Mittwoch, 24. April 2024

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Der österreichische Produzent Zebo Adam
"Das Studio selber ist ein Instrument"

Ein Musik-Produzent ist dafür verantwortlich, "dass es am Ende eine Stereospur gibt, die man veröffentlichen kann", so Zebo Adam. Der Produzent von vier Alben der Band Bilderbuch betrachtet den Job als herrschend und dienend zugleich: "Ich bezeichne mich gern als Reiseleiter", so Adam im Dlf.

Zebo Adam im Corsogespräch mit Anja Buchmann | 14.12.2019
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Im Studio: Produzent Zebo Adam (Zebo Adam / Popcamp)
Zebo Adam, österreichischer Produzent unter anderem von Bilderbuch, den Beatsteaks, Gudrun von Laxenburg oder Teresa Bergman, entscheidet bei der Auswahl seiner Produktionen weniger nach Stilistiken, als nach musikalischer Güte. Doch was die Texte und Haltung der von ihm produzierten Musikerinnen und Musiker angeht, so hat er klare Grenzen bei den Themen Sexismus und Rassismus.
Zebo Adam: Nein, das ist definitiv ein No-Go.
Anja Buchmann: Auch wenn es musikalisch super gemacht ist...
Adam: Nein, nein. Das sehe ich dann aber quasi nicht als: der Produzent Zebo Adam entscheidet sich dagegen, sondern der Mensch. Also zum Beispiel einmal in meinem Leben war ich in der Situation, dass eine Band einen Text gehabt hat, der meines Erachtens eindeutig sexistisch war. Und da habe ich dann auch ganz klar gesagt: Wenn ihr diesen Song aufnehmen wollt, dann müssen wir die Zusammenarbeit beenden. Das kann ich als Mensch einfach nicht vertreten, ich will bei so etwas nicht beteiligt sein und die Jungs haben das zum Glück akzeptiert und dieser Song ist einfach nicht gemacht worden. Würde jetzt - Hausnummer - die Bind Frei.Wild kommen, die eindeutig im rechten Eck steht - Hej, und selbst wenn mir die zehn Millionen bieten, ist einfach ganz klar: Das macht man einfach nicht. Das ist dann einfach der Punkt, wo jeder gefragt ist und in der heutigen Zeit noch mehr, einen Standpunkt zu haben und den auch zu vertreten. Und auch bereit sein, dafür quasi negative Auswirkungen... Ich muss schon hinter dem Produkt stehen können, auch als Mensch. Da habe ich einen ganz klaren Standpunkt.
Buchmann: Was macht eigentlich ein Produzent, für diejenigen die damit vielleicht gar nicht so viel anfangen können? Es kann ja durchaus auch schwammig sein.
Arbeitsprozesse aktiv gestalten
Adam: Das ist eine wirklich gute Frage, die wirklich sehr schwer zu beantworten ist. Ich kann es mittlerweile zusammenfassen in einem einfachen Satz: Der Produzent ist meines Erachtens dafür verantwortlich, dass es am Ende eines Aufnahme-Prozesses eine Stereo-Spur gibt, die man an die Öffentlichkeit geben kann. Es gibt zwei Möglichkeiten, Musik zu machen: Es gibt die Momentaufnahme, das ist quasi das live Spielen, aber das ist genauso im Proberaum oder wo auch immer gemeinsam musizieren. Das ist aber auch nicht reproduzierbar. Und dann gibt es quasi die Möglichkeit, Musik zu machen und sie quasi zu konservieren, damit man sie sich immer wieder anhören kann. Und dafür ist der Produzent zuständig, weil der Aufnahme-Prozess sich ja mal grob gesagt gliedert in eine Vorbereitung, in eine Aufnahme, in eine Bearbeitung der Aufnahme, in eine Mischung der Aufnahme und ganz am Ende das Mastering. Und für diese einzelnen Arbeitsschritte gibts quasi jeweils Fachpersonal und natürlich gibts den Künstler selber. Und dann gibt es aber eine Person, die meines Erachtens in alle diese Arbeitsprozesse involviert ist und auch die Verantwortung dafür hat. Und ich bezeichne mich gern quasi als Reiseleiter. Ich muss alles das nicht in der Perfektion können. Aber ich bin der Meinung, dass ich über alles Bescheid wissen muss und sage dann auch gerne: Es gibt innerhalb einer Produktion keine Frage, wo ich als Produzent die Möglichkeit habe zu sagen: Das geht mich nichts an. Das ist auch der Grund wieso ich produziere, weil ich fasziniert davon bin, die Möglichkeit zu haben wirklich vom ersten Gedanken bis zum letzten, bis zum fertigen Produkt in jedem Arbeitsprozess aktiv gestaltend teilhaben zu können.
