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Daughter
Mit synthetischen Sounds in das zweite Band-Album

2013 war ein gutes Jahr für das Trio Daughter aus England. Das Debüt platzierte sich recht hoch in den britischen Hitparaden. Danach fiel die Band in ein Loch. Und hat hart gekämpft, um jetzt die zweite Platte "Not to disappear" vorzustellen.

Von Andreas Zimmer | 15.01.2016
    Not to disappear – in etwa übersetzt als "um nicht zu verschwinden" ist ein etwas seltsamer Albumtitel für eine zweite CD. Und nach knapp drei Jahren Pause fast ein etwas trotzig wirkendes Lebenszeichen der Indie-Folkband Daughter aus London. Gitarrist Igor Haefeli ist glücklich, dass die Band nicht zerbrochen ist:
    "Zu einem Teil sind wir froh, dass es uns als Band noch gibt und dass wir es geschafft haben, ein zweites Album aufzunehmen. Aber es war nicht alles eitel Sonnenschein während der Produktion."
    Einerseits macht der gebürtige Eidgenosse Haefeli zum Teil den Erfolg des Debütalbums und das mehrmonatige Touren als Problem für die Band aus. Aber auch der allumfassende Perfektionismus von Sängerin und Texterin Elena Tonra habe die Geduld ihrer Kollegen arg strapaziert.
    "Wie Elena ihre Texte schreibt, welche Stücke sie gut findet, Dinge während der Produktion... Wenn es Elena nicht gegeben hätte, hätten wir schon viel früher veröffentlicht."
    Es gelingt Daughter auf ihrem zweiten Album "not to disappear" ihren wiedererkennbaren Klang weiterzuentwickeln. Wir hören mehr elektronische Flächen. Vielleicht etwas melancholischer und zugleich deutlich wütender als noch auf dem Debüt "If you leave". Auch die Reibung von künstlich erzeugten Sounds mit echten Instrumenten wurde als bewusstes Stilmittel eingesetzt.
    "Wir haben eine Menge synthetischer Sounds benutzt um den Kontrast zwischen beispielsweise der Einsamkeit in einer großen Stadt beziehungsweise menschgemachten Umwelt und den Emotionen und Gefühlen eines Menschen darzustellen."
    Das ganze Album "not to disappear" folgt einer inneren Choreografie, ohne allerdings ein wirkliches Konzeptalbum zu sein. Die musikalische Intensität der Songs steigert sich mit jedem Track, während die Texte von Frontfrau Elena immer offener und vor allem deutlicher werden. Schließlich nimmt sie kein Blatt mehr vor den Mund und nennt die Dinge ohne Umschweife beim Namen.
    Ist diese Offenheit Mut? Oder Naivität? Klar ist zunächst nur, dass sich viele Texte auf "Not to disappear" um zerbrochene Beziehungen drehen. In jedweder Hinsicht. Dabei gibt sich Daughter-Frontfrau Elena Tonra angesichts der schonungslosen Inhalte ihrer eigenen Texte selbst überrascht.
    "Es passiert manchmal, dass ich etwas lese, das ich früher mal geschrieben habe und dabei mehr über mich und mein Leben merke als im Alltagsleben selbst."
    Schließlich wird klar, dass Tonra eigentlich eine schüchterne 26jährige Frau ist, die solche Offenheit nur auf der Bühne zustande bringt. Und jeden Auftritt somit als neue Katharsis erlebt, fast als Wiedergeburt ihrer eigenen Freiheit als starke Frau. Und wer genau hinhört, findet auf "Not to disappear" auch diese Ebene abgebildet.
    "Ich sage in meinen Texten vieles, das ich in normalen Gesprächen NIE sagen würde. Ich bin niemand, den man trifft und der dann erzählt, also das war so und so. Das bin nicht ich. Seltsam, dass ich es aber schreibe."