögern könnten. Denn falls keine neue Regierung gebildet werden könnte, müsste das Parlament neu gewählt werden.

    So läuft die Wahl ab

    Offizielle Kandidaten gibt es traditionell nicht. Der Präsident wird von einem Gremium aus 1.009 Abgeordneten, Senatoren und Vertretern der Regionen gewählt. In den ersten drei Wahlgängen, die jeweils einen Tag in Anspruch nehmen, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit für den Sieg erforderlich, ab dem vierten Wahlgang reicht die absolute Mehrheit. Allerdings verfügt kein politisches Lager aus eigener Kraft über eine absolute Mehrheit
    (Quellen: Jörg Seisselberg, AFP, pto)