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"Der Weg zur deutschen Einheit"
Satire soll in Flüchtlingsunterkünften gezeigt werden

Von Arno Orzessek | 31.10.2015
    Potztausend, was für eine Idee! Teutonische Willkommenskultur vom Feinsten!
    Jede runtergerockte Notunterkunft sieht doch gleich viel schmucker aus, praktisch wie eine amtliche Lehranstalt, wenn da 20 bunte DIN-A1-Plakate vom Glanz der deutschen Einheit künden und die Asylbewerber in Trauben der Wissbegierigkeit die arabischen Texte studieren.
    Und das Ganze kostet jeweils nur lumpige 30 Euro Schutzgebühr inklusive Versand im Inland. Da können nicht einmal die Torfköpfe von Pegida mosern - von wegen, schönes Steuergeld.
    Landeskunde statt Langeweile, Bildung statt Backgammon, Hirntraining statt Handy-Handhabung: Wer würde bezweifeln, dass unsere Flüchtlinge genau diesen pädagogischen Kick ersehnt haben!?
    Zwar interpretiert die Stiftung für die Aufarbeitung der SED-Diktatur mit der arabischen Maßnahme ihren offiziellen Auftrag recht großzügig - sie tut es aber mit Pfiff:
    Schließlich passt das Ausstellungsthema zur Situation der Ankömmlinge wie die Kleiderspende zum Erfrierenden und das Schlauchboot zum Schlepper; es holt sie emotional direkt bei ihnen selbst ab.
    Okay, wer als Araber fit in Mathematik, aber nicht so fit in Weltgeschichte ist, könnte sich fragen, warum das erste Plakat "2 + 4 = 1" verkündet - doch gemach! Er wird die Mysterien des einheitsstiftenden Zwei-Plus-Vier-Vertrags zwischen BRD, DDR und den Siegermächten alsbald lieben lernen.
    Überhaupt wimmelt es auf den Plakaten von Angeboten zur arabischen Einfühlung in Deutschlands Schicksal und somit zur inneren Deutschwerdung.
    Wer die Festung Europa zum Beispiel von Nordafrika kommend auf einem lecken Schrottkahn gestürmt hat, der hat sicher ein deutliches Gefühl für die Schäbigkeit des Eisernen Vorhangs ...
    Und der weiß auch intuitiv, was ein Todestreifen ist. Er hat ja die Widergänger der Grenztoten vor Lampedusa im Wasser treiben sehen.
    Dann die Mauerfall- und Wendeeuphorie: Da erkennt wohl jeder Flüchtling die Parallele zur eigenen Euphorie beim Erreichen des gelobten Landes. Es wäre nur folgerichtig, wenn er darüber genauso zärtliche Gefühle für Angela Merkel entwickelt wie einst die Ossis für Helmut Kohl und um Mitgliedschaft in der CDU anhält.
    Überhaupt die sorgenden Politiker auf all den Plakaten: Da vermittelt sich kuschelige Geborgenheit von der Sorte Abrahams Schoß.
    Man muss also einräumen: Die ganze Idee ist tiefenpsychologisch und integrationspolitisch total ausgebufft. Und die Stiftung Aufarbeitung kann ihre geniale Kampagne ohne Weiteres ausbauen, sobald die Flüchtlinge alle Ausstellungstexte auswendig können.
    Der Bestseller "Deutschland. Erinnerungen einer Nation" von Neil MacGregor wäre für Fortgeschrittenen-Kurse in Deutschwerdung perfekt geeignet, gerade, um arabischerseits auch die älteren hiesigen Traumata - 30-jähriger Krieg, Napoleon, Hitler und so weiter - ordnungsgemäß zu verinnerlichen.
    Zwar meinte Anna Kaminsky, die Geschäftsführerin der Stiftung, vielereorts müsse man zuerst für die Grundbedürfnisse der Flüchtlinge sorgen. Aber bitte, auch der Araber lebt nicht vom Brot allein.
    Gewiss werden im ganzen Land heiße Tränen der Rührung fließen, wenn die Flüchtlinge in ihren Notunterkünften demnächst den herrlichsten deutschen Sprechgesang anstimmen: "Wir sind ein Volk."