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Den Tumor von innen verbrennen

Ob Prostatakarzinom, Leberzellen- und Pankreaskarzinom, Speiseröhrenkrebs und Glioblastom: Sehr erfolgreich gegen diese Tumoren scheint sich eine Behandlungsmethode zu erweisen, die in der Berliner Charité in der letzten Phase der Klinischen Studie befindet - eine Therapie mit Nanoteilchen. Sie erreicht auch Tumoren, die mit herkömmlichen Methoden nicht entfernt werden können.

Von Wolfgang Noelke | 06.05.2008
    Der Campus des Berliner Virchowklinikums ist so groß, dass man den Wegen zwischen den Klinikbauwerken Straßennamen gab. Vor dem Haus der Strahlentherapie, am Südring Nummer fünf wartet Dr. Andreas Jordan. Er hatte vor etwa 20 Jahren die Idee, den physikalischen Effekt zu nutzen, dass Eisenoxid in einem Wechselstrommagnetfeld mitschwingt und sich dabei erwärmt. Wenn man in Tumorzellen mit Eisenoxid spritzen würde, so der Biologe, dann könnten schwingende Eisenoxidteilchen einen Tumor von innen verbrennen. Eisenoxid kennt man normalerweise unter dem Namen Rost. Aber, so Dr. Jordan, die Teilchen sind nur Nanometergroß und...

    " ...nicht Rost, sondern es ist ein ganz spezieller Kristall, der besonders gut auf ein magnetisches Feld reagiert. Und damit sind wir schon bei der zweiten Komponente des Verfahrens, nämlich ein Gerät, das ein magnetisches Feld erzeugt, dessen Pole hunderttausend mal in der Sekunde ihre Polarität ändern. Und mit jeder Änderung der Polarität - man kann sich das wie eine Kompassnadel vorstellen - Nord-Süd. Und jedes Mal, wenn das ummagnetisiert wird, bekommt man Wärmeverluste. Und diese Wärme hilft uns dann, den Tumor zu zerstören."

    Aus den Ideen wurde Realität. Ein paar Schritte weiter, in dem schmucklosen Betonbau, steht ein Gerät, das ähnlich aussieht, wie ein Magnetresonanztomograph, mit dem Unterschied, dass hier der Patient nicht in eine Röhre geschoben wird, sondern in einen etwa 30 cm hohen Schlitz. Noch liegt der Patient außerhalb dieses Gerätes und der Neurologe, Professor Klaus Maier-Hauff deutet auf die Fläche oberhalb der linken Schläfe des Patienten:

    " In diesem Bezirk hatte man die Knochendecke ausgesägt, vorübergehend entfernt und hat man dann unter dem Mikroskop und mit einem Navigationssystem die Geschwulst an dieser Stelle entfernt. Und nachdem es an dieser Stelle wieder gewachsen ist, haben wir die Haut wieder geöffnet. Sie sehen hier, ein bisschen durchschimmernd, - wir brauchten nicht mehr den ganzen Knochendeckel zu entfernen, sondern wir haben durch unsere Vorplanung der Operation in diesen Knochendeckel ein größeres Loch gebohrt und dann über die harte Hirnhaut des Gehirns eröffnet und dann - mit unserem Punktionssystem, über dieses Bohrloch haben wir mit mehreren Punktionen die Geschwulst mit dieser Magnetflüssigkeit aufgefüllt."

    Dabei ist es offensichtlich nicht schlimm, wenn am Rande eines Tumors auch gesundes Gewebe einige Nano-Teilchen aus der Flüssigkeit abbekommt:

    " Wir wissen durch die Untersuchungen von Dr. Jordan, dass gesunde Hirnzellen so gut wie keine Nano Partikel aufnehmen, sondern nur die bösartigen Geschwulstzellen des Glioblastoms. So ist die Gefahr, auch wenn ich in das gesunde Gewebe etwas von der Magnetflüssigkeit eingebe, dass sich das gesunde Gewebe durch die spätere Hitze, die wir erzeugen zur Therapie, nicht schädige."

    Inzwischen gleitet der Patient Klaus-Peter Vohrer mit seinem Kopf in den Schlitz des Wechselfeldgenerators. Eine Stunde wird er in dieser Lage verbringen. Es ist seine vierte Sitzung. Nur einmal muss Klaus-Peter Vohrer noch zur Nanotherapie. Dann, so hofft er, wäre das Rezidiv, also der zurückgekehrte Tumor in seinem Wachstum endgültig gestoppt. Die Symptome dieses Hirntumors, der totale Sprachverlust sind ihm noch in Erinnerung. Ein wenig sucht er heute noch nach den richtigen Worten:

    " Das erste Mal habe ich nicht überlegen können. Sprachen und so habe ich versäumt gehabt und als ich dann das erste Mal operiert wurde, da war das auf einmal von heute auf morgen rückschlagend. Das heißt, ich konnte wieder alles erzählen. "