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Demenzkranke und Bankgeschäfte

Demente Menschen erinnern sich nicht, Dinge bereits erledigt zu haben, wie zum Beispiel, ob sie Geld abgehoben haben. Schnell kann das im finanziellen Desaster enden. Bankberater der Sparkasse Bremen werden nun im Umgang mit Demenzkranken geschult. Zum Beispiel, dass man den Kranken nicht bloßstellen soll und Angehörige mit ins Boot holt.

Von Günter Beyer | 05.03.2013
    Für die meisten Kunden ist der Gang zur Sparkassen- oder Bankfiliale unkompliziert: Einzahlen aufs Sparbuch, einen Dauerauftrag ändern oder Geld am Automaten ziehen. Doch manche ältere Kunden tun sich schwer mit den einfachsten Transaktionen. Sie scheitern am Geldautomaten. Oder wiederholen dasselbe Bankgeschäft immer wieder.

    "Mir ist es das erste Mal akut bei einem Kunden in unserem Hause aufgefallen, der häufiger kam, mehrmals am Tag über 100 Euro, 200 Euro verfügt hat und dementsprechend auch in den finanziellen Ruin gestürzt hätte. Dann ist ein großes Anzeichen auch für mich gewesen, dass er immer wieder die gleichen Fragen gestellt hat, das Haus dann verlassen hat, wenige Minuten wieder zurück kam, erneut die gleichen Fragen gestellt hat."

    Was Kundenberaterin Frederike Gerund von der Sparkasse Bremen zunächst nicht wusste: Ihr Kunde leidet an Demenz. Er hatte schlicht vergessen, dass er schon bei der Sparkasse gewesen war. Demenz schleicht sich langsam in den Alltag und ist anfangs oft nicht eindeutig zu erkennen. Am Bankschalter tauchen Kunden auf, die immer wieder ihr Konto sperren lassen. Oder, die sich stundenlang in der Filiale aufhalten. Die Sparkasse Bremen spürte Handlungsbedarf. Neuerdings lässt sie Beschäftigte im Umgang mit verwirrten Kunden schulen. Das Geldinstitut arbeitet dabei mit der "Demenz Informations- und Koordinationsstelle" der Hansestadt zusammen. "Es geht nicht darum, dass Sparkassen-Mitarbeiter plötzlich Demenz-Diagnostiker werden. So nicht." Sagt Schulungsleiterin Tanja Meier. In neunstündigen Fortbildungen informierte die Psychologin Beraterinnen und -berater mit direktem Kundenkontakt über das Krankheitsbild.
    "Wenn ein Kunde öfters kommt, vielleicht nicht mehr weiß, wie ein Überweisungsformular auszufüllen ist, obwohl er das früher immer konnte. Wenn er Termine oftmals vergessen hat, die vereinbart worden sind. Wenn er am Geldautomaten plötzlich nicht mehr zurechtkommt - das alles können Anzeichen sein, dass man zumindest hellhörig wird."

    Juristisch ist die Sache klar: Menschen mit Demenz, die noch uneingeschränkt geschäftsfähig sind und nicht betreut werden, können mit ihrem Geld machen, was sie wollen. Auch jeden Tag 100 Euro abheben und an Straßenmusikanten verschenken oder in ihrer Wohnung verstecken. Bei der Sparkasse Bremen sieht man sich dennoch in der Verantwortung, Demenzkranke vor aberwitzigen Transaktionen zu schützen. Also fragen die Kundenberater eher noch mal nach. Sicherheitsbeauftragter Hubert Greve:

    "Die Erfahrung hat gezeigt, dass wir kaum Fälle haben, wo wir falsch gehandelt haben. Ganz im Gegenteil: Im nach hinein haben wir festgestellt, dass wir insgesamt sehr viele Beträge nicht ausgezahlt haben und letztlich im Interesse der demenziell erkrankten Kunden gearbeitet haben und deren Angehörigen."

    Auch andere Geldinstitute fordern ihre Mitarbeiter auf, bei auffälligen Situationen nicht einfach das Geschäft abzuwickeln, sondern nachzuhaken. Die Deutsche Bank sensibilisiert ihre Berater generell im Umgang mit "erkrankten Kunden", die Postbank, aufgeschreckt durch den berüchtigten "Enkeltrick" - Kriminelle geben sich telefonisch als Enkel aus und fordern für eine angebliche Notsituation hohe Beträge - schult ihre Mitarbeiter, "einschlägige Situationen" besser zu erkennen. Mit einer Fortbildung eigens zum Umgang mit dementen Kunden steht die Sparkasse Bremen allerdings bisher allein da.

    Tanja Meier von der Bremer Demenz-Informationsstelle rät übrigens, verwirrte Kunden niemals bloßzustellen. Die Beraterin soll sich Zeit nehmen, versuchen, etwas über den Alltag des Kunden zu erfahren und vor allem auch Angehörige einzubinden. Ein Banker hat ihr erzählt:

    "Er hat sich mit der Tochter der Kundin in Verbindung gesetzt, und er weiß jetzt, dass die Kundin ihr Geld in einer roten Dose auf dem Regal aufbewahrt. Und er hat mit der Tochter vereinbart: Immer, wenn die Frau kommt, sagt er zum Beispiel erst mal: 'Mensch, haben Sie schon mal in die rote Dose aufm Regal geguckt? Ob da nicht noch Geld drinne ist?' "