Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Der Intendant mit 140 Zeichen

Nur 140 Zeichen haben Sie beim Micro-Blogging-Dienst Twitter für Ihre Kurz-Botschaften, die andere Nutzer abonnieren können. Doch Twitter gewinnt in Deutschland an Popularität – jetzt auch bei öffentlich-rechtlichen Intendanten: MDR-Chef Udo Reiter schickt seit über einem Monat sogenannte Tweeds in die digitale Welt - zuerst nicht ganz freiwillig.

Von Felix Hügel | 07.11.2009
    Tweet Nummer eins: "Drei falsche udoreiters. Wenn sie wenigstens intelligent gewesen wären. Oder lustig. Aber so?"

    MDR-Intendant Udo Reiter hat sich nicht ganz aus freien Stücken bei Twitter angemeldet. Ein Unbekannter hatte sich dort zuvor als Reiter ausgegeben. Er selbst sei dann vom MDR-Fernsehdirektor angesprochen worden, ob er nicht besser eine Interna wieder aus dem Netz nehmen wolle. Der Fernsehdirektor war nämlich davon ausgegangen, dass es sich um den echten Udo Reiter handele. Als der falsche Reiter im Netz unbekümmert weiter machte, war der MDR dagegen vorgegangen und hatte bei Twitter beantragt, den Account löschen zu lassen, erklärt Udo Reiter.

    "Das geht über Kalifornien und dauert drei Wochen und kaum war das dann durch, war drei Tage später der nächste dran und kurz darauf noch einer, das hat sich offenbar zu einer Art Sport entwickelt und da dachte ich mir dann, na gut – dann nehme ich es selber in die Hand."

    Tweet Nummer zwei: "Die Schwierigkeit scheint mir darin zu bestehen, nachzuweisen, dass man es wirklich ist. Wie macht man das? Fingerabdruck?"

    Zwar hatte der MDR eine Pressemitteilung herausgegeben, dass es sich diesmal um den echten Udo Reiter handelt. Doch das hat sich im Twitter-Universum relativ langsam verbreitet. Selbst nach über einem Monat wird Reiters Twitter-Account von manchen Nutzern noch für eine Fälschung gehalten. Reiter sieht das aber gelassen.

    "Das gehört in dieser Welt dazu, dass man nie genau weiß, mit wem man es zu tun hat. Und das macht mir auch keine großen Schwierigkeiten."

    Doch mittlerweile hat sich auch bei vielen im Netz herumgesprochen, dass hier der echte Intendant twittert. Rund 1.000 Nutzer folgen Reiter schon, haben also seine Kurznachrichten abonniert. Keine schlechte Zahl, im Vergleich mit dem deutschen Alpha-Twitterer Sascha Lobo aber noch eher gering. Lobo folgen über 21.000 Nutzer.

    Doch Zahlen sind nicht alles – auch in der Twitterwelt. Denn Reiter hat sich einen guten Ruf erarbeitet, mit seinen meistens sehr durchdachten, manchmal auch launigen und ironischen Kurz-Statements.

    Tweet Nummer drei: "Was ist ein Rollstuhlfahrer unter Kannibalen? - Essen auf Rädern."

    Wenn ein MDR-Intendant Behindertenwitze macht, dann folgt bei Twitter prompt Protest. Was die Nutzer scheinbar nicht wussten: Udo Reiter ist schon seit über vierzig Jahren selbst auf den Rollstuhl angewiesen.

    Wie viel vom echten Udo Reiter in seinem Twitter-Account steckt, das ist für den MDR-Intendanten schwer zu sagen. Er setze sich jedenfalls nicht mit einer bestimmten Strategie an den Rechner.

    "Sinn macht's nur, wenn unsereiner das tut, um auch aufs Programm hinzuweisen, das können sie jetzt aber nicht stur machen wie eine Programmzeitschrift, indem sie immer sagen: morgen um 20.15 Uhr MDR schauen, Sie müssen ein gewisses Interesse aufbauen, das geht aber nur in dieser speziellen Twitter-Sprache. Deswegen müssen sie ab uns zu was Buntes, mal was Ironisches, mal was Freches sagen, und dann gelegentlich was Ernstes, was hoffentlich dem Programm dient, das ist das Prinzip dabei."

    Tweet Nummer vier: "Twittern - Lockendrehen auf der Glatze?"

    Bislang hat Udo Reiter Twitter eher als ein Instrument genutzt, um seine Botschaften an die Nutzer zu bringen. In den Dialog mit ihnen ist er noch selten getreten. Und er war lange ein äußerst sparsamer Follower: Zwar haben viele Menschen seine Nachrichten abonniert, doch er selbst war nur wenigen gefolgt. Doch das hat Reiter nachgeholt – er folgt nun knapp 200 angemeldeten Nutzern.

    Ursprünglich, sagt Reiter, habe er Twitter für ein Meer der Belanglosigkeiten gehalten, bei dem es sich gar nicht lohne, hinzuschauen. Das würde er jetzt nicht mehr so sagen.

    "Wenn man sich drauf einlässt, merkt man, dass diese Sache genauso ihre Schönheiten und ihre Unsäglichkeiten hat, wie sie auch das Fernsehprogramm haben kann. Also, dass das 'ne Welt für sich ist, die sich bei näherem Hinsehen als nicht ganz uninteressant herausstellt."

    Tweet Nummer sechs: "Twitternde Intendanten - das Berufsbild scheint sich nicht durchzusetzen."