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Konzentriert: Zebo Adam (Sandra Ludewig)
Buchmann: Das heißt Sie sind dann schon ein Produzent, der sich viel einmischt oder je nachdem natürlich wie es gelagert ist. Oder anders gefragt: Sagen wir mal zum Beispiel Moses Schneider, der steht für so Echtzeit, wie live-Aufnahmen. Ist das etwas, für das sie auch stehen oder eher nicht oder je nach Produktion?
Das Studio als Instrument
Adam: Je nach Produktion, aber definitiv ein Moses Schneider ist einfach eins der großen Vorbilder. Da er auch in Deutschland meines Erachtens der Erste war, der diese Philosophie vertreten hat und ist auch ein Stück älter wie ich, und es ist für mich definitiv eines der ganz ganz großen Vorbilder, weil es auch greifbarer ist wie natürlich irgendwelche Leute, die in Los Angeles sitzen. Ich habe schon eine ganz klare Produzenten-Philosophie. Ich versuche aber auch da wie gesagt sehr flexibel zu sein. Und ich genieße es total, so wie Moses, wirklich eine Band gemeinsam in den Raum zu stellen und sie gemeinsam Musik machen zu lassen. Ich genieße es aber auch wirklich, mit einem Künstler am Computer herum zu frickeln. Unterm Strich weiß ich aber ganz klar, was meine rote Linie ist. Und was das Eingreifen betrifft: Das ist auch phasenabhängig, ich habe jetzt zum Beispiel eine Phase, wo ich wieder selber aktiv eingreife, wo ich zum Beispiel auch viel öfter wieder selber ein Instrument in die Hand nehme.
Buchmann: Welche Instrumente spielen Sie?
Adam: Ich war mal Gitarrist und kann das noch immer - und prinzipiell ist mein Instrument eigentlich das Studio. Aber da bin ich ganz ganz klar Anhänger der Schule, die Brian Eno als erster klar formuliert hat, der einfach der Erste war, der gesagt hat: Er sieht das Studio nicht als etwas, wo nur aufgenommen wird, sondern das Studio selber ist ein Instrument, ist ein Kreativkörper. Das ist das Tolle dran und oft kann ich abschätzen, ob es gut rennt oder nicht und wieviel ich eingreifen muss. Umso weniger ich tun muss, umso besser haben wir quasi das System irgendwie erstellt. Und umso mehr kann der Künstler einfach in seinem Fluss irgendwie sein. Und eins der harten Sachen in meinem Beruf ist, dass eigentlich meine Aufgabe zum Großteil ist, sich um Probleme zu kümmern und die schönen Momente, die eh von selber rennen, da bin ich oft gar nicht involviert, wenn man da sagt: Die Jungs und Mädels wissen ganz genau, was sie tun müssen. Ich bin dafür da, wenn es Probleme gibt, aber wenn es gut rennt, lasst es am besten einfach frei laufen, weil die wissen ja eh ganz genau, was sie machen. Produzentenarbeit bedeutet, den Künstler dabei zu unterstützen, seine Stärken bestmöglich herauszuarbeiten und den Schwächen den Platz zu geben, so dass sie die Stärken nicht sabotieren.
Buchmann: Das heißt, die Produzenten sind in der Regel keine Alpha-Männchen oder können Sie das trotzdem? Oder -Weibchen...
Adam: Das ist das Absurde an unserer Situation: Wir müssen Alphamännchen sein oder -weibchen - und gleichzeitig sind wir in einer absolut dienenden Position. Das ist zum Teil hart, es gibt niemand über mir, ich bin der Chef der Firma. Aber es steht nicht mein Name am Ende des Tages am Produkt vorne drauf, sondern der Name, der draufsteht, ist der des Künstlers. Es ist eine schizophrene Situation und ich glaube auch, dass man wirklich ein bestimmter Menschentypus sein muss, um an so einer Arbeit Gefallen zu finden. Weil: man ist wirklich herrschend und dienend gleichzeitig. Also, ich kann mich an eine Produktion erinnern, wo ich wortwörtlich zum Ikea gefahren bin, Lampenschirme kaufen, weil das im Studio notwendig war für die Stimmung. Und dann denkst du schon irgendwann: Ja warum sitze ich denn jetzt gerade im Auto und fahre zum Ikea, Lampenschirme kaufen. Aber irgendjemand muss das übernehmen und dann darf man sich nicht zu schade sein.
Buchmann: Da lernt man auch was über sich selbst vermute ich mal in dem Job?
Qualität ist etwas Universelles
Adam: Da lernt man wirklich ganz ganz viel über sich. Und das ist ganz wichtig, sich immer wieder selbst zu hinterfragen und gerade vor zwei, drei Jahren hab ich auch so eine Tief-Phase gehabt, was die Motivation betrifft, wo man dann auch drauf kommt: Okay, was ist eigentlich der Grund, wieso man das macht. Du arbeitest mit Bands zusammen und auf einmal kommt Erfolg und die Bands sind dann auf allen Titelseiten und man denkt: Ja, ich habe genauso viel Arbeit gemacht, aber mein Name wird nicht mal erwähnt, ich muss kämpfen, dass mein Name auf YouTube und Spotify überhaupt mal erwähnt wird. Ja und die Jungs stehen aber jeden Tag vor 3000 Leuten und die jubeln ihnen zu und dann steht man im Publikum und denkt: Ich hab den Song eigentlich auch mitgeschrieben und kein Mensch interessiert sich dafür weil... who cares. Das ist fürs eigene Ego... da lernt man viel über sich, was einem wirklich wichtig ist und was der originäre Beweggrund ist, es zu machen. Wenn es quasi um Fame und Anerkennung geht, sollte man nicht Produzent werden.
Buchmann: Wieviel haben Sie eigentlich bei den Alben von Bilderbuch mitgewirkt. Wieviel Eingreifen war da notwendig oder vielleicht auch unterschiedlich, es waren ja insgesamt vier Alben.
Adam: Es waren vier Alben, ja. Ich glaube, dass Bilderbuch wirklich eine Sonderstellung ist, weil wir so einen ewig langen Weg gemeinsam gegangen sind. Wie ich die Band kennengelernt habe, waren sie im Schnitt 18,19 Jahre alt, haben gerade Abitur gemacht beziehungsweise Zivildienst. Das heißt: Es war, wie es früher ganz üblich war, Künstler-Aufbauarbeit. Das ist etwas, was heutzutage komplett vergessen wird. Ein Künstler braucht Zeit. Du kannst doch nicht von einem neunzehnjährigen Künstler erwarten, dass er fix und fertig ist, das ist doch Schwachsinn. Meine Aufgaben haben sich natürlich im Laufe der Zeit massiv geändert. Aber was ich immer probiert habe, ist vor allem: da zu sein und je nachdem was die Themen sind - und natürlich waren das beim ersten Album rein praktisch ganz andere Themen als beim vierten Album. Das ist für mich das wirklich Schöne an der Arbeit mit Bilderbuch und wieso ich mich dann auch über den Erfolg freuen kann und eben auch annehmen kann, weil ich weiß: Wir sind einen langen, langen, schwierigen Weg gegangen. Drum schafft es diese Band jetzt auch, dieses Niveau zu halten. Geschmack ist die eine Sache, aber Qualität ist etwas Universelles.